- Politik
- Klimawandel in Guatemala
Wenn der Arabica nicht mehr gedeiht
Die Temperaturen steigen in Guatemala, auch Unwetter nehmen zu. Landwirte bauen deshalb immer weniger Kaffee an.
Abel Donis Solares ist zuversichtlich, wenn er auf die Kaffeekirschen schaut, die an den Sträuchern seiner Finca hängen. Sie sind prall und verfärben sich langsam ins Rot-Orangene. Die Äste biegen sich bereits unter der Last der Früchte, die alle paar Tage geerntet werden. »Die Aussichten sind gut, aber nur ein paar Tage Regen während der Ernte, und die Früchte platzen, fallen vom Ast«, erzählt der 64-Jährige. All das hat er schon erlebt. Deshalb ist er vorsichtig mit Prognosen, denn das Wetter in Mittelamerika ist unberechenbar.
»Hier gibt es Kaffeebauern, die auf Avocado oder Limonen umgestiegen sind. Andere haben ganz aufgegeben und sind in die USA ausgewandert. Für mich ist das aber nichts: Ich will hierbleiben und vom Kaffee leben«, bekräftigt Donis. Er hat sich entschieden, noch einmal neu anzufangen. Nach den Krisenjahren zwischen 2011 und 2016, als der Kaffeerost La Roya, ein Blattpilz, den Anbau der aromatischen Bohne landesweit einbrechen ließ, war das eine Herausforderung. Tausende neue Kaffeesträucher hat er zusammen mit seinem Bruder Carmelo gepflanzt, die Plantage von 5,4 Hektar nahezu komplett erneuert. »Marsellesa, Catimor und Costa Rica heißen die drei Arabica-Varianten, die wir gepflanzt haben. Traditionelle Sorten wie Catuai, Pache, Tipíca sind nur noch vereinzelt zu finden«, sagt Donis, ein kräftiger, schlanker Mann mit fast weißem Drei-Tage-Bart, während er sich den Panamahut zurechtrückt. Der schützt ihn vor der gleißenden Sonne, die hoch am Himmel steht und die auch die Kaffeepflanzen nicht mögen.
Hundert Prozent Arabica steht fast immer auf den teureren Kaffeepackungen im Supermarkt. Soll heißen, dass diese Bohnensorte ein Qualitätsmerkmal ist. Die Sorte Robusta dagegen gilt gemeinhin als minderwertiger. Das sei ein Stigma, meint Andreas Felsen von Quijote Kaffee, das sich in den letzten Jahren schon abgeschwächt habe.
Die Hamburger Rösterei, die ihren Rohkaffee direkt von befreundeten und innovativen Genossenschaften bezieht, importiert rund 25 bis 30 Prozent der Bohnen aus dem Robusta-Anbau. »Tendenz steigend«, so Felsen. »Wir suchen händeringend nach qualitativ hochwertigem Robusta, und gerade hat mein Kollege Gerrit Höllmann vierzig Säcke in Guatemala bestellt«, so Felsen. Eine kleine Kooperative ehemaliger Guerilla-Kämpfer*innen wird in ein paar Wochen liefern. Ob das ein Stück weit Normalität wird auf dem Kaffeemarkt, ist noch nicht abzusehen. Bisher ist die deutlich koffeinhaltigere Robusta-Bohne in Mittel- und Südamerika kaum vertreten. Einzig auf den großen Plantagen der Kaffee-Weltmacht Brasilien gedeihen die deutlich größeren und höheren Pflanzen der Coffea-Canephora-Sorte. Botanisch verwandt mit der anspruchsvolleren Coffea-Arabica-Pflanze, auf die rund sechzig Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion entfallen. Das dürfte sich aber aufgrund des Klimawandels und der Anfälligkeit für Schädlinge bald ändern, schätzen Experten. Ihr Anteil wird wohl schrumpfen.
