Risse im Beton

Das Bündnis »Klimastadt Berlin 2030« will bei Stadtentwicklungsprojekten mitreden

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Dachbegrünung kann mehr sein als ein Feigenblatt: Letztlich geht es auch um die Kapazitäten der Stadt, Regenwasser aufnehmen zu können.
Dachbegrünung kann mehr sein als ein Feigenblatt: Letztlich geht es auch um die Kapazitäten der Stadt, Regenwasser aufnehmen zu können.

»Heute ist es in der Senatskommission Wohnungsbau gelungen, den Knoten für eines der aktuell größten Wohnungsbauvorhaben Berlins am Pankower Tor zu durchschlagen«, freut sich die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag. Man habe »eine Lösung für die Artenschutzproblematik« gefunden, berichtet sie. Umweltschützer wehren sich seit Langem gegen das Projekt, weil sie seltene Arten wie die Kreuzkröte oder Zauneidechse bedroht sehen. Das Pankower Tor ist damit beispielhaft für die Konflikte, die in Berlin ausgetragen werden, wenn es um große Bauvorhaben geht.

Nicht nur der Artenschutz wird immer wieder zum Problem. Wer wie am Pankower Tor neue Flächen versiegeln will, muss andere entsiegeln. Ausgleichsflächen für die Versiegelung zu finden, gestaltet sich aber zunehmend schwierig. Zwar wolle man beim Pankower Tor erst prüfen, welche Flächen das Land und die Bezirke bereitstellen können. Das allein wird aber nicht als Ausgleich für die im Bebauungsplan für das Pankower Tor vorgesehene Versiegelung reichen, heißt es am Dienstag von der Senatsbauverwaltung. Man wolle deshalb Maßnahmen außerhalb Berlins prüfen. Doch auch beispielsweise in Brandenburg werden solche Flächen rar.

Der Möbelhausmilliardär Kurt Krieger hatte das Gelände gekauft. Neben Wohnungen will er hier auch Büros bauen – und natürlich ein Möbelhaus. Es wirkt etwas bizarr, denn nur wenige Stunden vor dem Bericht aus der Senatskommission wird Elisabeth Broermann von den Architects for Future am Dienstagmorgen deutlich: »Wir können nicht so weiterbauen wie bisher, als gäbe es kein Morgen«, sagt sie bei der Vorstellung des Bündnisses Klimastadt Berlin 2030 – ein Zusammenschluss von Architekten, Verbänden und Initiativen, die von einer nach der Wiederholungswahl zu bildenden Landesregierung ein Umdenken in der Stadtentwicklung fordern.

Statt neue Flächen zu versiegeln, müsse der Fokus auf den Umbau gelegt werden, lautet eine ihrer Forderungen. Unter anderem von einer nötigen »Bauwende« ist die Rede. Mit der ähnlich klingenden Initiative Klimaneustart Berlin, die einen Volksentscheid für den 26. März herbeigeführt hat, nachdem das Land bis 2030 klimaneutral werden soll, ist das Bündnis indes nicht zu verwechseln. Man wolle zwar mit der Initiative in Austausch treten, sagt Theresa Keilhacker, Präsidentin der Berliner Architektenkammer. Sie sagt aber auch: »Mit dem Tempo, in dem Berlin voranschreitet, werden wir das Ziel 2030 nicht erreichen.«

Hervorgegangen ist das Bündnis aus der Anfang vergangenen Jahres im Zuge der Neubesetzung des Postens der Senatsbaudirektorin gegründeten Berlin-Plattform. Dass man mit der Besetzung der Stelle mit der mittlerweile wegen ihres skandalösen Agierens am Molkenmarkt umstrittenen Architektin Petra Kahlfeldt, vorsichtig formuliert, nicht gerade zufrieden ist, ist kein Geheimnis. Historisierende exklusive Neubauten könne man sich nicht mehr leisten, verdeutlicht Broermann. »Wir brauchen eine Senatsumbaudirektorin«, lautet ihre Forderung. Denn statt immer neue grüne Innenhöfe und Äcker am Rande Berlins zu bebauen, müssten die »Wohnraumreserven«, beispielsweise Leerstand oder unausgebaute Dachgeschosse, aktiviert werden.

Wenn dann aber doch neu gebaut werde, solle der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes in den Blick genommen werden – also sowohl die Emissionen, die bei der Herstellung von Baumaterialien anfallen, als auch jene im »Betrieb«. Bauvorhaben müssten dann mit Blick auf diesen Zyklus Klimaneutralität erreichen.

Es könnten sehr unterschiedliche Gebäude entstehen, wenn man klimagerechte Kriterien verfolgt, sagt der Architekt Philipp Oswalt. So haben sich im Bündnis Klimastadt auch Vertreter verschiedener Architektursprachen zusammengeschlossen. Das sei letztlich auch wichtig, weil die Baukultur gegenwärtig »unterirdisch« sei, wie Oswalt sagt. Die historischen Vorbilder für das eigene Einmischen sind groß. »Die Architektur der Moderne wäre gar nicht möglich gewesen in den 1920er Jahren ohne soziale Bewegungen wie beispielsweise Genossenschaften«, sagt Oswalt.

Um zivilgesellschaftliche Partizipation sei es aber gegenwärtig nicht gut bestellt, heißt es von den Bündnisvertretern am Dienstag. Das zeige sich nicht zuletzt beim Thema Nachverdichtung. Auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen machten es sich einfach und bauten vor allem in Innenhöfe bestehender Quartiere – oftmals gegen den Willen von Anwohnern und teils auch der Bezirke. »Wir sind keine Totalverweigerer«, sagt Axel Matthies von einem Zusammenschluss von Bürgerinitiativen, die sich gegen Nachverdichtungen engagieren. Doch die Landeseigenen würden teilweise nicht einmal mit Anwohnern sprechen, wenn kleine Oasen in den Hinterhöfen zugunsten einer maximalen Bebauung weichen sollen.

Wenn dann Partizipationsverfahren laufen, würden teils gleichzeitig schon Fakten geschaffen. Statt grüne Innenhöfe müsse man vorrangig bereits versiegelte Flächen für den Wohnungsneubau in den Blick nehmen. Doch beispielsweise beim Wohnungsneubau auf früheren Parkplätzen sei trotz der Potenziale in Berlin bisher so gut wie nichts passiert.

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