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Irland ist für alle da
Breites Bündnis mobilisiert erfolgreich gegen Rassismus
Migration war lange Zeit kein Thema, mit dem die extreme Rechte in Irland Anhänger rekrutieren konnte. Doch in den letzten Monaten hat sich das geändert. Durch die Wirtschaftskrise und die Inflation haben viele Iren nicht mehr genug Geld, um sich Lebensmittel und Heizen zu leisten.
Ein besonders großes Problem sind die Mieten: Alleine im letzten Quartal 2022 stiegen sie um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Durchschnittsmiete in Dublin liegt bei 2300 Euro – eine der höchsten in Europa. Es gibt kaum Wohnungen am Markt, da Vermieter profitabler an Touristen über Airbnb ihre Wohnungen anbieten, als langfristige Mietverträge abzuschließen. Öffentlichen Wohnbau gibt es seit dem neoliberalen Hype der 1990er Jahre quasi keinen.
Seitdem viele Ukrainer nach Irland geflohen sind, versucht die extreme Rechte, das Thema zu besetzen. Laut Integrationsminister Roderic O’Gorman (Grüne) kamen bis Anfang Februar rund 50 000 Geflüchtete aus der Ukraine, derzeit leben 75 000 in Irland.
Rechte protestieren gegen Geflüchtete
Die rechten Gruppierungen schieben die Wohnungsnot den Geflüchteten in die Schuhe und mobilisieren die lokale Bevölkerung gegen Unterbringung von Asylanten. Die ersten Proteste gab es in East Wall, einem Arbeiterkiez in Nord-Dublin nahe dem Hafen. Als dort in einem ehemaligen Bankgebäude Männer aus Afrika untergebracht werden sollten, kam es vergangenen Herbst zu Protesten. Rechte Aktivisten aus allen Teilen Irlands kamen als Einpeitscher. Auch aus England waren Neonazis zu den Protesten angereist. Derzeit ist der bekannte englische Neonazi Tommy Robinson in Irland, um dort zu agitieren.
Mittlerweile formiert sich Widerstand gegen die rechte Stimmungsmache. Am Samstag versammelten sich Zehntausende in Dublin, um gegen die rassistischen Proteste und gewaltsamen Übergriffe auf Asylanten im ganzen Land zu demonstrieren. Die Botschaft der Demonstrierenden: Irland ist für alle da.
Eine Veteranin der Bürgerrechtsbewegung der späten 1960er Jahre, Bernadette McAliskey, war eine der Hauptrednerinnen: »Die Frage, die heute in Irland gestellt werden muss, ist: Auf welcher Seite stehst du?«, rief sie von der Bühne.
Es war eine der größten Demonstrationen in Irland seit Jahren – sogar die Veranstalter waren überrascht. Der irische Sender RTÉ berichtete, dass die Organisatoren die Teilnehmerzahl auf 50 000 schätzten. Doch McAliskey wünscht sich mehr: »Die heutige Demonstration ist ein guter Anfang«, aber eben erst der Anfang, sagte sie.
Großdemo gegen rechts
Aufgerufen zur Demonstration hatte ein breites Bündnis von 200 Organisationen: Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, NGOs, Migranteninitiativen, linksrepublikanische und kommunistische Organisationen, die trotzkistische Parlamentsfraktion und die republikanische Partei Sinn Féin.
Das Bündnis hatte sich eine Woche zuvor unter dem Namen #IrelandForAll gebildet – als Reaktion auf die zunehmende Mobilisierung der extremen Rechten gegen Asylsuchende. McAliskey sagte, die eine Seite sei die Seite der Menschlichkeit, des Anstands und der Menschenrechte und die andere Seite der Weg zum Faschismus. Es gebe »keinen Platz für gewaltbereiten ausländerfeindlichen Extremismus« in der irischen Gesellschaft, hatten die Organisatoren zuvor auf einer Pressekonferenz erklärt.
Die Demonstration vom Wochenende war notwendig geworden, da die extreme Rechte zunehmend organisiert und gegen Asylsuchende vorgeht. Dabei setzen sie auf Straßenproteste vor Asylheimen, denn bei den Wahlen haben sie bisher keinen Erfolg: In keinem Wahlkreis erhielten sie bisher über ein Prozent der Stimmen.
»Wir sind hier, um uns gegen den Hass und die Desinformation zu wehren, die von Rechtsextremisten verbreitet werden«, sagte Ailbhe Smyth bei der Kundgebung. Von der Regierung forderten die Demonstranten neben der Unterbringung von Schutzsuchenden auch sozialen Wohnbau.
Zum Demonstrationsauftakt am Garden of Remembrance hatte die extreme Rechte zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Die Polizei war in Alarmbereitschaft, doch von den Gegendemonstranten ließ sich niemand blicken. Auch sie waren wohl überwältigt von der Masse der #IrelandForAll-Demo.
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