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  • Australien-China-Beziehung

Normalisierung trotz Misstrauen

Trotz Australiens harter Gangart gegenüber China lockert die Regierung in Peking ihre Handelsbarrieren

  • Barbara Berkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.

Australien wehrt sich seit Jahren gegen Pekings langen Arm. Schon 2017 sprach Australiens damaliger Premierminister Malcolm Turnbull von »beunruhigenden Berichten über chinesischen Einfluss« und stellte neue Gesetze vor, die politische Spenden und Spionage aus dem Ausland unter Kontrolle bekommen sollten. 2018 schloss Australien dann als erstes Land die chinesische Telekommunikationsfirma Huawei beim Aufbau seines 5G-Mobilfunknetz aus.

Auch nach dem Abschuss des vermeintlichen chinesischen Spionageballons über den USA reagierte Canberra: Chinesisch gefertigte Überwachungskameras in Verteidigungsanlagen und Regierungsgebäuden werden aus Sicherheitsgründen entfernt. Und im Wissenschaftsbereich soll »aufgeräumt« werden, wie der staatliche Sender ABC berichtete: So sollen einige australische Institutionen Kooperationen mit Organisationen eingegangen sein, deren einzige Absicht darin bestanden habe, Chinas militärische Stärke aufzubauen. Zudem beschwerten sich Akademiker wie auch Studenten, dass sie unter Druck gesetzt worden seien, damit sie keine Kritik an der Führung in Peking üben.

Normalisierung der Beziehungen

Laut Bart Hogeveen vom Australian Strategic Policy Institute (ASPI), einem hauptsächlich vom australischen Verteidigungsministerium finanzierten Thinktank, gibt es »ausreichende Anzeichen« dafür, dass China nach Technologieinformationen und geistigem Eigentum aus Übersee sucht, wie er ABC sagte. Chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu beschäftigen, ist für Australien damit zum Sicherheitsrisiko geworden.

Doch obwohl Canberra mit seinem Misstrauen gegenüber Peking nicht hinterm Berg hält, versuchen beide Länder, ihre Beziehungen wieder zu normalisieren. Nachdem Chinas Führung Australien wegen diverser »australischer Fehltritte« wie der Forderung nach einer Aufklärung des Ursprungs der Pandemie über Jahre hinweg mit Handelsbarrieren abgestraft hatte, geht sie jetzt wieder auf China zu: Regierungsvertreter sprechen miteinander, vergangene Woche kamen der chinesische und der australische Handelsminister virtuell zusammen. In dem 90-minütigen Gespräch wurde auch ein Besuch des australischen Handelsministers Don Farrell in Peking angedacht.

Handelsbeziehungen laufen wieder an

Gleichzeitig tauen die lange Zeit eingefrorenen Handelsbeziehungen zwischen den Ländern wieder auf: Australiens Kohlelieferungen nach China starteten nach mehr als zwei Jahren wieder, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete. Demnach ist der Frachter »Magic Eclipse« mit metallurgischer Kohle aus Australien am Donnerstagmorgen vor der südchinesischen Hafenstadt Zhanjiang vor Anker gegangen. Außerdem besteht Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Hummer- und Weinverkaufs nach China. Dass China mit seinem Boykott australischer Waren eingeknickt ist, kann nicht an einem Richtungswechsel Australiens liegen. Denn die grundsätzlichen Positionen Canberras haben sich trotz des Regierungswechsels im Mai nicht geändert. Nur die Rhetorik der neuen sozialdemokratischen Spitze unter Premierminister Anthony Albanese ist sanfter geworden. Vielmehr könnte das chinesische Einlenken damit zu tun haben, dass die wirtschaftliche Schikane nicht wirklich fruchtete und Peking sich damit teilweise selbst schadete. Australien hat es in den vergangenen Jahren auf beispielhafte Weise geschafft, seine Exporte zu diversifizieren. Laut ASPI sank Chinas Anteil am australischen Exportmarkt von 42 Prozent im Juli 2021 auf 29 Prozent im August letzten Jahres.

China drängt in Handelsabkommen

Australiens Exporteinnahmen in den zwölf Monaten bis November waren mit 585 Milliarden Australischen Dollar (fast 380 Milliarden Euro) um 200 Milliarden Dollar (fast 130 Milliarden Euro) oder 55 Prozent höher als in den zwölf Monaten, bevor China begann, einige australische Waren zu boykottieren.

Das Tauwetter wird laut ASPI auch davon angefacht, dass China sich nach Ende seiner Zero-Covid-Politik wieder verstärkt der Welt öffnen will. China hat großes Interesse daran, dem Handelsabkommen CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership) beizutreten. Dieses entstand, als die USA unter Ex-Präsident Donald Trump die Transpazifische Partnerschaft (TPP) verließen. Am CPTPP haben sich Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam beteiligt.

China würde von einem Beitritt zum CPTPP profitieren und seine Wirtschaftsbeziehungen im asiatisch-pazifischen Raum festigen. Einem chinesischen Beitritt müssten aber alle Parteien zustimmen, Peking braucht also das Wohlwollen Canberras. Letzteres sei nicht öffentlich ausgesprochen worden, schrieb David Uren von ASPI in einem Aufsatz. »Aber es wäre nicht überraschend, wenn Australien China einen Hinweis gegeben hätte, dass es seinen Antrag nicht blockieren wird«, so der Strategieexperte.

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