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Gegen den Machtmissbrauch
Veronika Dräxler und Patrick Banfield präsentieren Ausstellung gegen sexistische Machtstrukturen in Galerie
Es riecht nach Wald und so fühlt sich der sanfte Tritt auf dem Rindenmulch auch an. Auf dem Boden liegen Äste, daneben stehen aus Holz gebaute Jagdsitze und ein Baum. Rundherum hängen Tarnnetze, zusammen mit der dunklen Beleuchtung und der Geräuschkulisse aus Herzschlägen und tiefen Stimmen schaffen sie eine unbehagliche Atmosphäre. Videoinstallationen mit Naturbildern und Gruselerzählungen verstärken den Eindruck der Bedrohung, die in der Waldidylle schlummert. »Das Hauptelement ist das Tarnen der Gewalt. Diese Gewalt wollen wir sichtbar machen, aus weiblicher und aus männlicher Sicht«, erklärt Medienkünstlerin Veronika Christine Dräxler, die die Ausstellung »Chapters of Violence: Power and Control« (deutsch: Kapitel der Gewalt: Macht und Kontrolle) zusammen mit dem Videokünstler Patrick Alan Banfield erschaffen hat.
»Toxische Männlichkeit existiert versteckt, im Privaten und in Institutionen«, so Dräxler bei der Eröffnung der Ausstellung am vergangenen Donnerstag zu »nd«. Anlass zum gemeinsamen Kunstprojekt von Dräxler und Banfield gaben genau diese gefährlichen Machtstrukturen, die vor etwa zweieinhalb Jahren zu einem »Zwischenfall« der Künstlerin mit dem damaligen Leiter der Galerie führten. Dräxler möchte den Fall nicht im Detail ausführen und auch keine Namen nennen, denn es seien institutionelle Machtstrukturen und keine Einzelfälle, unter denen Frauen leiden: »Gegen Männer hetzen – das passt mir nicht.«
Gleichwohl erwarte sie von Männern, sich selbstkritisch mit diesen Strukturen auseinanderzusetzen, so Dräxler. Sie müssten ihre eigenen Wunden heilen, anstatt ihre Wut an Frauen auszulassen, was allzu oft gewaltvoll passiere. Und: »Wenn Menschen in den Machtpositionen nichts Besseres zu tun haben, als Kunst zu ruinieren, dann gehören sie nicht hier hin. Dann müssen wir uns von ihnen trennen«, sagt die Künstlerin mit Blick auf ihre eigenen Erfahrungen in der Galerie Weißer Elefant. Um diese aufzuarbeiten, habe sie bewusst den Dialog mit der männlichen Perspektive gesucht – und im Videokünstler Banfield den richtigen Partner für das Kunstprojekt gefunden. »Patrick setzt sich eben tatsächlich mit seinen eigenen Wunden auseinander«, so Dräxler. Beide teilten außerdem eine Vorliebe für das Verschwimmen der Grenze zwischen Realität und Fiktion, für Tarnmuster und tote Vögel.
Patrick Banfield beschäftigt sich schon seit sechs Jahren mit dem Thema Männlichkeit aus der eigenen privilegierten Perspektive als weißer cis-Mann – also als Mann, dem bei seiner Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde. »Man muss sich als Mann mit seinen eigenen Gefühlen und Emotionen auseinandersetzen«, sagt er. Dazu gehört für ihn auch, »die Hosen runterzulassen«, wie er zu »nd« sagt. Das passiert in seiner und Dräxlers Ausstellung nicht nur sinnbildlich.
Banfield steht, als er das erzählt, in der »Man Cave«, der Männerhöhle also. In diesem Raum der Ausstellung werden Aspekte toxischer Männlichkeit im Privatleben dargestellt. Unter anderem befinden sich darin ein herausgeputzter Gaming-PC und Fitnessgeräte. An der Wand hängt ein Bild vom Künstler selbst – nackt, sich selbst im Badspiegel fotografierend und dabei einen Körperausschnitt vom Kopf bis zu den Hüftknochen abbildend.
Für Banfield selbst bedeutet die Auseinandersetzung mit seinen Gefühlen auch, seine eigene traumatische Vergangenheit zu verarbeiten. Er selbst habe in seiner Jugend Gewalterfahrungen durchmachen müssen, die sein Selbstwertgefühl beschädigt hätten. »Auch so entsteht toxische Männlichkeit«, sagt der Künstler.