Genau deshalb geht der Blick von Röstereien in die klassischen Robusta-Herkunftsländer wie Indonesien, Vietnam oder Indien, wo mehr und mehr nach Qualität gesucht wird. Robusta, jahrelang als Billigbohne verschrien, bei deren Verarbeitung beispielsweise wenig bis gar nicht auf eine sorgfältige Trocknung geachtet wurde, wird stärker in den Vordergrund treten. Ob daraus auch eine Ausweitung des Robusta-Anbaus in Regionen wie Mittel- und Südamerika resultiert, ist noch nicht absehbar. Vielfältige Experimente laufen derzeit. Dabei setzt man auch im Arabica-Anbau auch auf neue Sorten – gekreuzt mit Robusta. Ziel ist es, die Arabica-Sorte widerstandsfähiger zu machen.
»Früher hatten wir ein mildes Klima. Da haben wir den Kaffee angepflanzt und konnten ihn nahezu sich selbst überlassen. Heute ist das undenkbar«, erläutert Donis, der seit mehr als vierzig Jahren Kaffeekirschen anbaut, die veränderten Bedingungen. Heute muss er für mehr Schatten sorgen, pflanzt Edelhölzer, Obstbäume, aber auch Bananen zwischen die Kaffeesträucher. So wie alle Bauern in der rund 1250 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Region Santa Rosa de Lima, die rund zwei Fahrstunden von der Hauptstadt Guatemala-Stadt entfernt ist. Hier hat die Kaffeekooperative Nuevo Sendero (Neuer Weg) ihren Sitz. Die Brüder Abel und Carmelo Donis sind zwei von 303 Kaffeebauern, die zum Genossenschaftsdachverband Fedecocagua gehören. »Die Anbaustruktur hat sich nicht nur hier, sondern in allen acht Kaffee-Regionen Guatemalas verändert. Und auch in den Nachbarländern«, so Gerardo de León. Der 60-jährige Fedecocagua-Geschäftsführer ist gemeinsam mit Kaffeetechniker Jesús Alvarado in der Region von Santa Rosa de Lima unterwegs, um einen Eindruck zu bekommen, mit welchen Erntemengen er kalkulieren kann.
Die Lage hat sich zugespitzt, erklärt er. »Zum einen macht allen Kaffeeproduzenten in Mittelamerika der Klimawandel mit all seinen Facetten zu schaffen. Zum anderen klafft eine Lücke zwischen dem Börsenpreis von derzeit 1,51 US-Dollar pro Pfund Arabica-Bohnen und den Produktionskosten hier vor Ort.« Die summieren sich wegen der mittlerweile aufs Dreifache gestiegenen Preise für Düngemittel, der höheren Container-Preise und der Arbeitskosten inzwischen auf 1,80 US-Dollar pro Pfund, so die Fedecocagua-Statistiken. »De facto zahlen die Kaffeebauern derzeit drauf«, erklärt de León. »Genau deshalb versuchen wir seit Jahren, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen.«
Früchte, die neben der Kaffeekirsche auf den Plantagen geerntet werden, der Anbau von Edelhölzern, die als Schattenspender fungieren und nach zwanzig bis dreißig Jahren gefällt werden, oder Bienen, die Honig en Gros produzieren, sind drei gängige Modelle, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Die sind für die Kaffeebauern überlebenswichtig, denn ihre Perspektiven sind schon länger alles andere als rosig. Das bestätigt auch Abel Donis, der verschuldet ist und dem die Wetterkapriolen immer größere Sorgen bereiten. Anfang Oktober zog der Hurrikan Julia über Mittelamerika hinweg. Mitte Oktober folgte Starkregen in der Kaffee-Region Huehuetenango, ganz im Norden des Landes. Abel Donis, sein Bruder Carmelo und die Bauern aus der Region von Santa Rosa de Lima haben schlicht Glück gehabt, dass es sie nicht erwischt hat.
