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»Bei der WM wollen wir noch mehr«
Fußballerin Lina Magull über die WM im Sommer, harte Kritik vor dem letzten Turnier und Vergleiche mit Männern
Das Länderspieljahr beginnt für die deutschen Fußballerinnen an diesem Dienstag mit einem Freundschaftsspiel gegen die Schwedinnen, für das in Duisburg schon fast 18 000 Tickets verkauft sind. Die Partie wird um 18.15 live im ZDF ausgestrahlt, dazu hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Besuch angekündigt. Hat sich die Hartnäckigkeit ausgezahlt, mit der auch Sie mehr Aufmerksamkeit eingefordert haben?
Lina Magull ist gebürtige Dortmunderin. Sie zog bereits in jungen Jahren ins Mädcheninternat der Sportschule Kaiserau, um sich den Traum vom Profifußball zu erfüllen. Vor ihrem Wechsel nach München spielte die 68-fache Nationalspielerin für den SC Freiburg und den VfL Wolfsburg. Mit 28 hat sie sich als Leistungsträgerin im deutschen Nationalteam etabliert. Die Kapitänin vom FC Bayern war als spielstarke Mittelfeldspielerin eine Stütze bei der Europameisterschaft in England, wo sie als dreifache Torschützin auch den Ausgleichstreffer im Finale erzielte.
Das ist alles in allem eine sehr positive Entwicklung. Es zeigt sich, dass zu solch einer Anstoßzeit mehr Leute ins Stadion kommen können. Wir haben im Sommer bewiesen, welche Qualität bei uns vorhanden ist. Dass wir danach auch die Zuschauer mit unserem Freundschaftsspiel gegen Frankreich (2:1 in Dresden im Oktober vergangenen Jahres, Anm. d. Red.) begeistern konnten, ist schön zu sehen. Ich hoffe, dass bis Dienstag noch ein paar mehr Karten verkauft werden, mich reißt ein volles Stadion mit. Und natürlich ist es schön, dass der Bundeskanzler seinen Besuch angekündigt hat.
Wenn Sie gegen Schweden antreten, wird das Viertelfinale der WM 2019 noch mal präsent, als Sie damals gegen diesen Gegner das sehenswerte Führungstor erzielt haben, doch am Ende war Deutschland ausgeschieden. Wie oft haben Sie danach Albträume gehabt?
Albträume nicht, aber natürlich sind positive wie negative Erinnerungen damit verbunden. Mein schönes Tor war letztlich nichts wert, weil wir nicht weitergekommen sind. Das war sehr ärgerlich. Wir haben damals nach einer kontrollierten ersten Halbzeit den Faden verloren. Ich glaube, dass wir dreieinhalb Jahre später deutlich weiter sind.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat danach vieles hinterfragt und auch aus dem Team kamen viele Impulse.
Es war wichtig, dass wir uns alle nach diesem Negativerlebnis kritisch hinterfragt haben. Es war ein längerer Prozess, die exakten Probleme herauszufiltern. Inzwischen sind wir eine Nation, gegen die andere Teams nicht gerne spielen.
In der Dokumentation »Born for this« wird gezeigt, dass Sie nach einer harten Ansprache des damaligen Co-Trainers Thomas Nörenberg wenige Monate vor dem EM-Start geweint haben.
Ich bin halt ein emotionaler Mensch. Der Fußball bedeutet mir sehr, sehr viel – wenn er für mich derzeit sogar nicht das Wichtigste ist. Wenn man dann hart kritisiert wird, obwohl man immer versucht hat, sein Bestes zu geben, nimmt das einen mit. Die Liebe zum Fußball lasse ich mir nicht absprechen. Letztlich hat dieser Warnschuss uns aber gut getan, denn ohne offene Kritik entwickelt man sich nicht weiter.
Die Bundestrainerin scheint auch sehr offen für Verbesserungsvorschläge.
Das wird bei uns sogar eingefordert. Wir haben mittlerweile einen regelmäßigen Austausch zwischen Spielerinnen und vor allem Mannschaftsrat und Trainer*innenteam. Dieses Feedback ist für beide Seiten wichtig. Letztlich müssen wir auf dem Platz performen.
Wann und wie sind Sie zur Führungsspielerin geworden?
Als ich 2018 zum FC Bayern gewechselt bin, lief es anfangs etwas holprig. Ich hatte das Gefühl, ich müsste mich immer mehr beweisen. Mir hat geholfen, dass ich in Wolfsburg von erfahrenen Spielerinnen lernen, in Freiburg danach befreit aufspielen konnte. Im Laufe der vergangenen drei, vier Jahre konnte ich mich dann auch im Nationalteam immer mehr zur Führungsspielerin entwickeln.
