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Partnerin der Wirtschaft
Lasse Thiele über die Rolle der Grünen als Klimapartei
Lützerath ist nicht mehr. Der Widerstand aus der Klimabewegung gegen die Zerstörung des Dorfes an der Tagebaukante wurde auf den letzten Metern unerwartet groß. Die Polizei schlug zu, die Bilder der Schlammschlacht gingen um die Welt.
Pikant bleibt die Rolle der Grünen: Sie ließen sich von den Koalitionspartnern in Bund und Land vorschicken, um als Sachzwangverwalterin alle Verantwortung auf sich zu nehmen. Als die hyperstaatstragende Partei, als die sie sich beweisen wollen, nahmen sie den Auftrag an. Dabei war es die Große Koalition, die 2020 das Kohleausstiegsgesetz parallel in privatrechtliche Verträge mit den Kohlekonzernen einbetonierte: An den Konzernen vorbei kann das Gesetz nicht geändert werden, ohne dass Milliardenklagen drohen. Da die Grünen unbedingt regieren wollten, ließen sie sich in den Koalitionen in Bund und NRW auf diesen abgesteckten Rahmen ein.
Klimaminister Robert Habeck sagte, Lützerath sei das »falsche Symbol«. Das eigentlich falsche Symbol jedoch ist das der Grünen: ihr Wahlversprechen »Kohleausstieg 2030«. Fürs Klima ist nicht das Jahr relevant, sondern die Menge an verbrannter Kohle. Die liegt unter Lützerath. Doch um das Versprechen formal einzulösen, schnürte man ein für RWE hübsches, dafür klimapolitisch mehr als dubioses Paket: In den nächsten Jahren darf zusätzliche Kohle zu Rekordpreisen verstromt werden. Dafür soll 2030 Schluss sein. Dabei mussten mit Blick auf den EU-Emissionshandel alle Beteiligten vermuten, dass das Kohlegeschäft dann eh am Ende gewesen wäre.
Hätten die Grünen Lützerath und die Kohle darunter retten können? Die Ausgangslage war ungünstig. Dennoch könnte eine Regierungspartei mit einem Konzern mit vielfältigen Geschäftsinteressen hart verhandeln. Doch die Grünen dienten sich brav als verlässliche Partnerin »der Wirtschaft« an – und kommunizierten den Deal, in dem sie auch Lützerath verhökerten, noch als klimapolitischen Durchbruch.
So zieht die Partei den Zorn der Klimabewegung auf sich – vielleicht heftiger als je zuvor. Dabei haben sich einige der Parteivertreter*innen, die sich bei den Protesten in Lützerath medienwirksam präsentierten, seit Jahren glaubhaft für den Erhalt aller Dörfer eingesetzt. Sie haben den Deal nicht zu verantworten. Doch ihre Rolle bleibt zwiespältig: Der Parteiführung könnte die sanfte interne Opposition der Aufrechten im Sinne der klimapolitischen Imagerettung sogar nützen. Dass diese verstreuten Kräfte in einer Partei der pragmatischen Einheit, die sich längst vom alten Flügelproporz verabschiedet hat, irgendwann den Ton angeben könnten, scheint unwahrscheinlich. Und jeglichen Bruch, intern oder in Koalitionen, vermeiden alle Grünen tunlichst – was die Bewegungsnäheren zu der Wortakrobatik führt, die Aktivist*innen rasend macht: Wir sind gegen die Räumung, aber auch für den Rechtsstaat, halten die Entscheidung für falsch, aber haben nichts falsch gemacht et cetera.
Letztlich sind die Grünen weder Hauptgegner der Klimabewegung, noch deren tragisch-unschuldige Verbündete. Sie sind eine bürgerliche Partei, die den Dynamiken des Geschäfts folgt. Und so reicht der Bewegungsdruck derzeit nicht, um das Machtkalkül der Partei zum Rebellischen zu drehen. Mangels parlamentarischer Alternativen drohen kaum Stimmverluste für inkonsequente Klimapolitik. So orientiert man sich am realpolitisch bequem Machbaren statt am klimapolitisch Notwendigen.
Das hegemoniepolitische Problem des fehlenden Rückhalts für radikalen Klimaschutz teilen Partei und Bewegung. Für Letztere ist die wahltaktisch logische Anpassung der Grünen aber keine Option – damit gäbe sie neben ihrem Klimagerechtigkeitsanspruch auch sich selbst als Bewegung auf. Die Frage ist, ob die Bewegung der Partei irgendwann derart aufs Dach steigen kann, dass sich schlechte Deals nicht mehr lohnen. Denn mit dem grünen Anspruch der harmonischen Geräuschlosigkeit wird die Klimakrise nicht aufzuhalten sein.
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