Werbung

Cem Özdemirs »Feuertaufe«

Der Bundesagrarminister wirbt auf der Grünen Woche für seinen zögerlichen Kurs zum Umbau der Landwirtschaft

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bundeslandwirtschaftsminister kommt ein wenig zu spät zu seiner, wie er sagt, »Feuertaufe«. Auf der Pressekonferenz zu Beginn der Agrarmesse Grüne Woche wendet er sich erst einem ressortfremden Thema zu: Cem Özdemir spricht sich dafür aus, deutsche Leopard-Panzer in die Ukraine zu schicken, denn der russische Aggressionskrieg könne nur beendet werden, »wenn die Ukraine ihn gewinnt«. Dann geht es flugs zum Hauptthema: Transformation der Landwirtschaft, mehr Nachhaltigkeit, mehr Klima- und Artenschutz. Das sei nicht verhandelbar, beteuert der Grünen-Politiker.

Konkretes kann der Minister jedoch kaum vorweisen. Eines der wichtigsten Rahmenprogramme zur politischen Gestaltung, die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP), habe er von seiner Vorgängerin geerbt, sagt Özdemir. »Hier werden wir noch innerhalb dieser Förderperiode eingreifen.« Doch warum hat er in den ersten Monaten seiner Amtszeit, in denen die deutschen Strategiepläne der EU-Kommission präsentiert werden mussten, nicht nachgeliefert? »Özdemir hatte hier Möglichkeiten, sofort aktiv zu werden«, kritisiert Phillip Brändle von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) auf der Grünen Woche. Die Veranstaltung auf dem Berliner Messegelände mit rund 1400 Ausstellenden öffnet an diesem Freitag fürs Publikum und geht bis Ende kommender Woche.

Vorgelegt hat Özdemir einen Gesetzentwurf zur Tierhaltung. Nachdem seine Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) mit einem staatlichen verpflichtenden Label gescheitert war, sollen Verbraucher*innen zukünftig an einer Kennzeichnung ablesen können, wie Tiere gehalten werden. Die Stufen: Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland und Bio als Extra-Kategorie. Die Verpflichtung soll laut Özdemir zunächst für Schweinefleisch gelten, später sollen weitere hinzukommen. Der Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung im Bundestag an den Landwirtschaftsausschuss verwiesen.

Doch der Vorschlag stößt auf wenig Zustimmung. Bei einer Anhörung zu Wochenbeginn mahnten Sachverständige Nachbesserungen an. So forderte Martin Schulz, Bundesvorsitzender der AbL, auch die Sauenhaltung einzubeziehen. Die Unternehmensinitiative »Tierwohl« sieht die Betriebe benachteiligt, die bereits an dem freiwilligen Label teilnehmen. Von einem »Programm zum Abbau der Tierhaltung« spricht Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. »Wir sind dabei, den Tierhaltungsstandort Deutschland zu gefährden.« Dem Bund für Umwelt und Naturschutz dagegen reicht es nicht, dass es zunächst nur um die Schweine und hier sogar nur um Frischfleisch gehe. »Auch die angesetzten Haushaltsmittel sind viel zu gering«, sagte der Verbandsvorsitzende Olaf Bandt.

Finanziert werden soll der Umbau zunächst mit einer Anschubfinanzierung des Bundes von einer Milliarde Euro. »Das ist für den Anfang erst mal gut, aber es reicht auch nicht«, räumt Özdemir auf der Grünen Woche ein. Für eine weitergehende Finanzierung gebe es in der Koalition Klärungsbedarf. Eine Expertenkommission hatte eine höhere Mehrwertsteuer oder eine »Tierwohlabgabe« auf tierische Produkte vorgeschlagen.

Streit mit dem Bauernverband gibt es auch beim Thema Biosprit. Özdemir möchte wie seine Parteikollegin, Umweltministerin Steffi Lemke, die Förderung spätestens 2030 beenden, denn: »Die Herstellung aus Nahrungspflanzen hat keine Zukunft – vor allem nicht, wenn wir das Thema Ernährungssicherheit und bezahlbare Lebensmittel ernst nehmen.« Lemke hatte den Stopp bereits im Mai 2022 angekündigt, die Abstimmung vor allem mit dem FDP-geführten Verkehrsministerium gestaltet sich schwierig. Nun soll ein neuer Entwurf in der Ressortabstimmung sein. Bauernverbandschef Rukwied hält auf der Grünen Woche dagegen: »Ohne Biosprit geht es nicht.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.