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Pistorius in Kiew: Leopard-Panzer als Gastgeschenk
Bundesverteidigungsminister verspricht seinem ukrainischen Amtskollegen Lieferung von Leoparden bis März
Anders als seine Amtsvorgängerin hatte Boris Pistorius (SPD) seinen nur für die Öffentlichkeit überraschenden Besuch in Kiew gut vorbereitet. Der neue deutsche Verteidigungsminister trat dort am Dienstagabend in uniformähnlichem Zwirn auf, legte Blumen für im Kampf getötete ukrainische Soldaten nieder, besichtigte abgeschossene russische Technik. Er traf sich mit seinem Amtskollegen Olexij Resnikow sowie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und sprach zu künftigen Besatzungen jener Panzer, die Deutschland demnächst an das von Russland angegriffene Land liefern wird.
Darüber hinaus konkretisierte er die Angaben zu den nächsten deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Bis Ende des Monats erhält das Land nach Angaben von Pistorius weitere Lenkflugkörper, fünf zusätzliche Gepard-Flugabwehrpanzer und weitere fünf Dachs-Pionierpanzer. Fünf Brückenlegepanzer vom Typ Biber würden im März geliefert.
Panzer kommen, aber später
Vor zwei Wochen hatte die Bundesregierung Kiew die Lieferung von 14 modernen Leopard-2-Panzern zugesagt. Zum Sommer sollen 20 bis 25 Leopard 1A5 folgen. Pistorius teilte mit, dass bis Ende des Jahres 80 weitere Exemplare des letzteren, bereits vor 20 Jahren von der Bundeswehr ausgemusterten Typs folgen. Auf diese Weise sollen bis zum ersten oder zweiten Quartal 2024 mindestens drei ukrainische Bataillone mit solchen Panzern ausgestattet werden. An dem Projekt wollen sich neben Deutschland auch Dänemark und die Niederlande beteiligen. Es umfasst auch die Lieferung von Ersatzteilen und Munition. Zudem habe man mit der Ausbildung von 600 Feldwebeln begonnen, sagte Pistorius in Kiew.
Die russische Nachrichtenagentur Tass vermeldete die neue Entwicklung am Mittwoch nüchtern, die Tageszeitung »Iswestija« dagegen druckte in ihrer Mittwochausgabe ein Interview mit dem russischen Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew. Darin warnt der Diplomat, man solle das Versprechen der deutschen Regierung, keine Soldaten an die Ukraine-Front zu schicken, nicht für »in Stein gemeißelt« halten. Falls es für Berlin je rote Linien gegeben habe, so seien sie längst überschritten, so Netschajew. Schließlich habe die amtierende Bundesregierung einst erklärt, man werde keine Waffen mehr in Kriegsgebiete liefern. Dann habe man Flugabwehrraketen, später Haubitzen und ähnliches Gerät geliefert, und jetzt folgten schwere Kampfpanzer, also »Angriffswaffen«.
Kiew freut sich über die Leoparden
Über die sich der ukrainische Präsident Selenskyi sehr freut. Mit diesen werde man den Invasoren auf dem Schlachtfeld zwar nicht überlegen sein, aber zumindest Parität mit ihren Streitkräften erreichen, sagte er am Dienstagabend in seiner täglichen Videoansprache – und bedankte sich bei »Deutschland und allen unseren Partnern« für die Unterstützung seines Landes.
Auch Olexij Makejew, Kiews Botschafter in Berlin, lobte die erneute Zusage: »Es ist toll, dass in den letzten Wochen die Panzerkoalition gegründet wurde.« Denn um die »erwartete Frühjahrsoffensive Russlands auf einer Frontlänge von mindestens 1700 Kilometern abzuwehren«, sei man auf die westlichen Waffensysteme angewiesen.
Die Bundesregierung hatte am Freitag, rund zehn Monate nachdem die Flensburger Fahrzeugbau Gmbh (FFG) und Rheinmetall dies beantragt hatten, grünes Licht für den Export der »Leo-1-Ladenhüter« gegeben. Rheinmetall hat seit Jahrzehnten 88 »Leo 1« in den Lagern. Sie stammen – wie bereits aus Flensburg gelieferte gepanzerte M113-Transporter – zum Gutteil aus Dänemark. Kopenhagen habe immer wieder zum Liefern gedrängt und bereits darüber nachgedacht, die Fahrzeuge zurückzukaufen, um sie selbst in die Ukraine zu bringen.
Leopard 1 eigentlich schon lange ausgemustert
Gerade die von Deutschland immer wieder betonten langen Lieferfristen werfen Fragen auf. Für die Abwehr der in Kürze erwarteten russischen Offensive kommen die »Leos« aller Typen ebenso zu spät wie die von Großbritannien und den USA zugesagten Panzer.
Der Leopard 1 wurde von 1964 bis 1984 gebaut. Auch wenn er mehrfach modernisiert wurde, so ist er den von Russland eingesetzten Kampfpanzern doch in verschiedener Hinsicht unterlegen. Für seine 105-mm-Kanone gibt es kaum noch Munition. Brasilien verfügt noch über Bestände, doch Präsident Luiz Inácio Lula da Silva lehnte eine von Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch vorgetragene Bitte klar ab.
Noch komplizierter gestaltet sich die Ausbildung ukrainischer Besatzungen. Da der »Leo 1« vor zwei Jahrzehnten auch in den meisten Nato-Staaten ausgemustert wurde, finden sich kaum geeignete Trainer. Ähnliche Probleme ergeben sich bei der Ausbildung am Schützenpanzer Marder, von denen Deutschland 40 in die Ukraine liefern will.
Probleme beim Training
Wohl aus diesem Grund richtete der Reservistenverband der Bundeswehr Ende Januar an alle Untergliederungen ein Schreiben. Darin heißt es, das Einsatzführungskommando der Bundeswehr habe beim Verband angefragt, ob man »binnen kurzer Zeit« 50 Reservisten »mit UKR-/RUS-Sprachkenntnissen und möglichst einer gültigen Ü1-Sicherheitsüberprüfung« zur Unterstützung »befreundeter Streitkräfte« ausfindig machen könne. Auf nd-Nachfragen reagierte der Verband nicht.
Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr bestätigte gegenüber »nd«, dass es mit dem Reservistenverband einen »Austausch auf Arbeitsebene über generelle Möglichkeiten einer Einbindung von Reservedienstleistenden« in die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland gab. Zugleich betonte er, für die Koordination dieser Ausbildung sei das Special Training Command in Strausberg zuständig.
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