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- Hartz-IV-Kritik von rechts und links
Die Hartz-IV-Gegner
Weshalb Linke und Rechte die Agenda 2010 hart kritisiert haben
Linke und Rechte fordern in der deutschen Debatte über den Ukraine-Krieg Friedensverhandlungen und kritisieren die Nato. Doch sie haben nicht die gleichen Ziele. Linke und Rechte haben auch den Euro kritisiert, ebenso die Hartz-Reformen. Was wollen die einen und die anderen? Beispiel: Hartz IV.
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Die Agenda 2010 samt Hartz IV war von Anfang an umstritten. Kritiker von links und rechts waren sich einig, dass die Pläne schlecht sind. Fundamentale Unterschiede gab und gibt es hingegen bei der Frage, was daran zu bemängeln ist.
»Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen«, sagte Kanzler Gerhard Schröder in seiner Agenda-2010-Rede am 14. März 2003. Er kündigte zahlreiche Verschlechterungen für Erwerbslose und Beschäftigte an, darunter weniger Geld für Arbeitslose und eine Lockerung des Kündigungsschutzes.
Erzwingt der Wettbewerb Kürzungen?
Kritik kam zum einen von der größten Oppositionspartei, der CDU. Ihre Chefin Angela Merkel forderte, den Kündigungsschutz noch stärker zu beschneiden, Arbeitslosen noch mehr Druck zu machen, Niedriglöhne noch stärker zu fördern und vor allem: Gewerkschaften zu entmachten. Der von der CDU propagierte Hebel: Betriebe sollten in »Bündnissen für Arbeit« ohne Zustimmung der Gewerkschaften Löhne senken können.
Die Begründung der Mitte-Rechts-Partei: Deutsche Betriebe stünden im Wettbewerb mit Unternehmen aus der ganzen Welt, so Merkel. In der Bundesrepublik seien die Arbeitskosten zu hoch, darum gebe es zu wenige Jobs. Also müssten die Löhne sinken und »Anreize« geschaffen werden, damit Menschen auch schlecht bezahlte Tätigkeiten verrichten. Ähnlich argumentierte die rot-grüne Regierung, doch die CDU forderte tiefere Einschnitte.
Auch linke Kritiker der Agenda verwiesen auf die globale Konkurrenz. Sie zogen daraus jedoch entgegengesetzte Schlüsse. „Der internationale Standortwettbewerb der Konzerne und Regierungen führt auch in anderen Ländern zu ‚Strukturanpassungen‘, Senkung von Unternehmenssteuern, Kürzung von sozialen Leistungen, Löhnen und Gehältern“, heißt es in einem Aufruf zu einer Demonstration im November 2003, die unter anderem Gewerkschafter*innen und Arbeitsloseninitiativen initiiert hatten. In Frankreich und Österreich habe diese Politik große Proteste und Streiks ausgelöst. »Auch wir dürfen diese dreisten Angriffe nicht länger hinnehmen.« Beschäftigte, Erwerbslose, Flüchtlinge und Rentner*innen dürften sich dabei nicht spalten lassen. Die Menschen sollen demnach dem Wettbewerb auf ihre Kosten nicht einfach als vermeintlichen Sachzwang hinnehmen, sondern sich gemeinsam wehren.
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Unerwartete Protestwelle
Im Jahr 2004 entstand dann eine unerwartete Protestwelle: In vielen, insbesondere ostdeutschen Städten organisierten Initiativen oder Einzelpersonen »Montagsdemonstrationen«. Auf dem Höhepunkt Ende August gingen in rund 200 Städten mehr als 200 000 Menschen auf die Straße. »Rechtsextreme Unterwanderungsversuche konnten meist verhindert werden«, schreibt der Sozialwissenschaftler Harald Rein in „Analyse & Kritik“. Doch in Einzelfällen konnten sie sich in Demonstrationszüge einreihen oder sogar an deren Spitze setzen, etwa in Magdeburg, Gotha und Suhl, heißt es in einer Studie zu Rechtsextremismus von Thomas Grumke und Andreas Klärner im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
Die Einzelfälle hatten Folgen: So zitierte der »Tagesspiegel« im August 2004 aus einem Schreiben eines DGB-Vorstandsmitglieds an die DGB-Bezirke, in dem es hieß: Die Gewerkschaften könnten zu Montagsdemonstrationen nicht aufrufen, »wenn die Gefahr besteht, dass eine nationalistische oder rechtsradikale Ausrichtung erkennbar ist«. In Medien wurde darüber spekuliert, wer da demonstriert. Der Politikwissenschaftler Dieter Rucht startete darum im September 2004 eine Befragung unter Demonstrierenden in Berlin, Dortmund, Leipzig und Magdeburg. Die Menschen wurden auch nach ihren Wahlpräferenzen gefragt. Dabei zeigte sich: In den West-Städten würden 33 Prozent der Teilnehmenden die PDS wählen, in den Ost-Städten 49 Prozent, nur wenige würden für SPD, Grüne oder CDU stimmen und rund drei Prozent für die NPD. »Damit wird die häufig geäußerte Annahme widerlegt, die Demonstrierenden gegen Hartz IV seien in besonderem Maße rechtsradikalen Parteien zugeneigt«, heißt es in dem Bericht von Rucht. Er verweist auf Landtagswahlen im gleichen Jahr, wo die DVU in Brandenburg auf 6,1 Prozent und die NPD in Sachsen auf 9,2 Prozent kam.
Inhaltlich stellten Rechtsextreme die Kritik an Hartz IV in den Dienst ihrer nationalistischen und ausländerfeindlichen Vorstellungen. Die FES-Studie zitiert ein NPD-Faltblatt, in dem sich Argumente der Sozialverbände finden. Zum Schluss heißt es: »Jeder beschäftigte Ausländer, der nach Hause geht, macht einen Arbeitsplatz für Deutsche frei. Jeder ausländische Sozialhilfe-Empfänger, der geht, liegt dem deutschen Sozialsystem nicht länger auf der Tasche.«
Für die rechtsextreme AfD, die 2013 gegründet wurde, sind Agenda 2010 und Hartz IV kaum ein Thema. In ihrem Bundestagswahlprogramm 2021 fordert sie keine höhere Grundsicherung und keine Abschaffung der Sanktionen. Hartz IV taucht zum ersten Mal auf Seite 84 auf, wo sie es für rassistische Propaganda nutzt. Dort fordert die AfD, Polygamie von Muslimen zu unterbinden und die „Inanspruchnahme von Hartz IV durch Zweit- oder Drittfrauen zu verhindern». Den »Ausbau des Sozialstaats« erklärt die Partei darin als Problem, da er ein Grund für den Geburtenrückgang sei: »Die Wahrnehmung des Staates als Helfer in allen Lebenslagen hat die Vorstellung von der eigenen Familie als Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft ersetzt.«
Linke pochen hingegen darauf, dass Menschen mit und ohne Job, mit und ohne Familie eine materielle Basis haben sollten, die ihnen ein selbstbestimmteres Leben ermöglicht. Dazu gehört beispielsweise für Arbeitsloseninitiativen und die Linkspartei zumindest eine anständige Grundsicherung, die nicht gekürzt werden darf.
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