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- Biathlon-WM 2023 in Oberhof
Die Biathlon-Weltspitze reproduziert sich selbst
Auf dem Siegerpodest der Weltmeisterschaften von Oberhof bleiben die Favoriten unter sich
Biathlon-Weltmeisterschaften sind oft für Überraschungen gut. Ein perfektes Rennen und ein paar Fehler der sonst stärkeren Konkurrenz, und plötzlich hängt eine Medaille um den Hals. Die Titelkämpfe von Oberhof jedoch entwickeln sich zur Show der Stars. Beim Verfolgungs-Sieg der französischen Weltcupführenden Julia Simon am Sonntag gewann Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick nach Gold im Sprint auf Rang zwei die zweite Medaille bei ihrer Heim-WM. In den Männer-Rennen sicherte sich derweil Norwegens Johannes Thingnes Bø am Wochenende bereits seine Titel zwei und drei. In Mixed-Staffel, Sprint und Verfolgung war der fünffache Olympiasieger bislang nicht zu schlagen.
Auch die Oberwiesenthalerin Herrmann-Wick hatte am Sonntag die Chance auf Doppelgold, lag nach der Hälfte der Verfolgung gut eine halbe Minute vor der Konkurrenz, leistete sich mit insgesamt vier Schießfehlern letztlich aber zwei zu viel, um Simon in die Schranken zu weisen. Immerhin bieten die Frauen internationale Spannung, während das Podium der Männer im Sprint ein rein norwegisches war. Bø hatte mit seinem Bruder Tarjei und den Landsleuten Sturla Holm Lægreid und Johannes Dale am Samstag einen Vierfacherfolg gefeiert. Einen Tag später lagen wieder Johannes Bø und Lægreid weit vor der Konkurrenz.
Die deutschen Männer konnten dieser Machtdemonstration nichts entgegensetzen. Justus Strelow etwa blieb im Sprint fehlerfrei, schaffte es dennoch nur auf Platz zwölf: »Ich bin am Schießstand gut durchgekommen. Auf der Strecke habe ich dann alles gegeben.« Dieses »Alles geben« aber reicht nicht, um annähernd in die Medaillenränge vorzustoßen. Strelow verlor in der Loipe 1:40 Minute auf Sieger Bø. Selbst wenn man den Überläufer ignoriert, fehlte dem besten deutschen Schützen am Samstag immer noch gut eine Minute auf die anderen Norweger.
Die Frage nach den Gründen dieser Dominanz liegt auf der Hand. »Wir sind alles Individualisten, arbeiten aber trotzdem zusammen, denn die Staffel ist für uns der wichtigste Wettbewerb«, versuchte sich Tarjei Bø an einer Erklärung. Jeder im Team wolle das Optimum für sich selbst erreichen: Medaillen bei Großereignissen. Also orientiert man sich am Allerbesten überhaupt, den man mit Johannes Bø in der eigenen Trainingsgruppe täglich vor sich sieht. Hat man Erkenntnisse gewonnen, wie man besser wird, werden die aber mit allen geteilt, um als Gruppe den anderen Nationen überlegen zu bleiben.
Von allen vagen Theorien über angeblich unlautere Tricks der Skiwachser oder gar verbotene Mittel der Leistungssteigerung ist das die wahrscheinlichste Erklärung für die Übermacht der Skandinavier. Die Erfolge der deutschen Biathletinnen in den vergangenen 30 Jahren von Uschi Disl über Kati Wilhelm, Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier bis zu Denise Herrmann-Wick basierten schließlich auf demselben Prinzip: Weltspitze reproduziert sich oft selbst.
Ein gutes Beispiel dafür ist derzeit auch der Aufstieg der jungen deutschen Läuferinnen, die mit den Plätzen fünf und acht für Sophia Schneider und Hanna Kebinger den Medaillenrängen am Sonntag noch einmal näherkamen. Schneider hatte sogar vor dem letzten Schießen auf Bronzekurs gelegen, sich dann aber zwei Fehler geleistet. »Wenn man so knapp an einer Medaille dran ist, ärgert einen das schon ein bisschen«, sagte Schneider später. »Aber es war das beste Ergebnis meiner Karriere. Wenn ich darüber nicht zufrieden wäre, wäre das einfach nur falsch. Mich freut es extrem, hier so gut abliefern zu können.«
Und daran habe auch Denise Herrmann-Wick ihren Anteil, bestätigte die 25-Jährige: »So einen Anhaltspunkt zu haben, ist extrem wichtig, selbst wenn ich nicht ständig mit ihr trainiere. Ich sehe sie immer in Ruhpolding und schaue mir viel von ihr ab. Ich mache mit ihren Videos auch Technikanalysen, um selbst irgendwann auf dieses Niveau zu kommen«, erklärte Schneider. So stieg die Traunsteinerin innerhalb weniger Monate vom deutschen B-Kader bis ins WM-Team auf. »Es war wichtig, dass ich den Schritt in die Weltspitze schaffe. So kann ich nun konstant im Weltcup mitlaufen und Erfahrungen sammeln. Das macht Lust auf mehr.«
Auch wenn die neun Jahre ältere Herrmann-Wick erst 2016 vom Langlauf zu den Biathletinnen wechselte, hat sie die Rolle der »Mutti des Teams« mittlerweile angenommen. »Ich kann natürlich helfen: mit meiner Technik und auch den Grunderfahrungen, wie man zum Beispiel Weltmeisterschaften am besten angeht«, sagte die Einzel-Olympiasiegerin von Peking 2022. »Es ist so cool zu sehen, wie die Jungen jetzt ihre besten Resultate einfahren, nicht zu vergessen: bei ihren ersten Titelkämpfen und einer Heim-WM. Diese Erfahrung wird ihnen die ganze Karriere über helfen.«
Den deutschen Männern fehlt im Grunde seit mehr als einem Jahrzehnt ein solcher »Orientierungsathlet«, der dauerhaft die Weltspitze repräsentiert. Das ist nicht unbedingt ein Makel der Trainingssystematik, denn dazu gehört auch Glück. Einen Ole Einar Bjørndalen, Martin Fourcade oder Johannes Thingnes Bø kann man sich nicht einfach backen. Also arbeitet der DSV mit dem, was er hat. Und das reicht dann selbst mit 23 500 Heimfans im Rücken eben »nur« zu Platz acht und sechs für Johannes Kühn im Sprint und tags darauf in der Verfolgung als beste deutsche Platzierungen. Durchaus respektabel, aber auf den Sieger fehlten am Sonntag fast drei Minuten. »Ich bin dennoch zufrieden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich beim letzten Schießen sogar noch um die Medaille mitkämpfen kann. Aber ich freue mich auch sehr über Platz sechs.« Manch ein Norweger hätte sich darüber wohl geärgert.
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