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- Asean beunruhigt über USA/China-Konflikt
Asean zwischen den Fronten
Staatenbündnis leidet unter Konflikt Chinas mit den USA
Zwei Tage weilte Qin Gang Mitte der Vorwoche in Jakarta. Es war sein erster Staatsbesuch als neuer Außenminister, zu dem der frühere Vize seines Amtsvorgängers Wang Yi (2018–2021) und zuletzt Botschafter in den USA zum Jahreswechsel aufgestiegen ist. Und die Visite führte den 56-Jährigen, der als Vertrauter von Staats- und Parteichef Xi Jinping gilt, mit Bedacht gleich nach Indonesien. Gemessen an den über 1,4 Milliarden Chines*innen nehmen sich die gut 280 Millionen Einwohner*innen des Inselstaates zwar bescheiden aus. Aber Indonesien ist unbestritten ein Schwergewicht: größter muslimischer Staat der Welt, einwohnerstärkstes Land der Asean und größte Volkswirtschaft Südostasiens. Ein weiterer Faktor kommt seit Dezember hinzu: Turnusgemäß hat Indonesien für ein Jahr den Vorsitz im Zehnerbund übernommen, dem außer den Mitgliedern auch noch Timor-Leste mit Beobachterstatus angehört. Das Zusammentreffen mit seiner Amtskollegin Retno Marsudi, Präsident Joko Widodo und Luhut Binsar Pandjaitan, koordinierender Minister für Maritime Angelegenheiten und Investment, hatte hohe Symbolkraft. Denn der Beziehungsstatus zwischen China und der Asean als Ganzes lässt sich am ehesten so zusammenfassen: »Es ist kompliziert.«
Überlappende Territorialansprüche
Seit 2020 ist China für das Bündnis zum wichtigsten Wirtschaftspartner aufgestiegen. Vielfältige wirtschaftliche Kooperationen sind aber nur ein Aspekt. Denn mit mehreren südostasiatischen Nachbarn liegt China, welches quasi das gesamte Südchinesische Meer als seinen maritimen Vorgarten ansieht, um maritime Grenzziehungen im Clinch. Zwar geht es bei Paracel- und Spratly-Inseln sowie dem Scarborough-Riff nur um felsige Erhebungen und Mini-Eilande, die zumeist nicht einmal bewohnt sind. Die Korallenbänke und Inselchen mit minimalen Ausdehnungen sind dennoch von enormer strategischer Bedeutung in einer der wichtigsten Wasserverkehrsstraßen. In dem riesigen Meeresgebiet überlappen sich alte Territorialansprüche Chinas, der Philippinen, Malaysias, Vietnams und Bruneis. Die Regierung in Peking hat auf mehreren Eilanden befestigte Außenposten errichtet, Kriegsschiffe hatten wiederholt Konfrontationen mit vietnamesischen und philippinischen Fischerbooten.
Verhaltenskodex zur Konfliktbeilegung
Gut 20 Jahre ist es her, dass sich Asean und China in einer Grundsatzvereinbarung dazu bekannten, gerade auch zur Minimierung solcher Vorfälle zu einem »Verhaltenskodex« zu kommen, der die Grenzstreitigkeiten zwar nicht beilegt, aber Spannungen abbaut, Kooperationen bei Forschungsprojekten und Umweltschutz ermöglicht, Anlaufstellen für Beschwerden schafft. Dass dieser »Code of Conduct« nicht schon 2022 vorlag, war auch Verzögerungen durch die Corona-Pandemie geschuldet. Marsudi und Qin bekannten sich bei der gemeinsamen Pressekonferenz nun dazu, den Austausch neu zu starten. Erste Gespräche soll es schon im März geben. Indonesien, nicht aktiver Teil des Grenzstreits, ist bemüht, als eher neutraler Mittler alles für ein möglichst harmonisches Verhältnis der Asean mit dem mächtigen Nachbarn zu unternehmen.
Unter den aktuellen Umständen ist dies eine Herausforderung. Denn es gibt andere Mitglieder im Bündnis, die sich im Ringen zwischen Washington und Beijing schon stark auf US-Seite haben einbinden lassen. Insbesondere die Philippinen unter dem Diktatorensohn Ferdinand Marcos Jr. als Präsident üben wieder einen engen Schulterschluss mit der früheren Kolonialmacht. Die Regierung in Manila setzt auf gemeinsame Patrouillen und hat den Amerikanern Zugang zu einer ganzen Reihe von Militärstützpunkten gewährt. Die Philippinen werden damit auch zu einem Vorposten für den Aukus-Pakt, den USA, Großbritannien und Australien 2021 geschlossen hatten. Indonesien hingegen setzt klare Entspannungssignale.
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