Begraben haben sie wegen des Preisverfalls an der Börse auch die Hoffnung, bereits in diesem Jahr Schulden abbauen zu können und mit ihrem Kaffee Gewinn zu machen. »Wir müssen zufrieden sein, wenn wir mit einer schwarzen Null durch die Ernte kommen«, erklären die Brüder Donis bescheiden, weil sie genau wissen, dass der Temperaturanstieg weitere Einbußen nach sich ziehen wird. In der guatemaltekischen Regenzeit zwischen Mai und November ist die Durchschnittstemperatur von 16 auf 20 Grad gestiegen, was sich negativ auf die Erträge niederschlägt. Der Kaffeeexport ist in den letzten zehn Jahren in Guatemala von 4,2 Millionen auf derzeit 3,6 bis 3,8 Millionen Sack Kaffee á 60 Kilogramm zurückgegangen. Tendenz: weiter fallend.
In einigen Regionen, wo Arabica-Qualitätskaffee traditionell angebaut wurde, wie an der Costa Sur mit der Drehscheibe Esquintla, geht der Kaffeeanbau seit Jahren zurück. »Dem Arabica ist es dort zu heiß«, erklärt Gerardo de León. Deshalb experimentiert Fedecocagua seit rund drei Jahren mit Robusta-Setzlingen. »Die ersten Rückmeldungen der Bauern sind bisher wenig positiv. Wir warten noch die Erträge in diesem und dem nächsten Jahr ab. Aber wir sind nicht allzu optimistisch«, sagt de León. Das Problem in allen drei Regionen, wo die Robusta-Setzlinge angepflanzt werden: Niederschläge über 1500 Millimeter und Höhenlagen über 900 Meter mögen die Pflanzen nicht. Da bringen sie eben nicht das, wofür die Robusta-Sorte aus Brasilien und Vietnam bekannt ist: hohe Erträge, mehr Kaffeekirschen an den großen Büschen, die einfacher zu ernten sind, und die weitgehende Resistenz gegen Schädlinge wie den Kaffeerost oder den Kaffeepilz »Ojo de Gallo« (Hahnenauge), der in Mittelamerika recht verbreitet ist.
Der Klimawandel und der Schädlingsbefall sorgen dafür, dass immer mehr Kaffeebauern nach Alternativen für ihre Anbauflächen zwischen 900 und 1300 Metern über dem Meeresspiegel suchen. Das gibt auch Gerardo de León zu, der auf die Beispiele aus der Region von Esquintla verweist, wo der Kaffeeanbau häufig durch den Zuckerrohranbau abgelöst wurde. »Das droht uns auch in andern Regionen, wenn man den Einschätzungen der Klimaforscher folgt«, so de León. Die prognostizieren für Guatemala den Verlust von fünfzig bis achtzig Prozent der Anbauflächen bis 2050.
Neue, resistentere Arabica-Sorten, aber auch das Experimentieren mit der Robusta-Variante, die oft als minderwertige Alternative zu Arabica angesehen wird, gelten als mögliche Auswege aus der Kaffee-Krise. Danach wird auch in den Nachbarländern Honduras, Nicaragua oder Costa Rica gesucht, wo Kaffee zu den traditionellen Exportprodukten zählt. Mit umfassenden Lösungen rechnet Gerardo de Leòn in den kommenden fünf bis zehn Jahren aber nicht. Er weiß von einigen wenigen Beispielen, wo Betriebe mit dem Robusta-Anbau zwar Erfolg hatten. Doch das Problem sei, dass Robusta anders als in Brasilien oder Vietnam nicht auf großen, flachen Feldern stehe und maschinell geerntet werden könne. »Niemand wird uns die hohen Preise zahlen, die wir für unseren Robusta nehmen müssen, weil die Konkurrenz in Brasilien und Vietnam schlicht günstiger sei.«
Das ist ein Grund, weshalb er sorgenvoll in die Zukunft blickt. Ein anderer ist die durchwachsene Ernte auch in diesem Jahr. Mit 25 bis 30 Prozent weniger Umsatz aus dem Kaffeeverkauf kalkuliert de León aktuell. Um rund 20 Prozent wird die Erntemenge wohl sinken. Zudem kommt der niedrige Weltmarktpreis. Für die Kooperativen-Bauern wie die Brüder Donis sind das miese Aussichten.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.