Mit Musik den Bach hinunter

Seit 50 Jahren sprudelt in Bad Birnbach die Thermalquelle

  • Manfred Lädtke
  • Lesedauer: 4 Min.
In der Rottal-Therme Bad Birnbach kann man sich 105 Meter durch den Bach treiben lassen.
In der Rottal-Therme Bad Birnbach kann man sich 105 Meter durch den Bach treiben lassen.

Seien’s gsund und munter«, wünschen die Birnbacher auf dem Marktplatz, der ein bisschen ausschaut, als wäre er die XXL-Variante aus einem Modellbaukasten für Spielzeugeisenbahnen. Das niederbayerische Bad Birnbach ist überschaubar und wohltuend still. Ein Stück noch wenig entdecktes Altbayern. Weder so mondän noch so geschichtsträchtig wie in Tschechien Marienbad oder Karlsbad auf der anderen Seite der Grenze. Heiß sind im Rottal nicht die Nächte, das Thermalwasser dafür umso mehr. Und davon sprudelt seit 50 Jahren sehr viel.

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»Wer das Ortsschild passiert, kommt in ein ländliches Bad«, das seinen Landschaftscharakter als Bild- und Wortmarke hat eintragen lassen: Überall freie Sicht über eine betonfreie Hügellandschaft, die hinter Tälern, Golf- und Obstwiesen am Horizont mit dem Himmel ein Rendezvous feiert. An Abenden, wenn die Erde den untergehenden glutroten Sonnenball wie in einem Heimatfilm scheinbar verschluckt, ist der »Sonnenhügel« der aussichtsreichste Logenplatz. In Bad Birnbach ist das als Event genug und lässt die Besucher der Rottal Terme (ganz italienisch ohne »h«) sogar über die eher schmucklose Zweckarchitektur des Kurareals hinwegsehen, die sich andererseits wohltuend der bäuerlichen Kulturlandschaft unterordnet. Immerhin genießt der Badegast selbst dann einen Weitblick, wenn er in der »fluoridhaltigen Natrium-Hydrogencarbonat-Chlorid-Terme« den Bach runtergeht: in Europas mit 105 Meter langen erstem und längstem Thermenbach. Und da ist Musik drin.

Im Jahr 1939 strebte auf dem heutigen Gesundheitspark nur ein monströser Bohrturm zu Höherem. Statt Erdöl sprudelte Wasser. Wie sich erst Jahrzehnte später herausstellte, heilendes Nass gegen Rheuma und Arthrose, Gelenkbeschwerden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Denn zunächst wurde das Bohrloch erst einmal wieder dichtgemacht. Erst Anfang 1973 ging ein Suchtrupp erneut auf Tauchstation. Auf einer Wiese am Flüsschen Rott standen Männer um eine Badewanne herum, in die sich in pulsierenden Stößen dampfend heilkräftiges Wasser ergoss. Das Thermalwasser aus 1618 Meter Tiefe war 70 Grad heiß und für das 1200 Jahre alte Dorf der Ritterschlag zum »Heilbad«. Zunächst aber mussten die Bürger klären, was tun mit dem Geschenk der Natur? Und wie kleiden wir es ein? Was im Rottal zwischen Altbayern, Oberösterreich und Böhmen an auslaufender Wirtschaftswunderarchitektur oder in den böhmischen Bädern an sozialistischen Funktionalbauten entstanden war, taugte nicht für die kleine Marktgemeinde. Also blieb die Kirche im Dorf und es entstand ein ländliches Bad. Still dampft es vor sich hin, taucht Gesundgarten, Erholungsbad und Vitarium in geheimnisvolle Schleier.

Im Vitarium dösen Urlauber in Schaukelstühlen, lesen oder träumen. Über die Badelandschaft draußen vor der Tür fächelt der Wind. Die Augen sehen den grauen Winterwolken nach und wandern über Hügelketten und Wiesen oder zu den Baumriesen im weitläufigen Park. Bevor Corona alle Wasserleitungen verschloss, haben jedes Jahr rund 130 000 Gäste auf der 2400 Quadratmeter großen Heilwasserfläche relaxt. Mit 31 Thermalwasserbecken und Bayerns größtem Vitarium für gesundheitsbewusste Nackedeis muss Bad Birnbach, anders als die hin- und wieder in Kristallsauna, Whirlwanne oder in der Salzgrotte aus Himalayasalzstein relaxenden Fußballprofis, keine Abstiegsangst haben.

»G’fallt’s Ihnen?«, erkundigt sich die Empfangsdame. Mal sehen! In 33 Grad wohlig warmem Wasser lassen sich Gäste in einer leichten Strömung unter freiem Himmel durch den 105 Meter langen Thermenbach dahintreiben. Das senkt den Puls und killt den Stress. Wie ein Minifluss windet sich der Bach durch das Gelände. Haltestellen sind an Wasserfällen und Massagedüsen. Bei Dunkelheit sieht der »Lazy-River« aus, als wären Nordlichter in sein Wasser gefallen. Violett, rosa, gelb und blau leuchtet der Bach. Im Musikpavillon gesellen sich zum Farbenspiel Melodien, die auf speziell geformten Liegen sogar unter Wasser zu hören sind. Das wohlige Dahingleiten im »Hot Spot« der Therme beschleunigt zwar nicht die Heilung von Wehwehchen, dafür aber den Spaßfaktor beim Kuren ganz erheblich.

Gaumenfreuden verspricht indes ein anderes altbayerisches Kulturgut in Bad Birnbach – die Rottaler Küche. Alte Rezepte, einst wuchtig und fett, inszeniert der Küchenchef im Gasthof Wasner heute auch leicht und mediterran. Trotzdem ist das zuckersüße Rammerl aus der Pfanne noch immer ein richtiges Schmankerl, das man mit den spitzen Gabelzinken gerne aus der Pfanne kratzt und zwischen den Zähnen krachen lässt.

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