Aufstand gegen die Gewobag

Mieter in Berlin-Schöneberg prangern Zustände beim landeseigenen Wohnungsunternehmen an

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Aula der Neumark-Grundschule in Schöneberg ist am Freitagabend bis auf den letzten Platz gefüllt. 150 Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag sind gekommen. Sie sind wütend. Wütend darüber, wie das Unternehmen die Bestände instandhält, wie Heizkosten abgerechnet werden, wie es mit ihnen umgeht. Zwei Stunden wird über konkrete Fälle berichtet, die zum Teil so unglaublich klingen, dass man nicht den Eindruck hat, es mit einem dem Gemeinwohl verpflichteten Vermieter zu tun zu haben. Aus Sorge vor möglichen Reaktionen der Gewobag werden an diesem Abend keine Namen genannt.

»Im Februar 2022 wurde bei einem Sturm das Dach abgedeckt. Bis heute ist das nicht erledigt«, berichtet ein Mieter. »Nach zweieinhalb Wochen Heizungsausfall ist mir der Kragen geplatzt. Ich habe die Firma angerufen. Die haben mir gesagt, dass sie keinen Schlüssel für den Heizungskeller haben. Am Ende kam heraus, dass nur Wasser in der Heizung fehlte«, schildert eine andere Mieterin.

Ein Mieter berichtet über einen Wasserschaden. »Acht Wochen hat es gedauert, bis jemand von der Gewobag überhaupt auftauchte. Bis dahin ist das Wasser bis in den Keller gelaufen, drei Wohnungen sind unbewohnbar«, so das Ergebnis. Auch seine Wohnung ist betroffen. Doch es kam noch besser. »Vor ein paar Tagen rief mich das Umzugsunternehmen an. Sie ziehen am ersten Februarwochenende aus, wurde mir erklärt. Ich hatte keinen Schlüssel und wusste auch nicht, wo die Ersatzwohnung sein soll.«

Mieter aus Kreuzberg berichten von ihren Erfahrungen: »Die Gewobag reagiert auf Reparaturanfragen immer nur, wenn man mit Mietminderung droht.« Eigentlich ein Verhalten, das man eher von renditeorientierten Immobilienkonzernen erwartet.

Beschwerden über die Bestandspflege der Gewobag bei ihren knapp 5000 Wohnungen im Schöneberger Norden haben bereits mehrere Schriftliche Anfragen im Abgeordnetenhaus zur Folge gehabt. Der Tenor der Antworten der Gewobag: Ausfälle von Heizungsanlagen nehmen tendenziell ab, die Meldungen von Mietenden im letzten Quartal 2022 seien um ein Viertel zurückgegangen.

Entzündet hatte sich der Mieterprotest, der nun beginnt, sich kollektiv zu organisieren, an stark gestiegenen Heizkosten. Kritisiert wird vor allem die mangelnde Transparenz, nachdem die Gewobag den Betrieb der Anlagen an eine eigene Tochtergesellschaft ausgelagert und auf funkbasierte Heizkostenablesung umgestellt hat. Seither »häufen sich beim Mieterbeirat Beschwerden über nicht nachvollziehbare Nachzahlungen«, heißt es auf der Veranstaltung. Zuvor habe sie jährlich Rückzahlungen von 900 bis 1000 Euro erhalten, im ersten Jahr nach dem Wechsel musste sie 250 Euro nachzahlen, das Jahr darauf 800 Euro, berichtet eine Mieterin. Und das sei noch vor den Energiepreis-Steigerungen des letzten Jahres gewesen.

Im »nd« vorliegenden Antwortschreiben der Gewobag auf eine kollektive Beschwerde zeigt sich das Unternehmen »irritiert« und erklärt: »Unsere Betriebskostenabrechnung entspricht den gesetzlichen Anforderungen.«

Damit wollen sich die Mieter nicht abspeisen lassen. Sie beschließen eine Resolution, in der sie schnelle und transparente Reaktionen, Aufklärung über die Erhöhung der Heizkosten und bessere Nachvollziehbarkeit sowie mehr Engagement und Unterstützung beim Energiesparen fordern.

Die Politik ist aus erster Hand informiert. Unter anderem der SPD-Bundestagsabgeordnete Kevin Kühnert, Tempelhof-Schönebergs Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) und der Linke-Bezirksverordnete Harald Gindra hören sich die Probleme an.

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