Dutzende Tote nach Schneesturm in Buffalo

Behörden in Buffalo, New York, ignorierten Warnungen vor einem verheerenden Wintersturm

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 3 Min.
Buffalo, New York am 26. Dezember 2022
Buffalo, New York am 26. Dezember 2022

Am vergangenen Freitagmorgen, als der Wind in Buffalo schon mit rund 128 Kilometern pro Stunde durch die Stadt fegte und bereits 13 000 Wohnungen ohne Strom waren, erklärten die Behörden ein Fahrverbot – zu spät. Zuvor hatte sich in den sozialen Medien Protest gerührt: Aus der Bevölkerung wurden flehende Bitten um ein Fahrverbot innerhalb der Stadt im US-Bundesstaat New York laut, andernfalls bestünden die Arbeitgeber auf ein Erscheinen am Arbeitsplatz.

Laut »Washington Post« zeigen sich die Verantwortlichen im Nachhinein reuig. Die Hälfte der mindestens 30 Todesfälle ereignete sich im Freien, in Autos oder in Schneeverwehungen. An einem einzigen Tag fielen 120 Zentimeter Schnee. In einer Pressekonferenz wurde offiziell zugegeben, dass die Verwaltung der Stadt mit 270 000 Einwohnern abwartete, damit Berufstätige zur Arbeit fahren konnten, was sich als folgenreiche Fehlentscheidung erwies. 

Bis Mitte dieser Woche patrouillierten 100 Militärpolizisten, um den Verkehr zu kontrollieren, während noch Tausende ohne Strom ausharrten. Polizisten mussten laut Associated Press von Tür zu Tür und Auto zu Auto anklopfen. Die Polizei erwartet die Entdeckung weiterer Todesfälle, denn sehr viele Notfallanrufe wurden während des Sturms gar nicht beantwortet. Inzwischen reden die New Yorker vom »Blizzard des Jahrhunderts«.

Es ist nicht nur die nördliche Lage am Eriesee, die zur Katastrophe führte. Auch die soziale Situation der Stadt hat die fatalen Konsequenzen des Sturms nach sich gezogen. Buffalo ist die zweitgrößte Stadt im Bundesstaat New York, und rund 30 Prozent der Bürger leben unter der Armutsgrenze. Viele Arbeiter, die kaum Ersparnisse haben, warten darauf, dass sie freitags bezahlt werden; zudem fiel der Sturm auf den Freitag vor Weihnachten. Der Landrat von Erie County, dem Landkreis rund um Buffalo, Mark C. Poloncarz, nahm wohl auch darauf Rücksicht. Laut der »Washington Post« bereut er seine Entscheidung jetzt. Sheriff John Garcia hatte die Wettervorhersagen von einem »Bomben-Zyklon« als Angstmache abgetan. 

In der armen Stadt Buffalo sind sehr viele Wohnungen baufällig, besonders im Ostteil. Dort heizen viele mit Strom. Auch diejenigen, die während des Sturms nicht unterwegs waren, mussten zu Hause ohne Heizung frieren. In den Wohnungen näherten sich die Temperaturen oft null Grad. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln war kaum gewährleistet, viele Supermärkte blieben geschlossen. Facebook wurde mit Bitten um Windeln und Medikamente für Kleinkinder geflutet. Auch Feuerwehrfahrzeuge strandeten im Schnee. Nach der Pandemie ist die Notfallmedizin in der Stadt nur noch zu 90 Prozent besetzt. Auf dem Land übernehmen oft Ehrenamtliche diese Aufgabe. 

Bereits vor einem Monat wurde die Gegend von einem heftigen Sturm getroffen, der gesamte Schneefall für diesen Winter liegt bereits nahe am jährlichen Durchschnittswert. Eine Facebook-Gruppe, die nach einem schweren Sturm im Jahr 2014 gegründet wurde, wuchs diese Woche plötzlich auf 68 000 Mitglieder an.

Dieses Ereignis erinnert an den Ablauf und die Konsequenzen eines verheerenden Tornados in sechs US-Bundesstaaten im Dezember 2021. Auch damals gab es etliche vermeidbare Todesfälle, da Warnungen vor einem Extremwetterereignis nicht ernstgenommen wurden. Amazon wurde von Gewerkschaften stark kritisiert, weil Arbeiter*innen in Edwardsville, Illinois während eines Tornados ums Leben kamen, dort stürzte das Dach eines Lagerhauses ein. Im Westen des Bundesstaats Kentucky starben damals acht Arbeiter unter einem zusammengebrochenen Fabrikdach, als die Nachtschicht trotz Tornado-Warnung fortgesetzt wurde. Laut der Zeitung »The Herald-Leader« spielten marode Infrastruktur und fehlende Warnsysteme ebenfalls eine Rolle bei den Todesfällen. Nicht zum ersten Mal erweist sich der Umgang mit den Extremwetterlagen unserer Gegenwart in den USA als fahrlässig.

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