Wozu diese toxische Männlichkeit schlimmstenfalls führen kann, stellt der gegenüberliegende Raum dar. Auf dem Boden ein Körperumriss aus weißem Klebeband, wie man ihn von Tatorten in Kriminalfilmen kennt. Der Boden blutverschmiert, von der Decke hängen eine Pistole, eine Schere, ein Stock – Gegenstände, die in verschiedenen Stufen zur Gewaltausübung verwendet werden können. Der Raum stellt die Folgen eines Femizids – tödlicher Gewalt an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts – dar, sagt Banfield. Es ist seiner Meinung nach der theatralischste Teil der Ausstellung.
Die Ausstellungseröffnung ist gut besucht, die Gäste schieben sich dicht gedrängt aneinander vorbei von Raum zu Raum, dabei haben viele Sektgläser in der Hand. Ab und zu knallt ein Korken. Unter den Anwesenden ist auch Doris Liebscher. »Ich feiere dich dafür, dass du gekämpft hast, dass du dir diesen Raum nicht hast nehmen lassen und ihn in einen feministischen Raum verwandelt hast«, so Liebscher in einer Rede zur Eröffnung der Ausstellung zu Veronika Dräxler. Als Leiterin der Ombudsstelle des Landesantidiskriminierungsgesetzes ist Liebscher mit dem Vorfall zwischen der Künstlerin und dem ehemaligen Galerieleiter bekannt, ebenso mit den diesem zugrunde liegenden Strukturen.
»Im Kunstbereich wird das Machtmissbrauch genannt. Es handelt sich unter anderem um Bevormundung, um Degradierung und um Herabwürdigung, und das betrifft überwiegend Frauen«, sagt Liebscher zu »nd«. Dräxler habe gegenüber der Ombudsstelle davon berichtet, dass sie schon vor der Eröffnung ihrer Ausstellung 2021 mit dem Galeristen aneinander geraten sei. Schließlich sei der Konflikt während der Vernissage eskaliert.
»Es gibt so ein Bild von männlichen ›Genies‹ in der Kunst, die dann mit allem durchkommen, auch Wutausbrüchen und Herabwürdigungen«, sagt Liebscher. Eine Stellungnahme an das Bezirksamt Mitte, welches die Galerie Weißer Elefant betreibt, haben fünf Frauen unterzeichnet, die ähnliche Erfahrungen mit dem Galerieleiter gemacht haben, so Liebscher. Das Bezirksamt selbst habe in der Vergangenheit nur unzureichend auf vorherige Beschwerden gegen den Galeristen reagiert. »Deshalb ist es so wichtig, dass es durch das Landesantidiskriminierungsgesetz eine externe Beratungsstelle gibt, die geschult ist im Umgang mit Diskriminierung«, sagt Liebscher.
Das Bezirksamt selbst arbeite nun an einer Verbesserung der eigenen Beschwerdestrukturen, sagt die Ombudsstellenleiterin. Die Zusammenarbeit mit Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne), die auch für den Bereich Kultur zuständig ist, habe gut funktioniert. »Das Bezirksamt hatte es aber auch leicht«, sagt Liebscher. Denn der machtmissbräuchliche Galerist sei sowieso in dem Zeitraum in Rente gegangen, und so musste das Bezirksamt keine Konsequenzen bezüglich seines Beschäftigungsverhältnisses ziehen.
Stefanie Remlinger ist ebenfalls zur Eröffnung der Ausstellung erschienen. Der Fall Dräxlers habe sie sehr berührt, sagt sie in der Galerie. »In unserem Bezirk gibt es keinen Platz für Machtmissbrauch. Aber nur, weil man das sagt, heißt es noch lange nicht, dass es auch funktioniert«, so die Bezirksbürgermeisterin. Mit 3000 Beschäftigten sei das nicht so einfach, und deshalb brauche es ein besseres bezirkliches Beschwerdemanagement. Veronika Dräxler habe das Bezirksamt darum gebeten, eine neue Ausstellung an dem Ort zu machen, an dem sie »künstlerische Entwertung« erfahren hat. »Es freut mich, dass wir ihr diesen Raum geben konnten.«
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