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  • Leihmutterschaft in der Ukraine

»Leihmütter sollen keine Beziehung zu dem Kind aufbauen«

In der Ukraine ist es ein Geschäft, dass Frauen für kinderlose heterosexuelle Paare Babys austragen. Dmytro Puhatsch leitet eine Agentur für solche Kinderwünsche

  • Interview: Melanie M. Klimmer
  • Lesedauer: 6 Min.

Trotz des Krieges läuft das kommerzielle Leihmuttergeschäft in der Ukraine weiter. Hunderte, wenn nicht gar Tausende Kinder wurden in den vergangenen Kriegsmonaten auf diese Weise geboren. Die Befruchtung wird in einem Reagenzglas durchgeführt (In-vitro-Fertilisation), die Leihmutter trägt das Kind dann aus. Sind denn auch Reproduktionskliniken schon von russischer Artillerie getroffen worden?

In den frühen Kriegsmonaten haben russische Panzer in Busowa eine Geburtsklinik von Adonis Plus beschossen, einer Kette von Geburts- und IVF-Kliniken (In-vitro-Fertilisation) und Entbindungsheimen in der Region Kiew. Sie liegt nahe der Autobahn nach Kiew. Alle Patienten konnten noch rechtzeitig evakuiert werden. Am 31. Juli 2022 war ich dort, um mir selbst ein Bild von der Zerstörung zu machen. Die meisten IVF-Kliniken arbeiten ganz normal weiter, ich kann es aber nicht mit Bestimmtheit sagen.

Ukrainisches Geschäftsmodell

Die Ukraine ist eines der wenigen Länder, in der eine kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist. Auch die Feststellung einer rechtlichen Elternschaft läuft für die Paare mit Kinderwunsch relativ unkompliziert ab. Leihmütter haben keinen Anspruch auf das Kind, das sie geboren haben. Entsprechend boomt das Geschäft – auch während des Krieges.

Offizielle Zahlen darüber gibt es nicht, aber Experten gehen von mehr als 2000 Kindern im Jahr aus. Es wird geschätzt, dass jedes vierte Kind, das weltweit durch eine Leihmutter ausgetragen wird, in der Ukraine zur Welt kommt. Für ihre Dienste erhalten Leihmütter je nach Agentur eine Vergütung von 12 000 bis 24 000 Euro. Das ist etwa die Hälfte bis ein Drittel dessen, was Paare für die Erfüllung ihres Kinderwunsches bezahlen.

In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz Ärzten, bei einer Leihmutterschaft tätig zu werden. Sie dürfen weder eine befruchtete Eizelle einer anderen Frau übertragen noch eine Schwangerschaft mit dem Ziel herbeiführen, das Kind an Wunscheltern abzugeben. Die Ampel-Koalition hat sich allerdings vorgenommen, in dieser Legislaturperiode die Legalisierung der Eizellspende und eine unentgeltliche Leihmutterschaft aus altruistischen Motiven zu prüfen. Mmk

Was geschieht mit den kryokonservierten Eizellen und Embryos, also den in flüssigem Stickstoff bei -196 Grad Celsius eingefrorenen Eizellen oder Spermien, wenn Fertilitätskliniken unter Artilleriebeschuss geraten?

Aufgrund des Krieges haben einige IVF-Kliniken vorsorglich ihre Kryobanken in sicherere Gebiete, die weiter im Westen der Ukraine liegen, verlagert. Nach letzten mir vorliegenden Informationen wurden die meisten Lager der IVF-Kliniken aber wieder an ihre ursprünglichen Orte zurückverlegt.

Sind Fachkräfte aus der Reproduktionsmedizin ins Ausland abgeworben worden?

Viele ausländische Kooperationspartner aus der Europäischen Union, Georgien, den USA und Kanada haben im Zuge des Krieges um unsere Reproduktionsmediziner geworben und boten ihnen Unterstützung im Falle eines Umzuges an, sollten sie die Ukraine verlassen wollen. Unsere Vertragsärzte sind in der Ukraine geblieben, und so können wir unsere Dienstleistungen im Bereich der reproduktiven Medizin mit verschiedenen Kooperationspartnern hierzulande und in Europa fortsetzen.

Millionen Frauen flohen seit Beginn des Angriffskrieges mit ihren Kindern aus der Ukraine. Aufgrund der Gesetzeslage in anderen Ländern (in den meisten Ländern der Welt ist die Leihmutterschaft verboten) oder vertragsrechtlicher Konsequenzen ist Leihmüttern eine Flucht aber kaum möglich. Wie ist deren Situation?

Das ist nicht ganz richtig. Manche Leihmütter verließen mit den beabsichtigten Eltern (Wunscheltern) zusammen bis zur Geburt die Ukraine. Einige Leihmütter sind auf eigenen Wunsch aber in der Ukraine geblieben. Die meisten Leihmütter kommen aus ländlichen Regionen der Ukraine und nicht aus der Hauptstadt.

Für die schwangeren Frauen ist es während des Krieges besonders gefährlich, unterwegs zu sein, Zuhause und eigene Kinder zurückzulassen, um ein Wunschkind für andere auf die Welt zu bringen. Was tun Sie als Agentur für deren Sicherheit?

