Ein Land liegt am Boden

Zwei Jahre nach dem Militärputsch steckt Myanmar im Bürgerkrieg

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit dem Militärputsch in Myanmar vor zwei Jahren kommt es immer wieder zu Protesten der Bevölkerung wie hier in der Hauptstadt Yangon.
Seit dem Militärputsch in Myanmar vor zwei Jahren kommt es immer wieder zu Protesten der Bevölkerung wie hier in der Hauptstadt Yangon.

Yan Naing Htun könnte heulen, wenn er an sein Heimatland denkt, aber irgendwie muss er immer wieder lachen: »Das Militär sucht mich. Ist das nicht großartig?« Denn erstens, so der 52-Jährige, würden die Generäle ihn sowieso nicht kriegen. Und zweitens wisse er seit jenem Tag im März 2021, als das Militär im Fernsehen sein Foto zeigte und ihn als Staatsfeind bezeichnete, dass die Aktivitäten erfolgreich seien. »Wir machen weiter. Wir werden nicht aufhören.«

Wenn man mit Yan Naing Htun ins Gespräch kommt, fällt es zuerst schwer zu glauben, dass dieser Mensch jemandem Schaden zufügen könnte. Er ist weder bedrohlich groß noch muskulös, sein das ganze Gesicht ausfüllendes Lächeln verliert er auch dann nicht, wenn es um dunkle Themen geht. Andererseits ist offensichtlich, dass das burmesische Militär nicht gerade gut auf Yan Naing Htun zu sprechen ist: Er ist schließlich einer der wichtigsten Drahtzieher hinter dem längst bewaffneten Widerstand, der im südostasiatischen Land für Demokratie kämpft.

Seit sich vor zwei Jahren in Myanmar das Militär an die Macht putschte, herrscht im 54-Millionen-Land Bürgerkrieg. Auf zunächst friedliche Demonstrationen in Großstädten reagierten die Generäle mit Panzern und Maschinengewehren. An die 3000 Menschen sind bisher gestorben, rund 14 000 Personen stecken hinter Gittern. Unterdessen hat die im November 2020 noch mit großer Mehrheit gewählte Nationale Liga für Demokratie (NLD) um die festgenommene Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi eine Schattenregierung gebildet, die wie das Militär den Machtanspruch erhebt.

Der in Südkorea lebende Yan Naing Htun ist so etwas wie der Botschafter der Demokratiebewegung. »Von diesem Büro aus organisieren wir alles, was wir können, damit unsere Leute daheim den Krieg gewinnen und die Demokratie zurückbringen«, sagt er an einem Abend im zweiten Stock eines einfachen Gebäudes in Incheon, einer Stadt im Rande von Seoul. In einer kleinen Wohnung prangt an der Wand über einem Sofa das Schild: »Repräsentanz der Nationalen Einheitsregierung von Myanmar«. Yan Naing Htun nickt: »Wir, nicht die vom Militär, vertreten das wahre Myanmar.«

Aus offizieller Perspektive liegt der Mann, der vor gut 30 Jahren als politischer Flüchtling nach Südkorea kam und seither vor allem in Fabriken gearbeitet hat, eindeutig falsch. Diese Quasibotschaft der Demokraten wird von südkoreanischen Offiziellen zwar geduldet, aber nicht anerkannt. Ebenso ist die Lage in einer Handvoll anderer Staaten – darunter Tschechien und Frankreich –, wo die burmesische Diaspora Repräsentanzen gegründet hat: Die offizielle Botschaft, die dort von Staats wegen eingeladen ist und Visa für die Einreise nach Myanmar erteilt, steht aufseiten des Militärs.

Inoffiziell sieht die Sache aber anders aus. Denn aus diversen Ländern, wo das Einkommensniveau höher ist als in Myanmar, organisiert die Diaspora seit nunmehr zwei Jahren wichtige Unterstützung für den Widerstand. »Die weltweit meiste Hilfe kommt von uns!«, sagt Soe Moe Thu, Generalsekretär der Schattenbotschaft in Korea, nicht ohne Stolz. Vor dem Putsch betrieb der 47-Jährige einen Laden mit südostasiatischen Produkten, nun aber konzentriert er sich auf die politische Arbeit.

Die 30 Personen, die regelmäßig in der Dreizimmerwohnung in Incheon zusammentreffen, übersetzen nicht nur Artikel burmesischer Medien in diverse Sprachen und organisieren Proteste wie Informationsveranstaltungen zur Lage in Myanmar. »Vor allem sammeln wir Geld«, erklärt Soe Moe Thu auf Koreanisch. Die rund 27 000 burmesischen Staatsbürger in Südkorea, die sich in politische Flüchtlinge und Gastarbeitende aufteilen, spenden kollektiv rund 100 000 US-Dollar pro Monat. Hinzu kommen entsprechende Unterstützungen aus anderen Ländern.

»Ein Großteil der Gelder fließt in humanitäre Unterstützung in der Heimat«, sagt Yan Naing Htun. Indem dort weite Teile der Bevölkerung streiken und diverse Staatsunternehmen boykottieren, leidet die Volkswirtschaft zusätzlich. Die ökonomischen Schäden werden durch Spenden aus dem Ausland zumindest ein Stück weit aufgefangen. Allerdings werden damit auch, direkt oder indirekt, die Aktivitäten der demokratischen Armee unterstützt, die sich für den Widerstand längst gegründet hat. Trainings werden finanziert, auf dem Schwarzmarkt Waffen gekauft.

»Kurz nach dem Putsch waren wir noch überzeugt, nur friedlich zu protestieren«, sagt Yan Naing Htun. »Aber das wurde bald unrealistisch.« Was der Fabrikarbeiter und Quasibotschafter dagegen schon für realistisch hält, ist ein mittelfristiger Sieg der Demokratiebewegung: »Ich bin sogar sicher, dass wir gewinnen werden.« Denn international sei das Militärregime weitgehend geächtet, und im Inland hält die Mehrheit zur demokratischen Opposition – die in den vergangenen Monaten auch wiederholt vermeldete, Soldaten des Militärs getötet zu haben.

Um seine eigene Sicherheit macht sich Yan Naing Htun keine Sorgen. Er muss wieder lachen: »In Korea wird mir niemand Probleme machen.« Erstens herrschten hier koreanische Gesetze. Und zweitens stünden die allermeisten Myanmarer*innen auf der Seite des Widerstands.

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