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Lufthansa in Grün-Weiß-Rot?
Deutscher Konzern will weitere europäische Airline schlucken
Der Lufthansa-Konzern, zu dem bereits neben der Tochter Eurowings die Swiss, Austrian sowie Brussels Airlines und der Urlaubertransporteur SunExpress gehören, hat schon geraume Zeit einen Blick auf die italienische ITA Airways geworfen. Die wirtschaftet haarscharf am Ruin. Dennoch ist das Unternehmen, das zurzeit in vollem Besitz des italienischen Staates ist, für Käufer interessant. Als Alitalia-Nachfolgerin hat ITA wichtige Start- und Landerechte an den Flughäfen Rom-Fiumicino und in Mailand.
Ende August vergangenen Jahres sah es so aus, als hätte Lufthansa den Bieterwettbewerb bereits verloren, ehe er richtig begann. Das Finanzministerium in Rom tat kund, dass man nur noch mit einem Konsortium, das aus dem Fondsbetreiber »Certares« und der Delta Air Lines aus den USA besteht, sowie mit der Air France-KLM-Gruppe verhandeln wolle. Letztere war bereits einmal mit bis zu 25 Prozent an ITA-Vorgänger Alitalia beteiligt, hatte sich aber 2013 wieder zurückgezogen. »Certares« bot laut italienischen Medienberichten für 55 Prozent der Airline 600 Millionen Euro. Außerdem hätte man Italien zwei von fünf Vorstandsposten gelassen. Die Verhandlungen mit Lufthansa, die ITA gemeinsam mit dem Schweizer Reedereikonzern MSC übernehmen wollte, scheiterten. Die Regierung in Rom – damals noch unter Ministerpräsident Mario Draghi – hatte im Februar 2022 einen Erlass formuliert, laut dem die letztliche ITA-Kontrolle beim Staat verbleiben müsse. Lufthansa aber soll auf einer 80-prozentigen Beteiligung bestanden haben. Als das schiefging, sprang MSC ab.
Nun sieht plötzlich alles wieder ganz anders aus. Die deutsche Fluggesellschaft bekräftigte unerwartet ihr Interesse an einem alleinigen Einstieg bei den Italienern. Air France-KLM dagegen erklärte, sich nicht mehr um eine Beteiligung zu bemühen. Hintergrund dieser Entwicklung: Die neue Rechts-außen-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eröffnete Anfang Januar unerwartet eine neue Verhandlungsrunde. Dabei scheint sie »die Deutschen« als Käufer bevorzugen zu wollen. Lufthansa habe, so hieß es in der vergangenen Woche in Rom, »dem italienischen Ministerium für Wirtschaft und Finanzen eine Absichtserklärung vorgelegt«. Werde diese von beiden Seiten unterschrieben, könnten »weitere Verhandlungen und Diskussionen auf exklusiver Basis geführt werden«. Zunächst, so sagen Fachleute, gehe es um eine Minderheitsbeteiligung, die jedoch künftig in eine vollständige Kontrolle über das italienische Unternehmen münden könnte.
Der deutsche Konzern verweist seinerseits vor allem darauf, dass sich aus der »wirtschaftlichen und operativen Integration der ITA in die Lufthansa Group« neue Synergien ergeben können. Nach eigenem Bekunden ist Italien für den deutschen Luftfahrt-Konzern der »wichtigste Markt außerhalb der Heimatmärkte und den USA«. Der Wunsch, ITA Airways in die Unternehmen der Gruppe zu integrieren, liege »im starken Welthandel des Landes – durch Geschäfts- und Privatreisen –, außerdem in seiner starken exportorientierten Wirtschaft und in seiner Eigenschaft als eines der attraktivsten Reiseziele in Europa«. Angeblich sieht das Lufthansa-Angebot eine Anzahlung von rund 350 Millionen Euro für 40 Prozent des Unternehmens vor. Weitere Details sind nicht bekannt.
Die italienische Fluggesellschaft scheint unterdessen ihren stetigen wirtschaftlichen Sinkflug beendet zu haben. Zum ersten Mal in den vergangenen zwanzig Jahren übersteigen die Einnahmen die Kosten, gab der CEO von ITA, Fabio Lazzerini, unlängst bekannt und stellte den Einsatz neuer leistungsstarker Flugzeuge in Aussicht. Auch andere Zahlen sprechen dafür, dass sich Italiens Luftverkehr von den Corona-Einschränkungen schneller erholt als der in anderen europäischen Ländern. 2022 erreichte der Luftverkehr in Italien – nach Anzahl der Flüge – 88 Prozent der Vor-Corona-Leistung. Einzig Spanien übertrumpft das mit 91 Prozent.
Laut einer Analyse von Eurocontrol verzeichnete der europäische Luftverkehr im Jahr 2022 rund 9,3 Millionen Flüge. Das entspricht 83 Prozent des Niveaus von 2019. Der Frachtverkehr liegt bereits bei 106 Prozent, bei Geschäftsreisen errechnete man 116 Prozent. 2023, so sagt die Analyse, könne der europäische Luftverkehr 92 Prozent des Vor-Covid-Standes erreichen. Eine Rückkehr auf das Niveau vor der Pandemie erwartet Eurocontrol für 2025. Das wäre ein Jahr später als noch im vergangenen Juni geschätzt. Die erneute, etwas pessimistischere Aussage gründe sich auf das allgemein schwächere Wirtschaftswachstum, den Inflationsdruck und den Krieg in der Ukraine.
Zu Beginn der Coronakrise hatte Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr noch prognostiziert, dass sich die Airline strukturell erheblich verändern werde. So schlimm kam es dann doch nicht – auch weil der deutsche Staat Milliardenbürgschaften bereitstellte. Die Airline betreibt aktuell rund 290 Maschinen. Im vergangenen Sommer war die Nachfrage nach Lufthansa-Flugreisen sprunghaft gestiegen. Personalmangel führte dazu, dass man im Sommer Hunderte Kurz- und Mittelstreckenflüge absagen musste. Mitte Dezember hob Lufthansa – zum dritten Mal – die Gewinnprognose für das abgelaufene Jahr deutlich an. Nun soll das sogenannte bereinigte Ergebnis bei 1,5 Milliarden Euro liegen.
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