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Auf der Suche nach der nächsten Legende
Vor der Vierschanzentournee gilt kein Deutscher als Favorit. Darin könnte eine Chance liegen
Zumindest Markus Eisenbichler bleibt Optimist: »Wenn man die Tournee gewinnt, hat man einen Legenden-Status. Speziell als Deutscher. Es wird mal wieder Zeit, dass es einer von uns schafft.« Die Chancen darauf scheinen vor dem Start der 71. Vierschanzentournee an diesem Donnerstag in Oberstdorf jedoch so schlecht wie seit Jahren nicht zu stehen.
In den bisherigen acht Weltcupspringen der Saison gab es mit einem dritten Rang von Vorflieger Karl Geiger gerade mal einen deutschen Podestplatz. Die Ausgangsposition ist also überhaupt kein Vergleich zum vergangenen Winter, als Lokalmatador Geiger mit dem Gelben Trikot des Gesamtweltcup-Spitzenreiters in seiner Heimat Oberstdorf an den Start gegangen war. Am Ende langte es für den Topfavoriten jedoch »nur« zu Platz vier in der Gesamtwertung. Ist es also vielleicht die Chance für die deutschen Skispringer, dass diesmal kaum jemand etwas von ihnen erwartet?
»Das Motto muss heißen: Weniger reden und mehr machen«, sagt Sven Hannawald gegenüber »nd«. Der inzwischen 48-Jährige gewann vor nunmehr 21 (!) Jahren als letzter Deutscher die Vierschanzentournee. Hannawald glaubt, dass die Deutschen »mit dem Druck« bei diesem außergewöhnlichen Zehn-Tages-Event auf den vier Schanzen von Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen einfach »nicht zurechtkommen«.
Dabei ist die deutsche Tournee-Bilanz bei genauerem Hinschauen gar nicht so schlecht. Auch wenn der ganz große Triumph zuletzt fehlte, belegten in den vergangenen sieben Jahren vier verschiedene Springer des Deutschen Skiverbands (DSV) Platz zwei in der Gesamtwertung. Drei davon sind auch diesmal am Start und die größten Hoffnungsträger auf einen deutschen Überraschungs-Coup: Der sechsmalige Weltmeister Eisenbichler, Doppel-Olympiasieger Andreas Wellinger und eben Karl Geiger. Das Trio hat mit dem DSV-Team vor Weihnachten auch extra noch mal auf der Auftaktschanze von Oberstdorf trainiert.
Zumindest Bundestrainer Stefan Horngacher bleibt daher auch Optimist: »Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren zählen wir nach den bisherigen Leistungen im Weltcup nicht zu den absoluten Topfavoriten. Hinsichtlich der Tournee-Springen sind wir jedoch zuversichtlich, da Karl Geiger einen richtig guten Schritt gemacht hat und ich noch nie mit so einer guten Mannschaft zu einer Vierschanzentournee gefahren bin.« In der Rolle des Jägers fühlt sich Karl Geiger offenbar auch wohler als in der des Gejagten: »Ich weiß, dass andere Springer ein Stück voraus waren, aber ich habe mir viel vorgenommen. Es sind endlich wieder Zuschauer da und ich will den Kessel in Oberstdorf anheizen.« Dass erstmals seit drei Jahren wieder Zuschauer beim Grand Slam der Skispringer dabei sein dürfen, könnte ein zusätzlicher Faktor sein. Mit 25 000 Zuschauern ist das Auftaktspringen restlos ausverkauft.
Auch wenn viele Fans auf einen Sieg Geigers hoffen, ist der Tournee-Favorit für die meisten Experten jedoch der aktuelle Gesamtweltcup-Spitzenreiter Dawid Kubacki, der in diesem Winter schon viermal ganz oben stand. »Er ist der, nach dem alle schauen. Er hat im Sommer etwas gefunden, das ihn momentan ein Stück vor die anderen bringt. Kubacki hat die Fehler im Bereich Absprung und Übergang in den Flug ausgemerzt«, sagt auch Sven Hannawald über den Polen.
Zudem hat der 32-jährige Kubacki die Tournee vor drei Jahren schon einmal gewonnen und dürfte deshalb die nötige Gelassenheit mitbringen. Das Gleiche gilt für Stefan Kraft (29): »Die Österreicher werden immer stärker, wenn sie die Tournee-Luft schnuppern. So, als hätten sie fünf Energie-Riegel gefuttert«, sagt Hannawald. Weitere Anwärter sind nicht nur für ihn der Weltcupzweite Anze Lanisek aus Slowenien sowie der Norweger Halvor Egner Granerud.
Die Frage bei den beiden 26 Jahre alten Herausforderern ist: Bringen sie bereits die nötige Konstanz für vier starke Leistungen in zehn Tagen mit? Granerud bringt zumindest die dafür nötige Lockerheit mit. Schon in seiner wilden Jugendzeit hat er sich nach einem Grillfest mit Freunden mal überreden lassen, nackt von einer 60-Meter-Schanze herunterzuspringen. Seitdem hat Granerud in Norwegen den Spitznamen »Nakenhopperen« weg. Viel lieber würde sich der begnadete Flieger jedoch mit dem Titel Tournee-Sieger schmücken, schließlich liegt der letzte norwegische Triumph von Anders Jacobsen auch schon 16 Jahre zurück.
Bei den DSV-Spingern sind es noch fünf Jahre mehr. Dennoch gilt auch für Sven Hannawald nach 21 Jahren ohne deutschen Gesamterfolg das Prinzip Hoffnung: »Ich habe ja immer gesagt, dass wir in der Ära von Bundestrainer Horngacher einen deutschen Tournee-Sieger erleben werden. Ich bin von seiner Arbeit überzeugt. Es liegt definitiv nicht am Trainerteam!« Stefan Horngacher habe es schließlich als Cheftrainer Polens auch schon geschafft, Kamil Stoch zum Tournee-Gesamtsieger zu formen. »Am Ende sitzen aber immer die Springer oben auf der Schanze und müssen es richten«, so Hannawald.
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