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FU Berlin: Wenn der Dozent rechte Inhalte empfiehlt
Studierendenvertreter fordern, einem Dozenten die Habilitation zu verwehren
Im ruhigen Dahlem ein eher ungewohnter Anblick: Am Mittwoch demonstrieren etwa 40 Studierende der Freien Universität vor dem Biologieinstitut in der Arnimallee. Drinnen hält gerade Michael G. seinen Habilitationsvortrag. Dem Biologiedozenten wird vorgeworfen, in Lehrveranstaltungen rechtes Gedankengut verbreitet zu haben. Vertreter des Asta forderten schon im Vorfeld, G.s Habilitationsverfahren zu beenden. »Rechte Ideologien exmatrikulieren – kein Studium unter rechten Dozierenden«, heißt es auf einem Transparent.
Der Streit um G. zieht sich bereits über ein Jahr. Im Kern der Vorwürfe steht G.s GitHub-Profil. Das Portal ist bei Programmierern beliebt. Sie können hier die Quelltexte ihrer Anwendungen öffentlich machen. G., der sich mit digitalen Methoden in der Botanik beschäftigt, verwies Studierende in Lehrveranstaltungen häufiger auf sein Profil, wo weitere Materialien zu finden waren. Doch dort fand sich noch mehr: Auch mehrere Videos mit rechtsextremen Inhalten wurden auf dem Profil verlinkt. Unter anderem wurde auf ein Video des österreichischen Antisemiten Martin Sellner, der der Jugendorganisation Identitäre Bewegung vorsitzt, verwiesen. Der rechtsextreme Multifunktionär erhielt 2006 einen Strafbefehl, weil er Sticker mit Hakenkreuzen auf einer Synagoge verklebt hatte.
Die Links hat G. inzwischen gelöscht. In einer Stellungnahme an den Fachbereich gab G. an, dass sie noch aus der Zeit einer vorherigen Beschäftigung an einer US-amerikanischen Universität stammten. Zu dieser Zeit hätten auch andere Mitarbeiter Zugriff auf das Profil gehabt und Inhalte unter seinem Namen veröffentlichen können. Weil G. aber auch die »Gemeinsame Erklärung 2018« unterschrieb, mit der sich Intellektuelle mit Demonstrationen von Neonazis solidarisierten, erscheint es unwahrscheinlich, dass jemand G. die Inhalte untergeschoben hat. Ein Vertreter des Asta, der Michael Melsig genannt werden will, nennt G.s Verteidigung auf »nd«-Anfrage »lächerlich«. G. versuche, sich hinter seinen Mitarbeitern zu verschanzen. In Gesprächen habe er sich nicht glaubhaft distanzieren können.
G. spricht auf »nd«-Anfrage von einer »Verleumdung«. Er habe Strafanzeige gegen den Asta gestellt. In einer Stellungnahme bezeichnet er die Vorwürfe als »bizarr«. »Kurz gesagt: Ich bin eine unpolitische Person, die sich weder von der linken noch von der rechten Seite vereinnahmen lässt«, schreibt er. Er bestätigt aber, die »Gemeinsame Erklärung 2018« unterschrieben zu haben. Er sieht sich als Opfer der »Cancel Culture«, mit der »Forschung weltanschaulich normiert werden soll«. Dass sich die Kritik dabei nicht an seiner botanischen Forschung, sondern an seinem Verhalten in Lehrveranstaltungen entzündet, erwähnt G. nicht.
Im Zuge der Kritik veröffentlichten auch das Studierendenparlament der FU und die Fachschaft Biologie Stellungnahmen, die sich gegen G. richteten. Vor einem Jahr soll die Leitung des Fachbereichs Studierendenvertretern zugesichert haben, dass G. zukünftig keinen Kontakt zu Studierenden mehr haben soll. Tatsächlich ist seiner Mitarbeiterseite zu entnehmen, dass er aktuell keine Lehrveranstaltungen hält. Ob dies im Zusammenhang mit der Kritik an seiner Person steht, ist aber unklar. Melsig sagt hingegen, dass G. auch weiterhin Videoseminare halte.
Goran Krstin, Pressesprecher des FU-Präsidenten, erklärt auf »nd«-Anfrage, dass man Vorwürfen von Rassismus nachgehe, sich aber nicht zu Einzelfällen äußere. In Qualifizierungsverfahren würden persönliche Ansichten und Gesinnungen »weder erfragt noch geprüft oder sanktioniert«. »Grundsätzlich gilt: Ein Klima der Toleranz und die Absage an alle Formen von Extremismus zählen zum Selbstverständnis der FU«, so Krstin. »Heute wurde ein neues Kapitel der Schande geschrieben«, sagt dagegen Asta-Vertreter Melsig. »Die FU nennt sich internationale Netzwerkuniversität – wie geht dann das?« Die Universität habe in dem Streit wenig souverän agiert und sei den Anliegen der Studierenden mit »Ignoranz« gegenübergetreten.
Für G. endet der Tag mit einem Erfolg: Der Fachbereichsrat entscheidet nach seinem Vortrag, ihm die Lehrbefähigung zu erteilen. Mit zwölf Ja- zu neun Nein-Stimmen verlief die Abstimmung aber laut einem Teilnehmer ungewöhnlich knapp. Offenbar stimmten nicht nur Studierende, sondern auch Vertreter anderer Statusgruppen gegen ihn.
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