Haben Sie als Dortmunderin inzwischen auch die bayerischen Bräuche angenommen?
Ich bin das fünfte Jahr in München: Es ist schon meine Heimat geworden und ich habe mittlerweile einen engeren Bezug als zu allen anderen Städten vorher. Verein und Stadt bieten ein tolles Gesamtpaket.
Und bis Borussia Dortmund in der Frauen-Bundesliga spielt, dauert es noch ein bisschen …
… das dauert leider noch zu lange (lacht). Aber schön ist, dass sie diesen Weg eingeschlagen haben.
Bei der EM in England war das Mittelfeld ein deutsches Prunkstück: Lena Oberdorf, Sara Däbritz und Sie. Das war eine fast perfekte Mixtur aus kämpferischen, spielerischen und läuferischen Qualitäten. Wo soll da Dzsenifer Marozsan spielen, wenn sie nach ihrem ausgeheilten Kreuzbandriss bald ins Nationalteam zurückkehrt?
Es ist nichts Neues, dass es im zentralen Mittelfeld einen großen Konkurrenzkampf gibt. Über eine Rückkehr von Dzsenifer Marozsan freue ich mich, weil sie über enorme Qualitäten verfügt und eine starke Persönlichkeit ist. Ich sehe mich deswegen aber in keiner schlechteren Position. Ich bin gefordert, meine Leistung zu bringen. Wenn ich noch an Linda Dallmann, Sydney Lohmann, Lena Lattwein oder Sjoeke Nüsken denke, haben wir eine Topauswahl mit guten Spielerinnen.
Die WM in Australien und Neuseeland wird noch einmal eine ganz neue Herausforderung. Weite Reisen, anderes Klima, anfangs unbekannte Gegner. Wie viel mehr braucht es, um den Titel zu holen?
Ich freue mich wirklich sehr auf diese WM, weil Australien und Neuseeland dieses Turnier groß aufziehen werden. Mit einer großen Begeisterung in den Stadien, was wir hoffentlich auch nach Deutschland vermitteln können. Wir wollen mehr erreichen als bei der EM, aber heute ist es schwer, genau zu sagen, was es noch mehr braucht, um den Titel zu holen. Da haben wir zum Glück noch ein bisschen Zeit.
Haben Sie das Gefühl, Sie müssen als Nationalteam nach der verkorksten WM der Männer die angekratzte Ehre des deutschen Fußballs retten?
Das glaube ich nicht. Wir möchten diesen Vergleich auch nicht. Wir konzentrieren uns auf uns. Es wäre schön, wenn beide Nationalteams die volle Unterstützung bekommen.
Wie aber kann es passieren, dass die einen bei der EM in England (fast) alles richtig und die anderen bei der WM in Katar (fast) alles falsch machen? Taten Ihnen die Männer etwas leid?
Ich stelle es mir als Nationalspieler tatsächlich schwierig vor, es irgendwie allen recht zu machen. In erster Linie wollen wir uns auf die fußballerische Leistung konzentrieren, auf der anderen Seite wurde erwartet, dass sie sich zu politischen Themen äußern. Es ist als Spieler dann nicht so einfach, die richtige Balance zu finden. Ich bin auch ein Fan davon, als Sportler und Sportlerin zu gewissen Themen seine Meinung zu äußern, aber manche Themen sind wirklich sehr komplex.
Haben Sie sich dazu mal mit den Nationalspielern vom FC Bayern austauschen können? Sie waren ja im Januar im selben Trainingslager in Doha.
Es gab in Katar eine Challenge, bei der ich mit Serge Gnabry gegen Carolin Simon und Joshua Kimmich gegeneinander Fußball-Tennis gespielt habe, aber wir haben da nicht explizit drüber gesprochen. Zu dem Zeitpunkt wollten sie sich auch wieder um den Verein kümmern, deshalb war es kein Thema.
Die Frauen des FC Bayern tragen ihr Viertelfinale der Champions League gegen Arsenal London am 21. März in der großen Münchner Arena aus. Es ist dort das dritte Spiel, das erste Mal gegen Paris waren 13 000 Besucher da, gegen Barcelona schon 24 000. Was erhoffen Sie sich jetzt für einen Zuspruch?
Ich hoffe immer, dass es noch mehr Menschen ins Stadion zieht. Es ist toll, dass wir diese Möglichkeit bekommen. Eine tolle Unterstützung hilft uns, einen internationalen Topklub zu besiegen. Das ist für uns das nächste tolle Highlight.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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