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Saurier-Wohnzimmer wird saniert
Das Berliner Naturkundemuseum will seine Sammlung digitalisieren und weiter sanieren – das kostet
Welches Tier würde er diesmal mitbringen? Wenn Johannes Vogel, Generaldirektor des Naturkundemuseums, das Abgeordnetenhaus besucht, bringt er häufig Exponate mit, um seine Vorträge zu veranschaulichen. Die Abgeordneten im Wissenschaftsausschuss hatten vorher schon gerätselt, was es dieses Mal sein würde, berichtet der FDP-Abgeordnete Stefan Förster zu Beginn der Sitzung. Die Ausschussvorsitzende Franziska Brychy (Linke) habe auf einen Dinosaurier getippt. Sie behält recht: Während seines Vortrags holt Vogel den Unterkiefer von T-Rex »Tristan« hervor, der im Zentrum einer aktuellen Ausstellung im Naturkundemuseum steht. »Natürlich nicht das Original, sondern ein Abdruck«, sagt er. Mit dem Dino-Gebiss – so lang wie Vogels Arm – illustriert er die Digitalisierungsbemühungen des Naturkundemuseums, in deren Rahmen zahlreiche Exponate als digitale Modelle gespeichert werden.
Aufmerksamkeit für seine Botschaft ist Vogel so in jedem Fall schon sicher. Nachdem das Naturkundemuseum wegen der pandemischen Lage lange Zeit nur digitale Besuche anbieten konnte, sind die Tore inzwischen auch wieder in der realen Welt geöffnet. Mit etwa 700 000 Besuchern jährlich ist das Vor-Pandemie-Niveau bereits wieder erreicht – bei steigender Tendenz: 80 000 Besucher waren es allein im Januar dieses Jahres. Unter den Einrichtungen, die Eintrittspreise verlangen, ist das Naturkundemuseum damit an der Berliner Spitze, so Vogel.
Die Ausstellungen sind dabei nur ein Teil des Programms. »Von der Wiege bis zur Bahre« biete man Bildungsmöglichkeiten an, so Vogel. Das reiche von Kooperationen mit Schulen bis hin zu speziellen Führungen für Demenzkranke. Für Vogel ist es eine zentrale und demokratiefördernde Aufgabe von Museen, Wissen über naturwissenschaftliche Zusammenhänge verständlich darzustellen: »Naturwissen ist überlebensnotwendig.«
Die Steigerung der Besucherzahlen überrascht durchaus, denn das Naturkundemuseum musste die Ausstellungsfläche zuletzt verkleinern. Grund sind umfangreiche Sanierungsarbeiten an dem 130 Jahre alten Hauptstandort in Mitte. »Eine Operation am offenen Herzen« nennt Vogel die Bauarbeiten in dem denkmalgeschützten Komplex bei laufendem Betrieb. »Hunderte Tonnen« Material müsse man umräumen. Insgesamt umfasst die Sammlung des Naturkundemuseums 30 Millionen Objekte, etwa 10 000 davon werden öffentlich ausgestellt. Bis zum Ende der Arbeiten wird es wohl noch dauern, denn seit 2006 sei erst ein Drittel des Sanierungsbedarfs abgearbeitet worden, wie Geschäftsführer Stephan Junker darstellt. Anfang des Jahres startete ein Architekturwettbewerb, der die zukünftige Gestaltung des Vorplatzes und der Kellerräume bestimmen soll. Damit soll dann auch die Ausstellungsfläche wachsen.
Auch für den Wissenschaftsbetrieb innerhalb des Museums ist das eine Herausforderung. Zuletzt eröffnete das Naturkundemuseum in Adlershof eine Zweigstelle. Dort gibt es vor allem Infrastruktur, um die Sammlung zu digitalisieren. Mit den hochauflösenden Fotos und Modellen soll Wissenschaftlern in aller Welt der Zugang erleichtert werden – aber auch der interessierten Öffentlichkeit. Am Hauptstandort können Besucher dabei zusehen, wie in einer Digitalisierungsstraße täglich hochauflösende Bilder von 5000 konservierten Insekten gemacht werden.
Wie wichtig diese Arbeit ist, versucht Direktor Vogel an einem Beispiel darzustellen: In der sogenannten Nasssammlung des Museums sind zahlreiche Wirbeltiere in einer Alkohol-Wasser-Mischung konserviert. Im Rahmen der Digitalisierung der Bestände werden auch DNA-Sequenzen dieser Tiere digital lesbar gemacht. Forscher aus den USA hätten besonderes Interesse an den Kabeljau-Beständen. Denn früher wurden diese Fische deutlich länger. Große Tiere sind aber leicht zu fangen, weshalb kleinere Exemplare einen evolutionären Vorteil hatten und die Fische heute im Durchschnitt kleiner sind. Von der Analyse des Genoms der historischen Exemplare erhofft man sich, einen Weg zu finden, wieder größere Fische zu züchten. »Wir sind so etwas wie die Versicherungspolice der Welt«, sagt Vogel mit Blick auf die im Museum konservierte biologische Vielfalt.
Für das Museum sind das nicht nur logistische, sondern auch finanzielle Herausforderungen. Aktuell erhält das Museum einen Grundstock von etwa 20 Millionen Euro institutioneller Förderung, dazu kommen etwa sieben Millionen Euro Drittmittel für Forschungsprojekte. Im Vergleich zu anderen Museen sei das sehr wenig, so Vogel. Für die Sanierung und die Digitalisierung erhält das Museum eine gemeinsame Förderung von Bund und dem Land Berlin, die etwa 660 Millionen Euro umfasst. Langfristig werde das aber nicht reichen, so Vogel. Eine »angemessene Summe« für den Grundhaushalt sei eher 70 Millionen Euro. Dabei müsse vor allem die Bildungsarbeit stärker gefördert werden. »Letztendlich steht es Ihnen als Parlament frei, wie viel Ihnen das Museum wert ist«, sagt Vogel in Richtung der Abgeordneten.
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