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Japan wird seine Waffen nicht los
Trotz Verdopplung des Verteidigungsbudgets steckt die Rüstungsindustrie seit Langem in der Krise
Mitte Dezember beschloss die Regierung um Premierminister Fumio Kishida mit einer neuen Sicherheitsstrategie, das Verteidigungsbudget zu verdoppeln, bis 2027 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Japan befinde sich im »ärgsten und kompliziertesten Sicherheitsumfeld« seit dem Zweiten Weltkrieg, heißt es in den Papieren. Zu »potenziellen« Bedrohungen gehören nun nicht mehr nur die »größte strategische Herausforderung« China sowie Nordkorea, sondern auch Russland. Die Selbstverteidigungskräfte sind fortan prinzipiell auch zu militärischen Gegenschlägen autorisiert.
Der in Japans Verfassung niedergeschriebene Pazifismus, der dem Land jede Kriegsführung verbietet, ist damit spürbar aufgeweicht – weshalb sich die japanische Rüstungsindustrie eigentlich die Hände reiben müsste. Doch von Aufbruchstimmung ist wenig zu hören. Es herrscht Nervosität. »Die inländische Verteidigungsindustrie repräsentiert indirekt die Fähigkeit zur nationalen Verteidigung«, sagte Verteidigungsminister Yasukazu Hamada Ende letzten Jahres öffentlich – Worte, die als Warnung wahrgenommen wurden. Denn Japans Rüstungsbranche gilt als schwach, als nicht wettbewerbsfähig.
Auf den ersten Blick ist das erstaunlich. Japans Volkswirtschaft ist die drittgrößte der Welt, und in fast jeder mit Militäraktivitäten verwandten Branche – von Software über den Schiffbau bis zum Bau von Atomkraftwerken – zählen japanische Unternehmen zu den führenden der Welt. Aber wer nach den weltweit größten Rüstungsunternehmen sucht, findet keine japanischen Namen. Die Datenbank des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) listet für das Jahr 2021 nur vier Unternehmen aus Japan auf.
Kurz nach der Jahrtausendwende war die japanische Industrie deutlich stärker in den Rankings vertreten. Mitsubishi war das 15.-größte Unternehmen, insgesamt sechs Konzerne aus dem Land zählten zu den größten 100. Und selbst im Vergleich zum Jahr 2014, als die Exportbeschränkungen für Waffen gelockert wurden und noch sechs japanische Unternehmen auf der Sipri-Liste zu finden waren, ist sowohl Japans Anteil am Weltmarkt gesunken als auch die akkumulierten Erlöse der aufgeführten Betriebe.
»Wir stehen sehr schlecht da«, konstatiert Ken Jimbo, Politikprofessor an der angesehenen Keio-Universität in Tokio und Experte für Sicherheits- und Militärfragen. »Es gibt im Moment viele Diskussionen darüber, was schiefläuft.« Japans Rüstungsbranche scheint sogar zu schrumpfen. Laut dem führenden Wirtschaftsverband Keidanren hat die Anzahl von Unternehmen, die im Verteidigungssektor aktiv sind, in den letzten Jahren um rund ein Zehntel abgenommen.
»Über das vergangene Jahrzehnt haben wir es überhaupt nicht geschafft, uns auf dem internationalen Markt zu etablieren«, so Ken Jimbo. 2016 scheiterte ein Deal mit Australien, bei dem japanische U-Boote im Wert von 65 Milliarden US-Dollar verkauft werden sollten – den Zuschlag erhielt Frankreich. Verhandlungen mit Indien über Flugzeuge scheiterten am Preis. Ebenso der Versuch, ein Radarsystem nach Thailand und Fregatten nach Indonesien zu verkaufen. Nur die Philippinen haben ein japanisches Radarsystem gekauft.
»Weil die Regulierungen über mehrere Jahrzehnte praktisch Waffenexporte verboten haben, hat sich Japans Industrie auf die Inlandsnachfrage konzentriert«, sagt Raymond Yamamoto, Professor an der Universität Aarhus und Experte für Außenpolitik. »So sind die Produktionskapazitäten niedrig geblieben, die Preise daher hoch und international nicht wettbewerbsfähig.« Doch was vor einigen Jahren noch als politisch fortschrittlich galt, empfindet nun ein wachsender Teil der Gesellschaft als Problem.
Vom steigenden nationalen Verteidigungsetat profitiert bisher vor allem Japans wichtigster Sicherheitspartner. Japanische Waffenimporte aus den USA haben sich allein im Zeitraum von 2014 bis 2019 auf gut 700 Milliarden Yen (rund 5,7 Milliarden Euro) mehr als verdreifacht. Wobei sich in jüngster Vergangenheit ein Umdenken offenbart. Im Dezember verkündete die japanische Regierung, bis 2035 gemeinsam mit Großbritannien und Italien einen Kampfjet entwickeln zu wollen.
»So ein Projekt zeigt, dass sich Japan nicht mehr ausschließlich auf die USA verlassen möchte«, so Yamamoto. Zuletzt wurde Japan auch zu Treffen des westlichen Militärbündnisses Nato eingeladen. Zudem kamen deutsche und französische Schiffe vor die japanische Küste, als Zeichen der Kooperation. »Vieles davon wäre vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen«, sagt Ken Jimbo.
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