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Linke unterstützt Wagenknecht nicht
Keine Abgrenzung gegen rechts: Parteispitze distanziert sich indirekt von Manifest und Demo-Aufruf Wagenknechts und Schwarzers
Wer Ende nächster Woche, genau ein Jahr nach dem Überfall der russischen Truppen auf die Ukraine, seine Meinung zu diesem Krieg deutlich machen will, kann aus einem breiten Spektrum an Kundgebungen und Demonstrationen wählen. Bundesweit sind es Hunderte; allein in der Hauptstadt wurden bisher fast 20 Aktionen angemeldet.
Die derzeit mit Abstand größte Resonanz – in Zustimmung wie Ablehnung – erreicht das »Manifest für Frieden«, das die Linke-Abgeordnete Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer gemeinsam mit 69 Erstunterzeichnern veröffentlichten. Innerhalb weniger Tage schlossen sich im Internet rund 500 000 Menschen dem Aufruf an. Kritiker werfen den Initiatorinnen unter anderem vor, dass neben den Forderungen nach Waffenstillstand und Verhandlungen nicht auch der vollständige Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine verlangt wird. Für den 25. Februar rufen Wagenknecht und Schwarzer gemeinsam mit dem Ex-Bundeswehrgeneral Erich Vad zu einer Friedensdemonstration in Berlin auf.
Zustimmung und Kritik gab es auch in der Linkspartei. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) beispielsweise setzte sich in einer langen Erklärung kritisch mit Leerstellen in der Argumentation von Wagenknecht und Schwarzer auseinander. Der Linke-Vorstand rang seit Tagen um eine Position zu dem Wagenknecht-Projekt. Am späten Donnerstagabend veröffentlichte man dann nach einer Sondersitzung und Konsultation mit Sahra Wagenknecht eine Erklärung, in der es heißt, die Partei rufe »zu Protesten für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, gegen den Angriffskrieg Russlands sowie gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung auf«. Dabei sei klar, »dass Frieden und Antifaschismus zusammengehören: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus.«
In diesem Sinne hätten Rechte dabei keinen Platz. Russland müsse seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen, zugleich müsse die Bundesregierung die Eskalationsspirale durchbrechen und sich um zivile Alternativen bemühen. Dafür zu demonstrieren werden Linke-Mitglieder aufgerufen. Die Linke stehe »für eine Friedenspolitik, die Demokratie und Völkerrecht verpflichtet ist und sich klar gegen rechts abgrenzt«. Wagenknechts Kundgebung wird nicht ausdrücklich erwähnt, aber die Argumentation muss als zumindest indirekte Distanzierung davon verstanden werden. Das wiederum finden nun einige Linke-Gliederungen wie die Sozialistische Linke unverständlich; sie hatten eine deutliche Unterstützung der Kundgebung am 25. Februar durch die Linkspartei erwartet.
Dem Beschluss vorausgegangen war eine öffentliche Debatte um die Frage, ob die Linkspartei den Wagenknecht/Schwarzer-Aufruf unterstützen soll. Zu den 69 Erstunterzeichnern, die weitgehend einem linksliberalen Spektrum zugeordnet werden können, gehört kein Linke-Politiker. Allerdings hat etwa Gregor Gysi den Aufruf nach Veröffentlichung unterzeichnet.
Zu den Kritikpunkten an dem Aufruf zählt der Vorwurf, dass er sich inhaltlich nicht konsequent gegen rechte Positionen abgrenzt. Dass beispielsweise die Forderung nach einem russischen Truppenabzug aus der Ukraine fehle, mache den Aufruf anschlussfähig für Rechte und Rechtsextreme, hieß es. Man könne »Aufrufe so schreiben, dass Faschisten sie nicht unterschreiben können«, twitterte der stellvertretende Linke-Vorsitzende Lorenz Gösta Beutin.
Sahra Wagenknecht hatte dieser Tage in einem »Spiegel«-Interview erklärt: »Auf unserer Kundgebung ist jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren möchte.« Auf die Frage nach rechten Unterstützern des Aufrufs und der Demonstration, etwa durch AfD-Politiker und das rechtsextreme Magazin »Compact«, sagte sie, rechtsextreme Flaggen oder Symbole hätten dort nichts zu suchen und würden nicht geduldet.
In einem im Internet kursierenden Interview äußerte sich auch Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine. Zu der Frage, ob AfD-Wähler und -Politiker an der Demonstration teilnehmen können, sagte Lafontaine, ein Erstunterzeichner des Aufrufs, es gebe keine Gesinnungsprüfung oder Parteibuchkontrolle. Eingeladen seien alle, die Frieden wollen. Nicht gewollt seien etwa Reichsbürgerfahnen oder politische Propaganda »für abstruse Ziele«. Auf die Frage nach AfD-Politikern antwortete Lafontaine, der im letzten Jahr die Linkspartei verließ, nicht konkret.
Ein anderer Erstunterzeichner, der Politikwissenschaftler Johannes Varwick von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, zog inzwischen seine Unterschrift zurück. Er steht weiter zum Anliegen des Aufrufs, bezeichnet aber neben anderen Kritikpunkten »eine klare Distanzierung von denjenigen Unterstützern …, die man für nicht akzeptabel hält«, als notwendig. Der Gefahr, dass der Protest von Extremisten und Populisten instrumentalisiert wird, »müsste deutlicher widersprochen werden. Wer dies nicht tut, schadet auch der Sache des Manifestes.«
Varwick dürfte sich durch die Reaktion des rechtsextremen Publizisten Jürgen Elsässer bestätigt sehen. Der Chef des Rechtsaußen-Magazins »Compact« bejubelte eine »Sensation: Lafontaine nimmt Ausladung von AfD für die Wagenknecht-Kundgebung zurück«. Sein Fazit: »So kann die Querfront doch noch gelingen!«
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