Turbo-Start mit Hindernissen

Gewerkschaft sieht Bildungsverwaltung mit Verbeamtung von Lehrern überfordert

Rückkehr in die Kreidezeit: Nach 19 Jahren sollen in Berlin Lehrer wieder verbeamtet werden.
Rückkehr in die Kreidezeit: Nach 19 Jahren sollen in Berlin Lehrer wieder verbeamtet werden.

Mit dem Ansturm wurde gerechnet: 3000 Lehrkräfte, die bisher angestellt waren, haben bis Donnerstagmittag beantragt, verbeamtet zu werden. Das Online-Portal, auf dem die Verbeamtung beantragt werden kann, war am Mittwochmorgen freigeschaltet worden. »Wer im jetzt laufenden Schuljahr 2022/2023 oder später 52 Jahre alt geworden ist oder wird, kann verbeamtet werden, sofern alle persönlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind«, teilte die Bildungssenatsverwaltung dazu mit. Die Altergrenze war zuvor erhöht worden. Damit sind etwa 16 000 Lehrkräfte antragsberechtigt. Es wird davon ausgegangen, dass ein Großteil von ihnen sich für den Beamtenstatus entscheiden wird. Weil die Antragssteller noch Gesundheitschecks beim Amtsarzt absolvieren und ein Führungszeugnis vorlegen müssen, kann es aber noch dauern, bis über die Anträge final entschieden wird.

Berlin kehrt damit nach knapp zwei Jahrzehnten zur Verbeamtung für Lehrkräfte zurück. 2004 hatte der damalige rot-rote Senat die Lehrkräfteverbeamtung beendet – vor allem, um bei den Pensionszahlungen zu sparen. Andere Bundesländer handelten in dieser Zeit ähnlich. Nachdem Sachsen-Anhalt 2019 als letztes Bundesland außer Berlin zur Verbeamtung zurückgekehrt war, keimte aber auch in der Hauptstadt die Diskussion über die Dienstverhältnisse wieder auf. 2021 wurde die Rückkehr zur Verbeamtung im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und Linke offiziell. 

Zuvor waren Jahr für Jahr Absolventen von Lehramtsstudiengängen in Berlin in andere Bundesländer abgewandert. Attraktiv ist das Beamtenverhältnis vor allem dank der großzügigen Altersvorsorge und der besseren Versorgung im Krankheitsfall. Dafür müssen Beamte allerdings auf das Streikrecht verzichten. »Ich freue mich, dass wir nun auch unseren angestellten Bestandslehrkräften, die Berlin jahrelang die Treue gehalten haben, die Verbeamtung anbieten können«, sagt Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse.

Busse geht davon aus, dass dank der Verbeamtung in den nächsten Jahren 4000 Lehrkräfte aus anderen Bundesländern nach Berlin zurückkehren werden. Um den dramatischen Lehrermangel in der Hauptstadt zu beheben, wird das nicht genügen: Allein 2022 konnten berlinweit etwa 1000 Lehrerstellen nicht besetzt werden, im Laufe des Jahrzehnts wird zudem etwa ein Drittel der Lehrkräfte in den Ruhestand gehen.

Um den erwarteten Ansturm an Anträgen bewältigen zu können, hat die Bildungsverwaltung ihre Personalstelle bereits aufgestockt. Tom Erdmann, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin, befürchtet trotzdem, dass sich die Antragsbearbeitung hinziehen und das Tagesgeschäft unter der Arbeitslast leiden könnte. »Für die Lehrkräfte ist es höchst frustrierend, wenn sich dienstliche Vorgänge verzögern«, sagt er. Schon jetzt bearbeiten die Verwaltungsmitarbeiter durchschnittlich deutlich mehr Akten als Bürokräfte in anderen Senatsverwaltungen. Erschwert werde die Lage dadurch, dass der Aufwand, mit dem die Anträge bearbeitet werden müssten, überdurchschnittlich hoch sei, weil es unter Lehrkräften eine Vielzahl von Qualifikationswegen, Personalkategorien und Zuschüssen gebe. In einer Pressemitteilung warnt die GEW, dass die Bildungsverwaltung überfordert werden könnte. Erdmann fordert daher, die Personalstelle noch weiter aufzustocken.

Vor allem bei einem Sonderfall gab es bereits Verzögerungen: Seit Jahresbeginn werden Quereinsteiger, die ein berufsbegleitendes Referendariat abschließen, verbeamtet. Die kleine dreistellige Zahl von Quereinsteigern, die unter diesen Bedingungen zum Februar verbeamtet worden sei, warte bisher allerdings noch auf ihr Gehalt, wie die GEW berichtet. Auf »nd«-Anfrage nennt Martin Klesmann, Sprecher der Senatsbildungsverwaltung, die Vorwürfe aber »grob irreführend«. Die betroffenen Quereinsteiger hätten zum Ende Januar ihr letztes Gehalt erhalten und würden Ende Februar dann ihre Beamtenbesoldung für Februar und März erhalten. »Es ist somit gewährleistet, dass die betroffenen Lehrkräfte monatlich ein volles Entgelt erhalten haben, damit laufende Kosten gedeckt werden können«, sagt Klesmann

Für GEW-Chef Erdmann stehen die Auszahlungsmodalitäten aber nur an zweiter Stelle. »Dass nicht innerhalb weniger Tage zwei Gehälter ausgezahlt werden, ist verständlich, aber eine Mitteilung über die Eingruppierung wäre das Mindeste gewesen«, sagt er. Denn ohne das Wissen über die exakte Gehaltshöhe gibt es Probleme bei der Berechnung der Krankenversicherungssätze. Auch die sogenannte pauschale Beihilfe, mit der Beamte bei der Krankenversicherung unterstützt werden, könne ohne einen Gehaltsnachweis nicht beantragt werden. Martin Klesmann verweist dagegen darauf, dass es möglich sei, die Beihilfe formlos beim Landesverwaltungsamt zu beantragen und die Bezugsnachweise nachzureichen.

Lehrkräfte, die die Altersgrenze bereits überschritten haben oder aus anderen Gründen nicht verbeamtet werden können, sollen einen Nachteilsausgleich erhalten: Die angestellten Lehrer sollen eine Zulage von 250 bis 300 Euro monatlich erhalten. Erdmann hält das nicht für genug. »Davon bleiben netto sowieso nur 150 Euro«, sagt er. Zudem könnte die Zulage jederzeit wieder abgeschafft werden. »Eine rechtssichere Lösung wäre besser gewesen.« Noch ein weiterer Nachteil ergibt sich jetzt für Lehrkräfte: Bis zur Wiederaufnahme der Verbeamtung hat Berlin bei Berufseinsteigern höhere Erfahrungsstufen vorweggenommen. Angehende Lehrer kamen so auf etwa 5700 Euro Bruttogehalt. Diese Vorwegnahme fällt nun weg. Besonders ärgerlich ist das für ältere Quereinsteiger, die nicht mehr verbeamtet werden können. »Im Sommer wurde noch mit der Vorwegnahme geworben, aber wer jetzt einsteigt, kriegt sie nicht mehr«, sagt Erdmann.

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