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Wenn Fliegen plötzlich nachhaltig wird

Die EU-Kommission will Konzernen das Greenwashing schwerer machen

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieses Werbeversprechen klingt einfach zu schön: »Lufthansa Group bietet als erster internationaler Luftfahrtkonzern einen Tarif für CO2-neutrales Fliegen«. Mit dieser Behauptung handelte sich der Frankfurter Konzern eine Nominierung für die »dreisteste Umweltlüge des Jahres 2022« ein. Denn die Lufthansa will die Emissionen durch CO2-Kompensationsprojekte sowie »nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF)« auf null senken.

Die Deutsche Umwelthilfe, die den Lufthansa-Konzern daraufhin für ihren Negativ-Preis »Goldener Geier« nominierte, kritisiert dieses Versprechen. »Unabhängig von unserer Kritik an vielen solcher Kompensationsprojekte stehen wirklich grüne Kraftstoffe, die die umweltschädliche Wirkung des Fliegens begrenzen könnten, weder heute noch in absehbarer Zukunft in auch nur annähernd genügenden Mengen zur Verfügung«, erklärte die Umweltorganisation.

Ob nachhaltiges Fliegen, umweltfreundliche Plastetüten oder klimaneutrales Tanken: Das Greenwashing von Produkten hat System, wie die Zahlen der EU-Kommission belegen. Demnach sind 40 Prozent der Aussagen über die Umweltfreundlichkeit von Produkten »unbegründet«, heißt es in einem Entwurf der Kommission, den die Plattform »Euractiv« nun leakte. Brüssel will deshalb schärfer gegen Greenwashing vorgehen und erarbeitet derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf, der im März veröffentlicht werden soll. »Unternehmen, die grüne Behauptungen aufstellen, sollten diese anhand einer Standardmethode zur Bewertung ihrer Auswirkungen auf die Umwelt belegen«, heißt es in dem Entwurf. Bürger könnten künftig Beschwerde einlegen, wenn gegen die Regeln verstoßen wird. Zudem soll der ganze Lebenszyklus der Produkte berücksichtigt werden – also etwa auch Emissionen bei der Produktion.

Um das sicherzustellen, sollen die EU-Mitgliedstaaten »ein System zur Überprüfung für umweltbezogene Behauptungen einrichten«. Die Länder sollen auch dafür sorgen, dass die Regeln durchgesetzt werden und »Sanktionen« einführen, die »wirksam, verhältnismäßig und abschreckend« sein sollten. Der Gesetzentwurf ist Teil des 2019 verabschiedeten Europäischen Green Deals. Die Abgeordneten selbst hatten bereits im November 2020 den angekündigten Legislativvorschlag begrüßt und »die Entwicklung klarer Leitlinien« gefordert. Erklärtes Ziel ist es laut EU-Parlament, »das Risiko falscher grüner Behauptungen zu verringern«. Das Parlament hatte zudem die Idee eines »europäischen Registers« ins Spiel gebracht, »in dem zugelassene und verbotene umweltbezogene Angaben« festgeschrieben werden sollten. Das Parlament muss dem Entwurf zustimmen, ebenso wie die Mitgliedstaaten im Rat.

Wobei noch nicht ganz klar ist, ob der Entwurf in dem nun geleakten Wortlaut veröffentlicht wird. Denn hinter den Kulissen tobt offenbar ein heftiger Streit. Schließlich könnte es für Konzerne zukünftig schwerer werden, ihre Produkte mithilfe von dreisten Werbelügen zu verkaufen. Insofern ist es kein Wunder, dass die Veröffentlichung des Entwurfs mehrfach verschoben werden musste. In der Brüsseler Journalist*innenblase wird vermutet, dass eine Person in der Kommission den Wortlaut des jetzigen Entwurfs retten will, indem sie ihn jetzt der Presse zuspielte. So würde bei der offiziellen Präsentation im März schnell ersichtlich, welche Passagen man auf Druck der Lobbyistinnen in letzter Minute noch verändert hat.

Besonders umstritten ist die Methode, mit der gemessen wird, ob ein Produkt wirklich so nachhaltig ist, wie behauptet. Die Kommission setzt hier auf den Product Environmental Footprint (PEF), also den ökologischen Fußabdruck. Er berücksichtigt 16 verschiedene Kategorien, also etwa Klimawandel, Ozonabbau, Feinstaub oder Wassernutzung. Die Methode hat aber viele blinde Flecken und ignoriert Faktoren wie Recyclingfähigkeit, Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit oder die Freisetzung von Mikroplastik, kritisiert ECOS, ein Zusammenschluss von NGOs aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich, wie Right to Repair oder Rethink Plastic. »Viele dieser Aspekte werden immer wieder in der Kommunikation der Hersteller verwendet – und werden, sollte das PEF-Szenario Wirklichkeit werden, unreguliert bleiben«, fürchten die Umweltschützer.

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