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AfD-Stiftung: Sammelsurium neurechter Angstbegriffe
Vertreter*innen der AfD-nahen Parteistiftung verbreiten Verschwörungserzählungen und stehen den völkischen Nationalisten nahe
Der Veranstaltungskalender der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) ist wie ein kleines Sammelsurium neurechter Angstbegriffe. »Kulturkampf um das Autofahren« heißt da etwa ein Vortrag, bei einem anderen geht es darum, »Wie Deutschland seine Zukunft verspielte«. Titel, wie auf einem Panik schürenden Buchcover. Es sind nur eine handvoll Termine, die die DES aktuell bewirbt – für mehr fehlten aktuell die finanziellen Mittel, wie die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach vergangenen Oktober bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht wiederholt erklärte, als es darum ging, ob die DES staatliche Förderung erhält. Passiv war die Stiftung seit ihrer Gründung 2017 allerdings keineswegs. 2018 veranstaltete die DES einen Kongress anlässlich von 100 Jahren Erster Weltkrieg, 2019 ging es um das Thema Meinungsfreiheit. Die gehaltenen Vorträge lassen sich alle auf der Website der Stiftung anschauen, der Tenor dürfte in seiner Essenz nicht überraschen: Das freie Wort sei in Gefahr, politische Korrektheit nehme Überhand, in der Öffentlichkeit dominierten »Gesinnungsjournalisten«, wie einer der Referenten*innen, der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, behauptete. Die »Neue Zürcher Zeitung« beschrieb ihn einmal treffend als »einen der lautesten Kritiker des links-grünen Zeitgeistes«, was seine Popularität bis weit hinein ins neurechte Lager erklärt.
Ein Name taucht im Zusammenhang mit der DES immer wieder auf: Karlheinz Weißmann, Vordenker der Neuen Rechten in Deutschland und Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik (IfS), dem er allerdings 2013 nach einem Zerwürfnis mit Götz Kubitschek den Rücken kehrte. Heute engagiert sich Weißmann unter anderem für »Cato«, einem sich eher an die akademischen Teile der Neuen Rechten richtenden Magazins. Das antifaschistische Fachblatt »Der rechte Rand« nennt »Cato« ein »Männermagazin der reaktionären Avantgarde«. Weißmann, dies wird schnell klar, ist rechtsaußen gut vernetzt.
Ob der rechte Historiker auch noch im Kuratorium der DES sitzt, lässt sich auf den ersten Blick nicht feststellen. Anders als andere parteinahe Stiftungen geht die DES knausrig mit Informationen und Transparenz um, ein Überblick über die Mitglieder des Kuratoriums, das den Stiftungsvorstand beraten soll, ist seit geraumer Zeit von der Internetseite verschwunden.
Bekannt ist dagegen der Vorstand: Über die DES und etliche Köpfe hatte die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung bereits 2021 in einem ausführlichen Arbeitspapier informiert. Erika Steinbach, seit 2018 DES-Vorsitzende, ist als frühere CDU-Rechtsaußen die mit Abstand in der Öffentlichkeit bekannteste Protagonistin. Wenigen sagen dürfte dagegen der Name Klaus Peter Krause etwas, ein früherer Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seinen Ruhestand verbringt er unter anderem als stellvertretender DES-Vorsitzender. Laut Brenner-Stiftung fallen in Texten immer wieder Verbindungen zu Verschwörungserzählungen auf, dabei ist auch schon einmal von der Gefahr einer »Neuen Weltordnung« die Rede. 2020 behauptete er mit Bezug auf den Klimawandel, es gäbe »keinen schlüssigen, wissenschaftlich anerkannten Beweis, dass CO2-Emissionen die Temperatur der Atmosphäre nennenswert beeinflussen«.
Nicht fehlen dürfen im zehnköpfigen Vorstand auch AfD-Politiker*innen: Bemerkenswerterweise sind von drei Landtagsabgeordneten mit Joachim Keiler und Sebastian Wippel gleich zwei aus Sachsen dabei, ein Landesverband, der weitestgehend von der völkisch-nationalistischen Strömung um Björn Höcke kontrolliert wird.
Wippels Denken, er war bereits Kandidat seiner Partei bei der letzten Landratswahl im Landkreis Görlitz und Oberbürgermeisterkandidat in der gleichnamigen Stadt, lässt sich am leichtesten mit einer Äußerung anlässlich des letzten Holocaustgedenktags am 27. Januar aufzeigen. Da schrieb er anlässlich einer Kranzniederlegung in Chemnitz auf seiner Facebookseite: »Gedenken wir also der Opfer des Nationalsozialismus; betrachten diesen Tag jedoch auch als einen zur Mahnung – zur Mahnung, vor den Gefahren und Leiden eines jeden totalitären, sozialistischen, menschenverachtenden Regimes.« Nicht einmal den Millionen von Opfern des deutschen Nazi-Terrors konnte Wippel gedenken, ohne mit historisch fragwürdigen Vergleichen daraus politisch Kapital schlagen zu wollen.
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