Zwischen Abschottung und Weltoffenheit

Die wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen den USA und China sind kompliziert

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Regierung in Washington geht zunehmend forscher gegen die chinesische Volkswirtschaft vor. Strategisch betrachtet wollen die USA ihre Technologieführerschaft in bestimmten Bereichen absichern. Der jüngste Höhepunkt: Mit Japan und den Niederlanden schmiedeten sie Ende Januar eine Chip-Allianz. Die drei Länder verschärfen damit beispielsweise ihre Kontrollen für Ausfuhren in die Volksrepublik. Vor allem geht es um EUV-Maschinen, die für die Herstellung modernster Computerchips notwendig sind. Weltweiter Marktführer ist die niederländische Firma ASML. Der Hintergrund: Ende August 2022 hatte US-Präsident Joe Biden bereits ein Dekret unterzeichnet, welches den Export hochmoderner Chips nach
China verbietet.

Beide Seiten dürften aber ihren Wettbewerb so zu managen versuchen, dass er – in den Worten des US-Präsidenten – nicht »in einen Konflikt ausartet«. Biden und Chinas Präsident Xi Jinping hatten sich im November beim G20-Gipfel in Indonesien zu einem Gespräch getroffen und kamen überein, die Kommunikation aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang war auch die geplatzte Reise von US-Außenminister Antony Blinken zu sehen.

Frühere US-Regierungen hatten mit einem wohlwollenden Blick auf den wirtschaftlichen Aufstieg des Schwellenlandes Chinas für »Wandel durch Handel« plädiert. In den vergangenen zehn Jahren setzte sich in Washington allmählich die Erkenntnis durch, dass diese Strategie – wie auch in Russland – nicht den gewünschten Erfolg brachte. Um Abhilfe zu schaffen, griff die Administration von Donald Trump zu einem eher groben Instrument: einem zusätzlichen Zollsatz von 25 Prozent auf große Teile der Importe aus China. Diese gingen laut einer Analyse von Commerzbank Research in der Folge von etwas mehr als 2,5 Prozent des US-Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2018 auf zuletzt etwas mehr als 2,0 Prozent zurück. Gleichzeitig stiegen die Lieferungen aus anderen Ländern.

Die Maßnahmen der Trump-Regierung bewirkten eine Neuausrichtung der Außenhandelsströme, aber nicht die gewünschte Verringerung des US-Handelsdefizits. Mit diesem befasst man sich in Washington ungern, weil dies das marktextreme Wirtschaftsmodell des Landes in Frage stellt. Auch US-Bürger kaufen gerne die unschlagbar preiswerten Konsumprodukte aus China. Problematisch sind außerdem die hohen Auslandsschulden – größter Finanzier ist mit gut einer Billion Dollar ausgerechnet die Volksrepublik.

Trumps Nachfolger Biden ließ die Zölle unangetastet, verlagerte aber den Schwerpunkt auf die Eindämmung Chinas als aufstrebende Technologiemacht. So führte das Handelsministerium weitere Ausfuhrkontrollen für Spitzentechnologie ein. Betroffen sind in der Praxis nicht nur US-Exporte, sondern auch Firmen in anderen Ländern, die US-Technik verwenden: Wichtigste Zulieferer für die Hightech-Maschinen der niederländischen ASML sind die baden-württembergischen Konzerne Trumpf und Zeiss. Gleichzeitig will die Biden-Administration die inländische Produktion insbesondere von Halbleitern stärken. Erleichtert wird dies durch den mittlerweile bekannten »Inflation Reduction Act«, aber vielmehr durch das sogenannte Chips-Gesetz, einem der bedeutendsten industriepolitischen Vorstöße seit Jahrzehnten mit einer Gesamtsumme von 280 Milliarden Dollar für Hochtechnologieförderung.

»Die USA schotten sich wirtschaftlich stärker ab«, kritisiert die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Studie. Und »America first« gehe auch auf Kosten von EU und Japan. Die neue Industriepolitik ruft jedoch Gegenreaktionen hervor, in Europa wie auch in China. Ziel der Regierung in Peking ist eine wachsende Eigenständigkeit der nach wie vor exportorientierten Volkswirtschaft. Mit der Initiative »China Standards 2035« will die Regierung heimische Konzerne in zehn Schlüsseltechnologien zum weltweiten Marktführer machen. So wurden etwa Milliarden in die Entwicklung von Mikrochips gesteckt, und der Suchmaschinenkonzern Baidu hat gerade ein Gegenstück zum medial populären US-amerikanischen ChatGPT-System angekündigt – ein Konter im Kampf um die »Künstliche Intelligenz«.

Der Aufbau einer heimischen Innovationsbasis ist allerdings ein steiniger Weg, auf dem China nach Einschätzung auch linker Experten ausländische Technologien benötigt. Da der Zugang zu amerikanischer Technik wohl dauerhaft beeinträchtigt ist, versucht China Hochtechnologie aus anderen Ländern zu beziehen. Xi baut dafür auf einen möglichst ungestörten Welthandel, also die sogenannte Globalisierung.

Auf US-Sanktionen gegen zwei Dutzend chinesische Firmen reagierte Peking kürzlich mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation. Parallel dazu demonstrierte aber Chinas Vize-Premierminister Liu He auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos mit seiner Rede und einem Treffen mit US-Finanzministerin Janet Yellen Weltoffenheit. Derweil trafen Präsident Xi und weitere Regierungsvertreter in den vergangenen Monaten mit vielen ausländischen Staats- und Regierungschefs zusammen. Auch die US-Regierung setzt auf Reisediplomatie. Daher dürfte Blinken demnächst seinen verschobenen Flug über den Pazifischen Ozean nachholen.

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