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Verbündete gesucht
Russlands Verhältnis zu Nachbarstaaten wird schwieriger. Nun versucht Moskau, seinen Einfluss in Afrika auszubauen
Glaubt man Russlands Präsident Wladimir Putin, hat der Kreml mit seinem Krieg in der Ukraine ein lang gehegtes Ziel bereits erreicht. Die »Sonderoperation«, wie Russland seinen Krieg bezeichnet, bedeute den »kardinalen Bruch der amerikanischen Weltordnung«, sagte Putin bei einem Treffen mit der Duma-Spitze und den Fraktionsabgeordneten. Und gab sich siegesgewiss, »dass dieser Prozess nicht mehr aufzuhalten ist«, was der Westen anerkennen müsse. Das war Anfang Juli. Dabei scheint Moskau heute noch viel mehr als damals, zumindest durch die westliche Brille, international isoliert zu sein. Das Verhältnis zwischen Russland und einigen Nachbarstaaten ist zwar schwieriger geworden, es gibt aber keinen Bruch. Und der Kreml versucht, neue Partner zu finden.
Verliert Moskau seinen Hinterhof?
Eigentlich waren die Staaten der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) wie Kasachstan, Armenien oder Kirgistan ein sicherer Rückhalt für die Politik des Kremls. Im vergangenen Januar hatte die OVKS bei der Niederschlagung des Aufstands in Kasachstan bewiesen, dass sie Probleme gemeinsam lösen kann. Doch mit dem Krieg in der Ukraine scheint Moskau seinen Hinterhof zu verlieren. Ausgerechnet Kasachstan, äußerst dankbar für die Januar-Hilfe, verweigerte einen Monat später die Gegenleistung. Wie zahlreiche andere Staaten zeigte sich die Regierung in Astana schockiert über den Einmarsch und kam Moskaus Wunsch, die Volksrepubliken in Donezk und Luhansk anzuerkennen, nicht nach. Präsident Qassym-Schomart Toqajew versucht seitdem, sein Land zumindest für die Geschäftswelt als Alternative zu Russland zu positionieren und fährt einen zunehmend nationalistischen Kurs. Das spüren insbesondere die Russen, die vor dem Krieg geflohen sind und zunehmend Probleme bekommen.
Etwas überraschend beschloss die Regierung in Astana am 1. Februar, ihre Handelsvertretung in Russland zu schließen, um die Mitarbeiter in anderen Regionen einzusetzen. Dennoch bleibt Russland der mit Abstand wichtigste Handelspartner und der Steppenstaat ein wichtiges Drehkreuz für den grauen Import.
Unzufriedenheit über Moskaus ist in den vergangenen Monaten auch immer stärker aus Armenien zu hören. Dort stört man sich allerdings weniger am Krieg in der Ukraine als an der nachlassenden Unterstützung gegen die aserbaidschanische Aggression. Das ausrechnet die Europäische Union jetzt Beobachter an den seit zwei Monaten blockierten Latschin-Korridor schickt, dürfte Moskau nicht gefallen. Doch noch sollte man den Sekt in Brüssel nicht kaltstellen. Denn trotz allen Ärgers über Moskaus Passivität bleibt der Kreml Ansprechpartner Nummer eins. Auch weil viele Armenier die EU bisher nur als berichtschreibende Nichtstuer wahrgenommen haben. Hinzu kommt, dass Jerewan Moskaus Vorschlag zur Lösung des Konflikts favorisiert.
Afrikapolitik mit Medien und Militär
Noch ist es zu früh, Russlands wirtschaftliche und politische Architektur in den ehemaligen Sowjetrepubliken als gescheitert abzuschreiben. Doch auch in Moskau merkt man, dass man neue Partner braucht und streckt seine Fühler wieder verstärkt nach Afrika aus. Dort, so meinen westliche Beobachter, will man eine zweite Front im Kampf gegen den Westen errichten.
Ende Januar und Anfang Februar besuchte Außenminister Sergej Lawrow auf zwei Reisen sieben afrikanische Länder und empfing zwischendurch seinen ägyptischen Amtskollegen in Moskau. Die diplomatische Offensive produzierte eine Botschaft: Man ist immer noch eine Großmacht, die es mit den USA oder China aufnehmen kann, und ein Land, das auch jetzt noch über Mittel und Technologien verfügt, an denen ausländische Partner interessiert sind.
Dafür sprechen zumindest die Themen, die zu Jahresbeginn auf der Tagesordnung standen und sich von denen unterscheiden, die Lawrow bei seinem Besuch im Juli 2022 für wichtig empfand. Damals ging es in Ägypten, Kongo, Uganda und Äthiopien um »afrikanische Probleme« wie Nahrungsmittel- und Energiesicherheit, Integrationsprozesse auf dem Kontinent und große Infrastrukturprojekte mit russischer Beteiligung. Zu Jahresbeginn hingegen verabredete Russland mit Südafrika eine gemeinsame Marineübung Ende Februar. Weitere Themen waren der Ausbau der Zusammenarbeit im Hochtechnologiebereich sowie die Einführung einer eigenen Währung für die Brics-Staaten, denen jetzt auch Algerien beitreten will.
In den ostafrikanischen Staaten Sudan und Eritrea bemühte sich Lawrow vor allem um die militärische Zusammenarbeit und um Stützpunkte am Roten Meer. Moskau signalisiert: Man ist gekommen, um zu bleiben. Parallel dazu läuft eine massive Imagekampagne in sozialen Medien, und der Staatssender RT erzielt auf dem Kontinent immer größere Reichweiten. Russland schafft es, Menschen in Afrika seine Interpretation des Krieges näherzubringen, da es die Invasion in einen antiimperialistischen Diskurs einbindet und unter dem in Afrika verständlichen Label des nationalen Befreiungskampfs verkauft. Neu ist das nicht. Was hier geschieht, ist eine modifizierte Variante des sowjetischen Antikolonialismus. Dennoch hat Moskau damit mehr Erfolg, als dem Westen lieb sein dürfte. Das zeigen insbesondere die Abstimmungen in der UN-Vollversammlung, bei der sich viele Staaten nicht zu einer Verurteilung Russlands durchringen können.
Moskaus anderthalb Verbündete
Was Russland für seinen Krieg wirklich fehlt, ist starke politische Unterstützung. Selbst Indien und China, die westliche Sanktionen nicht mittragen, stärken Moskau nicht den Rücken. Unterstützung gibt es nur von Diktatorfreund Alexander Lukaschenko aus Belarus, der sich in die totale Abhängigkeit Moskaus begeben hat. Und dann ist da noch Nordkorea, das sich quasi selbst als Verbündeter ins Spiel brachte und zu den ganz wenigen gehört, die die Volksrepubliken in Donezk und Luhansk anerkannten. Waffen soll das Regime bereits geliefert haben, behaupten zumindest die USA. Eine wirkliche Freundschaftsbeziehung gebe es aber nicht, ist der Nordkorea-Experte Andrej Lankow überzeugt. Zwar freue sich Moskau über jeden Verbündeten, aber letztendlich sei der Kreml über Pjöngjangs Atomwaffenprogramm genauso besorgt wie der Rest der Welt und halte lieber Abstand, so Lankow im Interview mit der Nachrichtenplattform The Bell.
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