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Neuer »Extremistenbeschluss« befürchtet
Betroffene des Radikalenerlasses von 1972 und ein ehemaliger Minster warnen vor Plänen der Landesregierung
Brandenburg könnte das erste Bundesland sein, in dem sich Anwärter für den öffentlichen Dienst einem sogenannte Verfassungstreue-Check unterziehen müssen. Erklärtes Ziel ist es, etwa das Entstehen rechtsradikaler Gruppen bei der Polizei zu verhindern. Einem entsprechenden Gesetzentwurf von Innenminister Michael Stübgen (CDU) stimmte das rot-schwarz-grüne Potsdamer Kabinett bereits Ende August 2022 zu. Danach sollen Polizisten, Lehrer, Richter und Staatsanwälte vor ihrer Verbeamtung künftig vom Verfassungsschutz überprüft werden. Die Einstellungsbehörde soll dann auf Basis von dessen Einschätzung entscheiden, ob eine Beschäftigung im Staatsdienst zu verantworten ist.
Ende November gab es eine Anhörung im Innenausschuss des Landtags dazu. Dabei sprachen sich Gewerkschafter vehement gegen das Vorhaben aus, dessen Behandlung im Landtag noch nicht terminiert ist. So meinte Matthias Schlenzka, Experte für Beamtenpolitik beim DGB, bei dem Gesetzesvorhaben sei jegliches Augenmaß verloren gegangen. Aufwand und Nutzen stünden nicht in einem sinnvollen Verhältnis. Und Jerzy Montag, Rechtsanwalt und Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, früher Grünen-Bundestagsabgeordneter, hält es für falsch, dass sich die Regelanfrage nicht auf angehende Polizistinnen und Polizisten beschränkt, sondern auch Lehrerinnen, Kommunalbeamte oder Richter einschließt. Das erinnere stark an den Radikalenerlass, bei dem bis in die 1980er Jahre in Westdeutschland vor allem Lehrerinnen und Lehrer ins Visier der Behörden geraten waren.
Scharfe Kritik in dieser Richtung wurde vergangenen Mittwoch auch auf einer Veranstaltung im Potsdamer Buchladen »Sputnik«. geübt. Eine szenische Lesung zeigte, welch absurden Verhören Betroffene des Radikalenerlasses in den 1970er und 1980er Jahren ausgesetzt waren. Die verlesenen Texte beruhten auf Gedächtnisprotokollen von Menschen, die aufgrund der damaligen Bestimmungen nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen worden waren.
Helmuth Markov (Die Linke), 2014 bis 2016 Justizminister in Brandenburg, erinnerte in seinem Eingangsvortrag an den Satz von Regine Hildebrandt (SPD): »Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Angesichts dessen, was sich da als Verfassungstreue-Check auch unter Mithilfe der Sozialdemokraten zusammenbraue, »hätte sie wieder so reagiert«, meinte der 70-Jährige. Die Regierungsparteien CDU, SPD und Grünen bereiteten gerade einen »Radikalenerlass light« mit einer völlig anlasslosen Überprüfung vor, sagte Markov.
Angesichts der Versicherung der Kenia-Koalition, dass dabei keine nachrichtendienstlichen Mittel in Anschlag gebracht werden sollten, fragte Markov: »Wer glaubt denn sowas?« Schließlich habe der Geheimdienst in der Vergangenheit immer wieder »Normen beiseite geschoben, gebrochen oder gebeugt«.
Für Markov ist auch klar, dass es für Betroffene wenig Möglichkeiten geben wird, sich gegen Entscheidungen auf Grundlage des neuen Gesetzes zu wehren. Und wer glaube, dass die Einstellungskommissionen einen Menschen gegen das Votum des Verfassungsschutzes einstellen würden, der kenne die deutsche Bürokratie schlecht. Wenn die Bürger in den Staat Vertrauen haben sollten, müsse der Staat den Bürgern vertrauen, betonte Markov. Dass sich die Maßnahmen in erster Linie gegen Rechtsextremismus richten sollen, bezeichnete er als »Feigenblatt«. »Stellen Sie sich vor, dass Sie mit 14, 15 oder 16 Jahren in den sozialen Medien dieses oder jenes schreiben – das wird niemals gelöscht.« So könne man für einen jugendlichen Leichtsinn ein Leben lang bestraft werden. Werner Simonsmeier, der vom alten Radikalenerlass betroffen war, warnte, die entscheidende Wirkung des aktuellen Gesetzesvorhabens liege in der Einschüchterung.
Die Linke im Landtag lehnt das Gesetzesvorhaben ab. »Einer unkontrollierbaren Aufgaben- und Befugniserweiterung des Verfassungsschutzes stehen wir ablehnend gegenüber«, sagt Marlen Block, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, »nd«. Sie verweist auf bestehende rechtliche Möglichkeiten, die auch gegenüber Beamten im Dienst angewendet werden könnten. Einschlägige Tätowierungen etwa würden schon bei der amtsärztlichen Untersuchung auffallen. Es würde ausreichen, wenn »aufmerksame und aktive Personalabteilungen« die Überprüfung von Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst »sehr ernst nehmen«. Mit dem Verfassungstreue-Check werde die »erwünschte Kultur des Hinsehens« jedenfalls nicht erreicht, so Block. Dieser erfasse zudem nicht jene, die bereits im Staatsdienst sind.
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