• Politik
  • Kolumbianische Sozialreformen

Petro mobilisiert die Straße

Kolumbiens linker Präsident braucht für seine Reformen die Unterstützung von unten

  • Sara Meyer, Bogotá
  • Lesedauer: 4 Min.

»Weg mit Petro« und »Petros Reformen werden uns den Rest geben« – der linke Präsident Kolumbiens, Gustavo Petro, sah sich am Mittwoch mit Menschenmassen konfrontiert, die seine Gesundheits-, Arbeits- und Rentenreformpläne strikt ablehnen. Regierungsgegner fluteten am 15. Februar die Straßen der Hauptstadt Bogotá und weiterer großer Städte, um ihrer Wut über den geplanten sozialen Wandel Luft zu verschaffen. Die Protestierenden zeigten sich enttäuscht über die fehlende Dialogfähigkeit des Präsidenten, was die Umwälzung betrifft.

Während am Dienstag 15 000 Menschen für Petro auf die Straße gingen, gaben am zweiten Protesttag 50 000 ihren Unmut über die aktuelle Regierung zum Ausdruck. Beide Protesttage wurden von 30 000 Polizeikräften begleitet. Unruhen und gewalttätige Ausschreitungen blieben aus.

Am Vortag hatte der Präsident, der seit sechs Monaten im Amt ist, zu einer Mobilisierung für seine Reformen aufgerufen, um anschließend in symbolischer Geste in Begleitung von Frau und Tochter vom Balkon des Präsidentenpalasts zu seinen Unterstützern zu sprechen und die Notwendigkeit der Reformen zu erklären. »Das hat vor ihm noch kein Präsident gemacht«, ließen viele der Teilnehmenden verlauten und bezogen sich auf die direkte Ansprache an das Volk, die sich indes als eines von Petros strategischen Kommunikationsmitteln etabliert hat. Während seiner Rede bekräftigte er, dass er ein Mann der Taten sei. Millionen von Menschen hätten für den Wandel gestimmt. Für ihn stehe das Wohlbefinden der Menschen immer »an erster Stelle«.

Die einstündigen Ausführungen über die geplanten Neuerungen in sämtlichen Lebensbereichen der kolumbianischen Gesellschaft beendete Petro mit den Sätzen: Sein Vorschlag sei kein Pakt, bei dem das Volk in die Knie gehe, damit sich nichts ändere. »Was hier vorgeschlagen wird, ist ein Sozialpakt, damit die kolumbianische Oligarchie ihre Privilegien aufgibt und einen Sozialpakt und den Aufbau des Friedens ermöglicht.«

Die geplanten sozialen Reformen spalten die Bevölkerung seit ihrer Ankündigung. Schon im Wahlkampf versprach Petro einen »Wandel für das Leben«. Am Montag präsentierte das Staatsoberhaupt seine Pläne für das Gesundheitssystem des Landes. Petro verkündete, er wolle nicht etwa das bereits vorhandene System verbessern, da dieselben Probleme 10 000 Mal aufgetaucht seien, seit er Kongressabgeordneter sei. Nie sei eine strukturelle Lösung entwickelt worden. »Die Probleme explodieren jedes Jahr«, verteidigt Petro seinen angestrebten Wandel.

Besonders kritisch sieht er den ungleichen Zugang zum Gesundheitssystem, der immer noch abhängig von geografischer und sozialer Herkunft der Patienten sei. Auch das Fehlen eines präventiven Gesundheitssystems beklagt er. Der Staatsmann verspricht, mit der geplanten Reform ein gemeinsames System für alle – ob arm oder reich, Land- oder Stadtbevölkerung – zu schaffen. Zudem will er die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals verbessern, um die Qualität der Behandlungen zu erhöhen. Dies erfordere »das Ende der Schrottverträge« im kolumbianischen Gesundheitssystem. »Denn damit die Menschen gründlich behandelt werden können und nicht in drei Minuten, wenn sie Krebs haben, muss das Gesundheitspersonal sozial abgesichert sein und über angemessene Gehälter und stabile Arbeitsplätze verfügen, was heute nicht der Fall ist«, so das Staatsoberhaupt in seiner Erklärung an die Bevölkerung.

Seine Kontrahenten fühlen sich nicht nur von den anvisierten Gesetzesänderungen überrumpelt, sondern sehen darin vielmehr »die Zerstörung« eines bisher funktionierenden Regelwerks, wie auf einigen Protestplakaten zu lesen war. Ferner fürchten die Reformgegner eine radikale Umwälzung der kolumbianischen Staatsordnung. So wurde bei den Protesten mehrfach vom Wort »Diktator« Gebrauch gemacht. Solche Anschuldigungen konterte der Präsident teils ironisch in seiner Balkonansprache: »Sie nennen mich einen Diktator, obwohl wir unsere Arbeit in den Händen des kolumbianischen Kongresses belassen haben, wie es eine Demokratie erfordert.«

Die Spaltung zwischen Befürwortern und Gegnern der Reformen, zwischen Petristas und Opposition ist tief. Doch Petros Unterstützer im Kongress haben dank einer Mehrheitskoalition aus Parteien der Mitte und der gemäßigten Rechten gute Chancen, die Reformpläne durchzusetzen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.