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Sturm auf die Rentenreform
In Frankreich wird weiter gegen Macrons Kürzungspläne protestiert
Die Beteiligung war erneut gewaltig. Wie am 19. Januar gab es auch am zweiten landesweiten Streik- und Aktionstag gegen die geplante Rentenreform am Dienstag eine hohe Streikbereitschaft. Beim Auftakt hatten nach Gewerkschaftsangaben an etwa 200 Demonstrationen insgesamt rund zwei Millionen Menschen teilgenommen; diesmal gab es 250 Demonstrationen, und die Gewerkschaften waren bereits am Nachmittag überzeugt, dass die Zahl von zwei Millionen Teilnehmern übertroffen wird.
Während am 19. Januar die acht größten Gewerkschaften des Landes zu Streiks und Demonstrationen aufgerufen hatten, schlossen sich am 31. Januar diesem Aufruf auch ein Dutzend Jugendverbände an. Die Streiks, die beim Bahnunternehmen SNCF schon am Montagabend begonnen hatten, wurden vor allem im öffentlichen Dienst und in den staatseigenen Betrieben massiv befolgt. Bei der Bahn fuhr im Schnitt nur jeder dritte der fahrplanmäßigen Züge, der Flugverkehr war um etwa zehn Prozent eingeschränkt, und bei den Pariser Verkehrsbetrieben RATP waren einige Linien ganz stillgelegt, andere wurden nur im Berufsverkehr befahren.
Viele Schulen mussten geschlossen bleiben, da die Hälfte aller Lehrer der Arbeit ferngeblieben war. Einem Aufruf des FKP-Vorsitzenden Fabien Roussel folgend, schlossen die Bürgermeister vieler Städte und Gemeinden – nicht nur der kommunistisch geführten, auch vieler anderer und sogar von Paris – die Rathäuser und ermöglichten den Beschäftigten der Kommunen die Teilnahme an den Demonstrationen ohne Lohnverlust.
Die massiven Proteste richten sich gegen die von Emmanuel Macron im Präsidentschaftswahlkampf angekündigte und von ihm als sein wichtigstes Vorhaben bezeichnete Rentenreform, die das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 heraufsetzen und die Dauer der Beitragszahlung auf 43 Jahre verlängern soll. Wie Premierministerin Elisabeth Borne am vergangenen Wochenende in einem Interview noch einmal mit Nachdruck erklärte, ist das Rentenalter von 64 Jahren »nicht verhandelbar«. Dagegen hat die Regierung, wohl um die Reform akzeptabler zu machen, in den vergangenen Tagen einige geringfügige Veränderungen vorgenommen, beispielsweise zugunsten von Frauen mit Kindern und dadurch mehrfach unterbrochenen Karrieren.
Der Text des Reformgesetzes wird seit Montag von den Kommissionen der Nationalversammlung behandelt und ab kommenden Montag im Plenum diskutiert. Die Behandlung im Parlament soll im Schnellverfahren – in 12 statt wie gewöhnlich 60 Tagen – erfolgen, was die linke Opposition als antidemokratisch brandmarkt. Dagegen bezeichnet die Regierung die zahlreichen von der Bewegung La France Insoumise eingebrachten Änderungsanträge zum Reformgesetz als »Versuch der Blockade des demokratischen Gesetzgebungsprozesses«. Die Gewerkschaften sind entschlossen, die Debatte im Parlament mit weiteren massiven Streiks und Demonstrationen zu begleiten, um letztlich die Reformpläne zu Fall zu bringen.
Im Regierungslager, wo man betont, »keine Angst vor der Straße« zu haben, wird befürchtet, dass die Mobilisierung breiter Kreise der Bevölkerung Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten haben kann. So sind sogar in der Fraktion der Regierungspartei Renaissance ein Dutzend Abgeordnete nicht bereit, für die Reform zu stimmen; bei der rechten Oppositionspartei der Republikaner, auf deren Unterstützung die Regierung hofft, ist die Hälfte der Abgeordneten noch unentschlossen.
Am Rande der Demonstration in Marseille, die bereits am Vormittag stattfand und an der nach Angaben der Gewerkschaften mehr als 200 000 Menschen teilgenommen haben, erklärte Jean-Luc Mélenchon: »Dies ist ein ganz besonderer Tag mit einer beeindruckenden Massenmobilisierung durch die Gewerkschaften. Damit treten wir in eine neue Phase des Kampfes gegen die ungerechten Reformpläne.« Mélenchon kündigte an, dass die von ihm gegründete Bewegung La France Insoumise im Parlament einen Antrag auf Durchführung eines Referendums zur geplanten Rentenreform einbringen wird. »Ich bin überzeugt, dass immer mehr Franzosen begreifen, dass sie ganz persönlich betroffen sind und dass sie sich mobilisieren müssen«, sagte Mélenchon. »Diese immer breitere Front der Ablehnung kann und wird Präsident Macron letztlich zwingen, seine Reformpläne fallen zu lassen.«
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