Helsinki ist bereit

Die Abgeordneten des finnischen Parlaments entscheiden über den Beitritt des Landes zur Nato

  • Robert Stark, Helsinki
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sind keine großen Überraschungen zu erwarten, wenn am Dienstag in Finnlands Parlament die letzte Aussprache über den Beitritt des Landes zur Nato stattfindet. Am Mittwoch könnte noch eine Abstimmung folgen, die aber eine reine Formsache werden wird. Bei der Abstimmung im Mai 2022 zu der Frage, ob ein Beitrittsgesuch zur US-geführten Militärallianz gestellt werden soll, hatte es unter den finnischen Parlamentariern infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine einen historisch großen Konsens gegeben – 188 stimmten dafür, nur 8 dagegen. Nur die linke Partei Vasemmistoliitto war gespalten, sechs von 16 Abgeordneten der Fraktion stimmten damals gegen einen Antrag auf Aufnahme in die Nato.

Mit der Verabschiedung im Parlament und der Unterschrift von Präsident Sauli Niinistö ist der Gesetzgebungsprozess im Land beendet und Finnland für einen Beitritt zum Nordatlantik-Pakt bereit. In den Startlöchern dafür steht auch Nachbar Schweden. Was noch fehlt, ist die Ratifizierung der Aufnahme der beiden nordischen Länder auch durch die Nato-Mitglieder Ungarn und Türkei. In den letzten Tagen hat es dahingehend viel Bewegung gegeben: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ließ verlauten, dass es noch in der zweiten Märzhälfte in Brüssel zu weiteren trilateralen Gesprächen zwischen Schweden, Finnland und der Türkei kommen wird. Der Trialog war von Ankara ausgesetzt worden, nachdem Mitte Januar vor der türkischen Botschaft in Stockholm ein dänisch-schwedischer Rechtsradikaler Koran-Ausgaben verbrannt hatte.

Der ungarische Ratifizierungsprozess könnte noch in der zweiten Märzhälfte abgeschlossen sein. Der autoritär regierende Ministerpräsident Viktor Orban hat zwar bereits seine Zustimmung signalisiert, die Fraktion seiner nationalkonservativen Fidesz im ungarischen Parlament zeigt sich jedoch teilweise noch zögerlich. Die Türkei setzt ihr Vetorecht erfolgreich als Druckmittel gegen Stockholm und Helsinki ein, um dort ein härteres Vorgehen gegen kurdische und andere Oppositionelle im Exil durchzusetzen.

In Finnland selbst wartet man zunehmend ungeduldig auf einen Vollzug des Beitritts, nachdem die Ratifizierung durch die anderen 28 Mitgliedsstaaten in Rekordzeit abgelaufen war. Finnlands Präsident Niinistö hat am vergangenen Mittwoch bei einem Besuch in Stockholm noch einmal geäußert, dass es auch einen Alleingang Finnlands statt des beabsichtigten gleichzeitigen Beitritts zusammen mit Schweden geben könnte. »Soweit es von uns abhängt, gehen wir Hand in Hand, aber die Türkei hat die Ratifizierung in ihrer eigenen und wir können nichts dagegen tun«, sagte Niinistö auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson und dem norwegischen Regierungschef Jonas Gahr Støre. Die drei nordischen Länder stimmen ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik nun noch enger miteinander ab. Das betrifft auch Absprachen zu Waffenlieferungen an die Ukraine.

Finnlands Verteidigungsminister Mikko Savola (Zentrumspartei) stellte in der vergangenen Woche das mittlerweile 13. Hilfspaket für die Ukraine vor. Insgesamt wurden ihr bereits Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von über 750 Millionen Euro gesandt. Mit Details zum genauen Inhalt dieser Lieferungen hält man sich in Helsinki aus taktischen Gründen bedeckt. Die einzige Ausnahme war diesmal die Bestätigung der Lieferung von drei Leopard-2-Panzern in der Ausführung als Minenräumpanzer.

Obwohl die Art der Militärhilfe nicht öffentlich gemacht wird, ist es am wahrscheinlichsten, dass die Ukraine vor allem Munition und anderes Material für die Artillerie erhält. Finnland hat eine der größten Artillerien Europas. Verteidigungsminister Saavola hat kürzlich angekündigt, dass die Produktionskapazitäten in den Waffenschmieden der Armee erhöht werden. Es sollen Dutzende neue Mitarbeiter eingestellt und außerdem in mehr Schichten produziert werden. Finnlands teils staatseigene Rüstungsindustrie hat bereits jetzt volle Auftragsbücher und ein möglicher Nato-Beitritt wird die Nachfrage für beispielsweise Artilleriemunition oder Mörsersysteme »Made in Finland« sicherlich erhöhen. Da die Nato-Staaten vor allem innerhalb des Bündnisses bestellen, verbessert ein Beitritt die Aussichten auf solche Geschäfte für die Finnen merklich.

Die militärische Zusammenarbeit mit der Nato wird bereits jetzt intensiviert. Noch bis zum 17. März trainieren US-Soldaten und -Marines im nordfinnischen Sodankylä während der Übung »Arctic Forge 23« den Winterkrieg. Im selben Monat findet in Nordnorwegen das Großmanöver »Joint Viking« mit mehr als 10 000 Militärangehörigen aus den USA, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und Norwegen selbst statt.

Wie die Abgeordneten im Parlament unterstützt auch die finnische Bevölkerung recht einhellig den derzeitigen politischen Kurs. Nach einer aktuellen Erhebung des zentralen Statistikamtes, das unter dem Titel Kansalaispulssi (»Puls der Bürger«) die Stimmung im Land regelmäßig abfragt, sind immerhin 89 Prozent der Finnen für die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen. Stolze 80 Prozent sprechen sich für eine Aufnahme weiterer ukrainischer Flüchtlinge aus. Und zwei Drittel gaben an, dass sich ihr subjektives Sicherheitsgefühl seit dem Nato-Beitrittsgesuch erhöht habe.

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