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Wagenknecht und Schwarzer: Linke streitet um Aktionen für Frieden
Linke-Bundesgeschäftsführer geht explizit auf Distanz zu Wagenknecht-Schwarzer-Demo-Aufruf
Seit gut einer Woche brodelt es in der Linkspartei. Viele an der Basis wollen am kommenden Samstag nach Berlin fahren, um an der Kundgebung für Frieden in der Ukraine und für eine diplomatische Initiative Deutschlands teilzunehmen, zu der die Linke-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht und die Publizistin Alice Schwarzer in ihrem »Manifest für Frieden« aufrufen. Das Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz war bis zum Montagabend von 570 000 Menschen unterzeichnet worden.
Am vergangenen Donnerstag hatte der Linke-Bundesvorstand einen Beschluss zum ersten Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine veröffentlicht. Diesen hatten viele Parteimitglieder als ein Herummogeln um eine klare Positionierung empfunden. Zur Beteiligung von Genoss*innen an Kundgebungen hatte es darin geheißen, man rufe für das kommende Wochenende »zu Protesten für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, gegen den Angriffskrieg Russlands sowie gegen das Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung auf«. Dabei müsse klar sein, dass Rechte »hier keinen Platz« hätten.
Letzteres kann als ein Abraten von einer Beteiligung an der Wagenknecht-Schwarzer-Kundgebung gelesen werden. Denn Erstunterzeichner Oskar Lafontaine hatte am Donnerstag in einem Video-Interview gesagt, dass auch AfD-Wähler bei der Demo »willkommen« seien, sofern sie keine rechten Parolen auf Plakaten zeigten. In Bezug auf AfD-Politiker äußerte sich Lafontaine ausweichend.
Dagegen wurden Mitglieder der Parteispitze nun deutlicher. Bundesgeschäftsführer Tobias Bank sagte am Montag vor Journalisten in Berlin mit Blick auf das »Manifest für Frieden« und dessen Demo-Mobilisierung: »Diesen Aufruf haben wir uns als Parteivorstand nach intensiver Beratung nicht zu eigen gemacht.« Er begründete dies insbesondere mit einer fehlenden Abgrenzung des Aufrufs und seiner Initiatorinnen gegenüber der extremen Rechten, aus deren Reihen die geplante Kundgebung am Brandenburger Tor »massiv beworben« werde.
Zudem betonte Bank, Die Linke stehe »zum Selbstverteidigungsrecht der Ukrainer und fordern den sofortigen Rückzug der russischen Truppen«. Diese Formulierung findet sich bereits im Vorstandsbeschluss. Im Manifest, monierte Bank, fehle die Forderung nach dem russischen Abzug.
Der Kovorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, erklärte auf nd-Nachfrage, der Vorstand rufe dazu auf, »linke Friedenspolitik bundesweit und vielfältig in die Öffentlichkeit zu tragen: Russland muss seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen.« Zugleich müsse die Bundesregierung »die Eskalationsspirale durchbrechen«. Zivile Alternativen zur Militarisierung seien »dringend notwendig«. Empfehlungen, an welcher Demo Genoss*innen teilnehmen sollten, gebe man nicht, so Schirdewan: »Unsere Mitglieder sind politisch mündige Menschen, die selbst entscheiden können, auf welchen Veranstaltungen sie unsere gemeinsame Haltung vertreten.«
Geschäftsführer Bank kritisierte zudem den militärischen »Tunnelblick« der Bundesregierung – und drängte darauf, dass sie diplomatische Initiativen unternimmt, um Russland »an den Verhandlungstisch zurückzubringen«, etwa gemeinsam mit China oder dem brasilianischen Präsidenten Lula da Silva. Zudem wandte sich Bank gegen die Forderung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nach einer weiteren Erhöhung des Wehretats: »Man hat das Gefühl, dass die Rüstungslobby als Dauermieter im Verteidigungsministerium eingezogen ist.«
Am Freitag veröffentlichten Gruppen aus sechs Bundesländern, die sich als »linke oppositionelle Zusammenschlüsse in der Partei Die Linke« bezeichnen, eine Erklärung, in der sie zur Teilnahme an der Wagenknecht-Kundgebung aufrufen – und Unverständnis über den Vorstandsbeschluss äußern. Wer ein Friedensmanifest, das von Linken und Linksliberalen, von der Theologin Margot Käßmann und dem einstigen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Günter Verheugen, unterstützt werde, »mit dem Vorwurf der Nähe zu Faschisten zu diskreditieren« versuche, habe die Notwendigkeit von breiten Bündnissen gegen den Krieg nicht verstanden.
Unterdessen wurde auf der Petitionsplattform des zivilgesellschaftlichen Kampagnennetzwerks Campact am Freitag ein »Manifest gegen das Manifest« veröffentlicht, das bis zum Montagnachmittag knapp 6300 Menschen unterzeichnet hatten. Darin heißt es: »Wagenknecht und Schwarzer geben 1:1 die Propagandalügen von Putin wieder. Sie schüren, genau wie der Kreml, Ängste vor einem Atomkrieg. Beides ist absoluter Unsinn!« Die Petition soll samt Unterschriften am Freitag, dem Jahrestag des Kriegsbeginns, an die Botschaft der Ukraine übergeben werden. Wagenknecht und Schwarzer werden darin als »Totengräberinnen der Ukraine« bezeichnet.
Das Campact-Team selbst lehnt das Manifest als rechtsoffen ab und ruft zur Teilnahme an der Großdemonstration auf, die die ukrainische Diaspora-Organisation Vitsche und das von dem früheren Grünen-Politiker Ralf Fücks gegründete Zentrum Liberale Moderne für Freitagnachmittag, den Jahrestag des Kriegsbeginns, in Berlin angemeldet haben. Auf der Abschlusskundgebung am Brandenburgwerden Politiker von CDU und Grünen sprechen, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll per Video zugeschaltet werden.
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