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Russland sorgt für Flaute im Hamburger Hafen
Der Hamburger Hafen verliert auch auf Grund des Krieges in der Ukraine beim Containerverkehr
Krisen prägten im vergangenen Jahr den Umschlag in Deutschlands größtem Hafen. Die Hamburger Terminals schlugen 119,9 Millionen Tonnen an Seegütern um. Das entspricht einem Minus von 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Etwas weniger stark brachen die Containerverkehre ein. 8,3 Millionen Twenty-foot Equivalent Units (TEU) seien über die Kaikanten gegangen, sagte der Chef von Hafen Hamburg Marketing, Axel Mattern, am Montag. Dabei entspricht ein TEU einem 20-Fuß-Standardcontainer. Damit wurden am Hamburger Hafen im vergangenen Jahr 5,1 Prozent weniger Container umgeschlagen als 2021. Indes hatte sich der Containerumschlag noch im ersten Halbjahr 2022 positiv entwickelt. Doch dann brach er im zweiten Halbjahr und insbesondere im vierten Quartal mit minus 12,3 Prozent geradezu ein. Eine wichtige Rolle spielte dabei Russland.
War das Land im Vorjahr noch auf dem vierten Platz unter den Partnerländern des Hafens, so liegt das Land mit einem minimalen Umschlag von rund 80 000 TEU jetzt nur noch auf Rang 27. Der Hamburger Hafen war nach dem Ende der Sowjetunion zu Russlands Tor zum Welthandel geworden. Über die Elbe kommen selbst die größten Frachter aus China und Südostasien an, deren Ladung auf kleinere Feederschiffe umgeladen und über die Ostsee nach Ust-Luga, Primorsk oder Sankt Petersburg verschifft wird, und umgekehrt. In der Rangliste des Hamburger Hafens rangierte Russland seit den 90er Jahren regelmäßig um Rang fünf. Dies ist seit den EU-Sanktionen wegen des Angriffs auf die Ukraine vorbei. Gleichzeitig belastet der Krieg mittelbar den Handel mit anderen mittel- und osteuropäischen Staaten, die teils per Schiff wie Estland, teils per Bahn wie Tschechien oder Ungarn versorgt werden.
Neben dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Sanktionen gegen Russland wirkten sich auch die weltweiten Probleme in den Lieferketten negativ auf den Umschlag des Hamburger Hafens aus. Coronabedingte Schiffstaus vor chinesischen Häfen führten zu überlasteten Lagerflächen an der Elbe, da die Container nicht abtransportiert werden konnten. »Hinzu kamen zu Beginn der zweiten Jahreshälfte Arbeitskämpfe im Hafen und im Verlauf des Herbstes eine sehr hohe Inflation, die die Kauflaune der Konsumenten auf einen Tiefpunkt fallen ließ«, erläuterte Mattern. Zudem bremsten die gestiegenen Energiekosten und hohe Lagerbestände der Industrie den Umschlag.
Die Krise spüren auch die beiden traditionellen Konkurrenten Hamburgs. In Rotterdam belief sich der Rückgang im Containerverkehr in den ersten neun Monaten auf 4,4 Prozent. »Infolge der Sanktionen kam der Containerverkehr zwischen Russland und Rotterdam fast vollständig zum Erliegen«, meldete der niederländische Hafenbetrieb. Antwerpen musste im vergangenen Jahr ein Minus von 5,2 Prozent verkraften.
Hamburg litt zeitweise auch unter den Folgen der jüngsten, erst Anfang 2022 abgeschlossenen Fahrrinnenanpassung. Das sogenannte Sedimentmanagement bereitete der zuständigen öffentlichen Verwaltung Hamburg Port Authority (HPA) Probleme. So bot eine breite Begegnungsbox, in der sich eigentlich zwei ganz dicke Pötte begegnen können, zu wenig Tiefgang. Der HPA gehören fast sämtliche Hafengrundstücke – Terminalbetreiber wie die HHLA oder eines Tages vielleicht die chinesische Cosco sind lediglich Mieter – und sie ist für Hafenbetrieb und die Unterhaltung der Infrastruktur zuständig. Zusammen mit der Wasserstraßenverwaltung des Bundes sorgt die HPA dafür, dass die Elbe und die Deutsche Bucht schiffbar und sicher bleiben. Die Arbeit der Behörde von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kritisierte Mattern als »Katastrophe«. Sie sei mangels Personal vollkommen überlastet.
Schiffe der Megamax-Klasse mit über 18 000 TEU haben Hamburg im vergangenen Jahr dennoch insgesamt 234 Mal angelaufen. Damit stieg deren Zahl um sechs Prozent. »Die zunehmende Zahl der Megamax-Containerschiffe zeigt eindeutig, dass die Fahrrinnenanpassung auch mit einer vorübergehend verminderten Tiefe weiter angenommen wird. Die Reedereien haben sich schnell an die neuen Bedingungen angepasst«, sagte Mattern. So legten auch die Anläufe der zweitgrößten Kategorie deutlich zu, während bei kleineren Schiffsgrößen die Anläufe um 16,6 Prozent zurückgingen.
Die Branche blickt trotz aller Ungewissheiten verhalten optimistisch in die Zukunft. »Der globale Handel nimmt zum Jahresbeginn an Fahrt auf und könnte vor einem längeren Aufschwung stehen«, bestätigte Timo Hoffmann, Konjunkturforscher am Kiel-Institut für Weltwirtschaft. Der monatlich erhobene »Kiel Trade Indicator« zeige in seinem jüngsten Update deutlich positive Werte für den Warenaustausch im Januar. Dies werde insbesondere den europäischen und auch den deutschen Außenhandel beflügeln. Ab Mitte des Jahres erwartet Mattern auch für den Hamburger Hafen »eine deutliche Stabilisierung der Verkehre«. Bis dahin bleibt die Repräsentanz des Hafens in St. Petersburg »auf stumm geschaltet«. Das Büro beobachte aber weiter den russischen Markt.
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