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Weniger Verkehrstote, höhere Bußgeldeinnahmen
Innenminister Stübgen präsentiert die Unfallbilanz 2022
Er könne auf »mehr Licht als Schatten« verweisen, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), als er am Montag in Potsdam die Verkehrsunfallbilanz 2022 präsentierte. Demnach bezahlten im vergangenen Jahr 112 Menschen ihre Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Leben. Das waren noch einmal 15 weniger als im Jahr zuvor. Das sei »der niedrigste Stand aller Zeiten«, freute sich der Minister. Damit setzt sich eine jahrzehntelange positive Tendenz fort. Im Zuge der deutschen Einheit 1990 kamen schnelle Westautos und eine zuvor nicht gekannte Rücksichtslosigkeit auf die Straßen, die Zahl der Verkehrstoten stieg auf fast 1000 und hatte sich damit vervierfacht. In den folgenden drei Jahrzehnten sanken die Todeszahlen wieder.
Mit Genugtuung verwies Stübgen darauf, dass diese positive Entwicklung in Brandenburg gegen den Bundestrend verlaufe. Bundesweit war 2022 ein Plus von neun Prozent bei den Verkehrstoten zu verzeichnen. Während bundesweit außerdem die Zahl der Verkehrsunfälle um vier Prozent zunahm, sank sie in Brandenburg um 1,5 Prozent auf rund 71 400. Die Zahl der bei Unfällen Verletzten erhöhte sich im Bundesmaßstab um neun Prozent, in Brandenburg um 4,8 Prozent auf 10 540. Mit Abstand die meisten Unfälle ereigneten sich innerhalb von Ortschaften. Dabei ging es jedoch meist relativ glimpflich ab. Die Zahl der Unfälle außerhalb geschlossener Ortschaften nahm in Brandenburg um 5,7 Prozent ab, auf Autobahnen um vier Prozent. Doch waren diese Unfälle aufgrund der höheren Geschwindigkeit der Fahrzeuge in der Regel gefährlicher.
Die positive Entwicklung hängt nicht etwa damit zusammen, dass auf den Straßen weniger Fahrzeuge unterwegs wären. Auch die deutliche Zunahme der Spritkosten bewirkte nach Stübgens Angaben keine Verringerung der Fahrkilometer und keine nachhaltige Verringerung der Fahrgeschwindigkeit. »Dass die Menschen langsamer, also sparsamer gefahren sind, hielt nur ein paar Wochen an«, erklärte er und verglich diese Tendenz mit der Erhöhung der Tabaksteuer. Eine vergleichsweise kurze Zeit werde weniger geraucht, dann pendle sich der
Verbrauch auf den Stand vor der Preiserhöhung ein.
Wieder zugenommen hat die Zahl der Verkehrstoten aufgrund von Alkohol oder Drogen am Steuer (von fünf auf elf) und wegen gefährlichen Überholens (von 10 auf 17). Überhöhte Geschwindigkeit ist nach wie vor Hauptursache für Verkehrsunfälle. Die deutliche Zunahme der
Zahl der Schulwegunfälle gegenüber dem Vorjahr führte Polizeipräsident Oliver Stepien auf die Lockerung der Corona-Maßnahmen und die Tatsache zurück, dass Kinder wieder regelmäßig zur Schule gegangen seien. Leider sei im Vorjahr ein 13-jähriger Schuljunge an einem unbeschränkten Bahnübergang ums Leben gekommen.
Senioren im Alter von über 65 Jahren machen in Brandenburg ein Viertel der Bevölkerung aus. Entsprechend ihres wachsenden Anteils an der Gesamteinwohnerschaft stieg die Zahl ihrer Beteiligung an Verkehrsunfällen von 16 300 auf 17 300. Die Zahl der dabei verletzten älteren Menschen wuchs binnen eines Jahres von 1720 auf 1900. Aber glücklichttps://www.nd-aktuell.de/artikel/1133283.mehr-verkehrsunfaelle-und-mehr-verletzte.html?herweise sank die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Senioren von 45 auf 33. Häufiger als zuvor geschahen Unfälle mit Radfahrern. Jeder vierte Verletzte im Straßenverkehr sei ein Radfahrer, bestätigte Staatssekretär Rainer Genilke (CDU). Laut Minister Stübgen ist ein Zusammenhang mit einer wachsenden Zahl schneller Elektrofahrräder naheliegend.
Bei Kontrollen ermittelte die Polizei 1,25 Millionen Verstöße gegen Tempolimits, 7140 Verstöße gegen die Gurtpflicht und 6900 Fälle, in denen sich Verkehrsteilnehmer nicht an die Vorfahrtsregeln hielten oder rote Ampeln missachteten. Ein Schaden für den Landeshaushalt war es nicht: Rund 58 Millionen Euro Bußgelder nahm der Staat bei den Verkehrssündern ein, vor fünf Jahren waren es noch 40 Millionen Euro gewesen. Der Zuwachs hängt mit einem veränderten Bußgeldkatalog zusammen. Wer erwischt werde, dem werde deutlich mehr Geld abverlangt als früher, erläuterte Polizeipräsident Stepien.
Aber ist es nicht ungerecht, wenn eine alleinstehende Mutter mit zwei Kindern und einem mittleren Gehalt die gleiche Summe Bußgeld bezahlen muss wie jemand, der 7000 Euro im Monat verdient? Es gibt in Europa Staaten, bei denen die Höhe der Strafe vom Einkommen abhängt. Das sei beispielsweise in der Schweiz so, bestätigte Stübgen. So etwas in Deutschland einzuführen, wäre aber Sache des Bundestags.
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