Wir sind nur in den sicheren Landesteilen im Westen der Ukraine tätig. Den Leihmüttern, die sich zum Bleiben entschließen, stellen wir auf Wunsch eine Unterkunft in Kiew, wo unsere kooperierenden Geburtskliniken sind. Dieses Appartement können sie dann nicht nur in den letzten Schwangerschaftswochen bis eine Woche nach der Geburt beziehen, sondern derzeit bereits dann, wenn eine Schwangerschaft festgestellt worden ist. Ansonsten instruieren wir die Leihmütter, bei Raketenalarm Schutz in Luftschutzbunkern zu suchen.

Was ist mit den leiblichen Kindern der Leihmütter in dieser ganzen Zeit? Bleiben sie zu Hause?

Unsere Leihmütter dürfen ihre Familien mit nach Kiew bringen. Wir ermutigen sogar dazu, weil wir glauben, dass das Leben im familiären Umfeld Schwangerschaft und Geburt positiv beeinflusst. Die Frauen sind entspannter, fühlen sich sicherer. Weil der Unterricht in der Ukraine weitgehend online stattfindet, können ihre Kinder auch in Kiew weiterhin Unterricht bekommen.

Werden Leihmütter in den Wochen nach der Geburt noch medizinisch begleitet?

Nach der Geburt bekommen Leihmütter eine Tablette, welche die Laktation (den Milchfluss) stoppt. In der Geburtsklinik erhalten die Frauen die medizinische Unterstützung, der sie bedürfen, und nach der Geburt eine ärztliche Nachuntersuchung in Kiew erstattet. Manche nutzen sie, manche nicht, auch wenn wir die Untersuchung empfehlen. Die meisten Leihmütter möchten aber unmittelbar nach der Geburt nach Hause zurückkehren, wo sie dann die weitere medizinische Unterstützung erhalten.

Von den Fertilitätskliniken gibt es das Versprechen, »gesunde« Wunschkinder zu »liefern«. Führt das nicht zwangsläufig dazu, dass pränatale medizinische Eingriffe vorgenommen werden, also Embryonen-Selektionen und -Reduktionen (überzählige, überlebensfähige Embryonen werden bei Mehrlingsschwangerschaften entfernt) und Abtreibungen bei unerwünschten Entwicklungen des Fetus – damit am Ende ein gesundes »Wunschkind« zur Welt kommen kann? Starten Sie dann ein neues Leihmutterschaftsprogramm?

Gentests sind in der Tat ein entscheidendes Instrument, um sicherzustellen, dass am Ende ein gesundes Kind geboren wird. Diese Praxis haben wir in der Ukraine nicht nur im Hinblick auf natürliche Schwangerschaften, sondern auch im Bereich der In-vitro-Fertilisation und bei Leihmutterschaften. Die Reproduktionstechnik ist da inzwischen so weit entwickelt, dass es schon an ein Wunder grenzt. Ich weiß, dass Deutschland in diesem Bereich eine sehr unterentwickelte Industrie hat. Wenn Sie aber einmal nach Barcelona schauen: Das Embryonenlabor der IVF-Klinik am Instituto Marquez Barcelona ist seinesgleichen einzigartig. Die Inhaber glauben, dass Musik die Embryonen-Entwicklung positiv beeinflussen kann. Überall in dieser Klinik hören Sie Musik. Diese IVF-Klinik bringt die assistierte reproduktive Technologie auf den Höhepunkt.

Was geschieht mit dem Kind, wenn es trotz der Diagnostik mit einem Handicap auf die Welt kommt, zum Beispiel weil es unter der Geburt zu unerwarteten Komplikationen kommt – keine Geburt ist sicher genug, schon gar nicht im Krieg?

Normalerweise ist das Ergebnis einer Leihmutterschaft ein gesundes Baby. Dafür machen wir die zahlreichen teuren Gentests. Wir hatten in den gesamten 23 Jahren, in denen ich die Agentur führe, nicht ein einziges Mal den Fall, dass ein Kind krank zur Welt gekommen wäre.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den der Bindung zwischen Leihmutter und Wunschkind: Es soll Leihmütter gegeben haben, die es ablehnten, das Kind nach der Geburt an seine genetischen Eltern abzugeben. Was passiert dann?

Normalerweise kommt das nicht vor, denn unmittelbar nach der Geburt wird das Neugeborene den beabsichtigten Eltern, die in der Ukraine auch die rechtlichen Eltern sind, übergeben und nicht der Leihmutter. So ist es ihr nahezu unmöglich, das Kind einfach zu behalten. Und sollte es doch einmal vorkommen, würde sich die Leihmutter in der Ukraine der Kindesentführung strafbar machen und alle rechtlichen Konsequenzen zu spüren bekommen.

Spielen Emotionen, wie Muttergefühle, denn nicht auch eine Rolle? Wie wollen Sie dem vorbeugen?

Als Agentur achten wir sehr auf die Auswahl der Bewerberinnen. Wir trainieren die Frauen, die Leihmütter werden wollen und erklären ihnen von vornherein, dass nach ukrainischem Gesetz die intendierten Eltern auch die gesetzlichen Eltern des Kindes sind, welches die Leihmutter für sie austrägt. Von Anfang an werden die Leihmütter instruiert, keine Beziehung und keine Nähe zu dem Kind aufzubauen. Unsere Psychologen wachen darüber, dass die Frauen sich daran halten.

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