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Aufstand der Tagelöhner
Um das Bildungswesen in Ungarn zu reformieren, müssen die Lehrer ihr Pflichtbewusstsein und ihre Arbeit niederlegen, meint László Mérö.
Lehrerstreiks sind in Ungarn zurzeit an der Tagesordnung, und als dies gesetzlich verboten wurde, folgte der zivile Ungehorsam. Die Regierung entließ die Wortführer. Daraufhin schlossen sich Studenten den Forderungen nach besserer Bezahlung, nach mehr Lehrkräften, nach einer Reform des Bildungswesens an. Sie bildeten kilometerlange Ketten in Budapest und anderen Städten. Die Orbán-Regierung reagierte zynisch: Irgendwann werden sie damit aufhören.
Mit einem imaginären Spiel versuchte ich herauszufinden, wie die Pädagogen das Etikett »Tagelöhner der Nation« loswerden könnten. Im Herbst 2022 hatte ich einen Vortrag vor Mathelehrern gehalten. Dabei stellte ich folgende Frage: Stellen Sie sich vor, Sie könnten anhand Ihrer Fähigkeiten im Badminton Weltmeister werden oder sich als Nummer 11 auf der Weltrangliste im Tennis platzieren. Der Weltmeister im Badminton verdient im Jahr inklusive Werbung rund 700 000 Euro, während die Nummer 11 der Weltrangliste im Tennis um die 20 Millionen erhält. Was würden Sie wählen?
Ich habe dazu Psychologiestudenten befragt, Ingenieur- und Wirtschaftsstudenten, Studierende an Sporthochschulen, Jungunternehmer. Überall waren die Antworten ziemlich geteilt, maximal ein Drittel gegen zwei Drittel; mal in die eine, mal in die andere Richtung. Bei den Mathematiklehrern allerdings stimmten 160 der rund 200 Befragten für Badminton. Ich bin mir sicher, dass die Quote bei Lehrern anderer Fächer ähnlich wäre. Ich vermutete, dass sie vielleicht genau wegen dieser Haltung noch immer unterrichten – trotz der Behandlung durch den Staat.
Die Frage ist, was man tun kann, wenn eine Regierung die »Tagelöhner der Nation« so behandelt, wie es schon immer in Ungarn Brauch war: die Aufmüpfigsten rauszuschmeißen und den Rest auf unbestimmte Zeit hinzuhalten. Heute heißt es: »Sie werden Geld bekommen, wenn aus Brüssel Geld kommt.« Kein Wort von einer Regelung der Freizeit, höchstens ein bisschen Geld, das eigentlich fremdes Geld ist.
Ich sehe keine Chance, mit der Regierung Orbán zu einem fairen Deal zu kommen. Demonstrationen, Streiks, ziviler Ungehorsam sind mir sehr sympathisch, aber der Zynismus der Machthaber wird sich am Ende leider durchsetzen. Die Lehrer werden das Land nicht in Schutt und Asche legen – so sind sie einfach nicht. Solch dreckige Arbeit soll jemand anders erledigen. Ich weiß nicht, wie Soldaten sich entscheiden würden, aber in dieser Hinsicht sind sie den Lehrern sehr ähnlich. Beide Berufe erfordern eine strenge Selbstdisziplin.
Wenn ich ein Lehrer in den 40ern wäre und es liebte, zu unterrichten, wenn das der Sinn meines Lebens wäre, dann könnte ich jetzt nichts anderes tun, als das Feld zu räumen. Ich würde hoffen, dass es nur für ein Jahr wäre, aber keinesfalls kürzer. Eine andere Möglichkeit würde ich nicht sehen, meine Berufung irgendwann wieder unter normalen Bedingungen auszuüben. Auch wenn ich mich aufrichtig für Badminton entscheide – jetzt würde ich ein Jahr Tennis spielen.
Ein Jahr an der Kasse eines Supermarkts oder als Pizzabote könnte ich aushalten. Als Angestellter wäre ich nämlich intelligent und diszipliniert genug, um sofort einen Job zu finden, zumal mir bewusst wäre, warum ich es tue. Wenn sich Zehntausende Pädagogen so verhielten, wäre der ungarische Staat in einem Jahr gezwungen, sie unter anständigen Bedingungen wieder einzustellen, denn dann wäre es jedem klar, dass es ohne sie nicht geht.
Solange der Unterricht durch Pflichtbewusstsein und Professionalität der Lehrer unter den heutigen Bedingungen aufrechterhalten wird, kann im Schulsystem keine Besserung eintreten. Vor dem Regimewechsel vor über 30 Jahren war ein Jahr Wehrdienst der Preis, um studieren zu können. In der heutigen Situation ist ein Ausscheiden der Lehrer für ein Jahr der Preis dafür, irgendwann wieder normal unterrichten zu können.
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