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Wirtschaft will nicht umgelegt werden
Die IHK lobt die Kooperation mit dem Senat, kritisiert aber die Ausbildungsplatzumlage
Zumindest ein wenig kann die Industrie- und Handelskammer (IHK) doch überraschen: Der Wirtschaftsverband gilt wohl den wenigsten als progressiv. Doch für die seit 2021 wieder amtierende Mitte-links-Regierung aus SPD, Grünen und Linke in Berlin gibt es vor allem lobende Worte.
»Wirtschaftlich befinden wir uns in einer unruhigen Lage«, sagt Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Doch bisher erweise sich die Berliner Wirtschaft als erstaunlich robust. Die von vielen befürchtete Winterrezession verlaufe überraschend mild. Dass sich die Berliner Wirtschaft im Angesicht der aktuellen Energie- und Inflationskrise im Vergleich zu anderen Bundesländern besser schlage, liege auch an dem »kooperativen Verhältnis«, das man zum Senat pflege. In Anbetracht der verschiedenen Krisen erwarte man für 2023 aber keine »Riesen-Wachstumszahlen«. Man sei froh, wenn das Wirtschaftswachstum am Ende über die Null-Prozent-Marke klettere, so Eder bei einer Pressekonferenz am Donnerstag anlässlich der anstehenden Wiederholungswahl.
Auch bei der IHK scheint man die Umfragen zu kennen und wenig Hoffnung auf einen Regierungswechsel zu haben. Die Wiederholungswahl ist daher vor allem mit der Furcht vor politischer Unruhe verbunden. »Niemand hat diese Wiederholungswahl gewollt, aber jetzt ist sie da«, sagt dann auch IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Sollten sich die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl lange ziehen, bedeute das »Instabilität«, so Stietzel. Eine Wahlempfehlung möchte der IHK-Vorstand dann auch nicht aussprechen, schließlich »spiegelt sich die Vielfältigkeit der Stadt auch bei uns«, so Geschäftsführer Eder. Einen »pragmatischen und ideologiefreien Bürgermeister« wünsche man sich aber. Von welcher Partei der kommen soll, möchte man nicht sagen.
Die zweite kleine Überraschung: Bei der Verwaltungsreform, laut IHK-Präsident Sebastian Stietzel das wichtigste Thema der Arbeitgeber für die anstehende Wiederholungswahl, geht man explizit auf Distanz zu der dem Mittelstand traditionell nahestehenden FDP. Deren Vorsitzender Sebastian Czaja hatte gefordert, die Berliner Bezirke weitgehend zu entmachten. Die gewählten Bezirksstadträte sollen nach dem Willen der Freidemokraten abgeschafft werden, die Aufgaben der Bezirke größtenteils auf die Landesebene wandern.
Statt einer solchen Zentralisierung will die Handelskammer, dass die Aufgaben zwischen Senat und Bezirken klar verteilt werden. Bei den Aufgaben, für die sie dann zuständig sind, sollen die Bezirke sogar mehr Eigenständigkeit erhalten. Die Position des Chief Digital Officers, der im Senat zentral für die Verwaltungsmodernisierung in ganz Berlin zuständig ist, habe sich bewährt und müsse gestärkt werden. Damit begibt man sich in die Nähe zu den Grünen, die Ähnliches fordern. Als »Power-User« der Verwaltung erwarte man, so Stietzel, dass noch in diesem Jahr eine »grundlegende Verwaltungsreform« abgeschlossen werde.
Also seltene Einheit von Wirtschaft und Senat? Eher nicht. Vor allem beim Fachkräftemangel wurden die Konflikte dann doch deutlich: Die Ausbildungsplatzumlage, ein Herzensprojekt von Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke), lehnt die Handelskammer ab. Kipping will Unternehmen, die keine Ausbildungsplätze anbieten, verpflichten, in einen Topf einzuzahlen, aus dem wiederum Unternehmen, die ausbilden, gefördert werden sollen. So sollen Anreize geschaffen werden, mehr Ausbildungsplätze anzubieten. In der Hauptstadt haben viele junge Menschen Schwierigkeiten, passende Ausbildungsstellen zu finden. Die Unternehmen klagen wiederum, dass ihnen Fachkräfte fehlen.
Laut IHK-Geschäftsführer Eder wäre die Ausbildungsplatzumlage für die Unternehmen aber vor allem mit mehr Bürokratie und Kosten verbunden. »Es ist auch nicht zu vermitteln, warum kleine, mittelständische Unternehmen dann große Firmen wie BMW subventionieren müssten«, sagt Eder. Damit spielt er darauf an, dass vor allem große Konzerne in der Industrie ausbilden, während kleine Betriebe im Dienstleistungssektor nur wenige Ausbildungsplätze anbieten können. Das Problem liege vielmehr bei der Qualität der Schulabgänger, die häufig nicht die für die Ausbildung nötigen Fähigkeiten mitbringen.
Statt einer Ausbildungsplatzumlage will die IHK daher eine »konzertierte Ausbildungsoffensive«, so Eder. Die IHK sehe sich dabei auch selbst in der Verantwortung, unter den Unternehmen mehr für Ausbildung zu werben. Der Senat müsse aber in die Schulen investieren und die Berufsorientierung an allen weiterführenden Schulformen stärken. Auch an den Hochschulen müsse der Transfer in die Arbeitswelt gestärkt werden, fordert Stietzer.
Ein wenig kommt man dem Senat in dieser Frage aber dann doch entgegen: In spezifischen Branchen könne eine Ausbildungsplatzumlage durchaus sinnvoll sein, so Eder. In der Baubranche habe man gute Erfahrungen gemacht. Über verschiedene Branchen hinweg schade sie aber. »Sollte die Ausbildungsplatzumlage eingeführt werden, wäre das ein Schritt weg von der Kooperation hin zur Konfrontation«, sagt Eder.
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