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Hier militarisiert die Polizei

Anders als der »Europäische Polizeikongress« in Berlin kommt die Fachmesse »Enforce Tac« in Nürnberg direkt zur Sache

Mit dem Ukraine-Krieg machen auch die europäischen Rüstungskonzerne ein gutes Geschäft. So steht etwa Rheinmetall kurz davor, in den Dax aufzusteigen. Die Düsseldorfer Waffenschmiede verkauft aber auch an die Polizei. Vorletztes Jahr erhielt Rheinmetall den Auftrag zur Lieferung von gepanzerten »Survivor R«, den die Firma zusammen mit Achleitner aus Österreich produziert. Allein das Bundesinnenministerium hat davon 55 Exemplare zu einem Stückpreis von rund einer Million Euro für Polizeien in Bund und Ländern bestellt.

Zur Vermarktung ihrer eigentlich fürs Militär entwickelten Ausrüstung stellen die Firmen regelmäßig auf entsprechenden Verkaufs- und Kongressmessen aus. Die größte Veranstaltung dieser Art in Europa ist die »Milipol«, die alle zwei Jahre in Paris abgehalten wird. Eine der deutschen Fachmessen ist der jährliche »Europäische Polizeikongress« in Berlin, dem Workshops sowie Panels mit hochrangigen Politikern einen seriösen Anstrich geben sollen.

Brachialer geht es bei der Fachmesse »Enforce Tac« in Nürnberg zu, die ebenfalls jährlich veranstaltet wird und sich neben der Polizei auch an das Militär richtet. Es gibt sie seit nunmehr elf Jahren, die diesjährige Messe fand am Montag und Dienstag dieser Woche statt. Laut Veranstalterangaben nahmen daran 300 Aussteller und über 7000 Besucher teil.

In drei Hallen gab es allerlei zu sehen und anzufassen. Patch-Hersteller haben ihre Abzeichen aus Stoff auf riesigen Wänden aufgereiht, umfangreich dargebotene Kleidung kommt meist in schwarz oder im Tarnmuster. Auch kleineres und kostengünstigeres Zubehör wie Beutel für das Wasserlassen unterwegs wurden ausgestellt. An dem Stand des Schweizer Herstellers für »Körperschutzlösungen« MK Technology konnten stich- und schusssichere Westen getestet werden. Ein Mitarbeiter hämmerte dafür eine Holzlatte mit angebrachten Metallspitzen auf einen geschützten Kollegen. Nur ein paar Schritte weiter konnten sich Interessierte den Nachfolger der Panzerfaust – heute als »Schultergestütztes Waffensystem« bezeichnet – des siegerländischen Unternehmens Dynamit Nobel Defence auf die Schulter legen.

Außer diesen sehr tödlichen Waffen, die offensichtlich ans Militär verkauft werden sollen, gab es auf der »Enforce Tac« auch sogenannte »nicht-tödliche Waffen« zu sehen. Kritiker sprechen lieber von »weniger tödlichen Waffen«. Nicht immer war klar, wer diese überhaupt benutzen soll und welchen Einsatzzwecken diese dienen. So vermarktet die Firma Protectile aus Österreich einen Stoßdämpfer für scharfe Munition, der wie ein Ball auf die Pistolenmündung gesteckt werden kann. Dies führe laut einem Mitarbeiter bei dem ersten Schuss aus der Waffe nicht wie sonst üblich zum Tod oder schweren Verletzungen.

Neben Rheinmetall stellen weitere Hersteller gepanzerter Fahrzeuge auf der »Enforce Tac« aus, darunter die Größen der Branche Achleitner, Armoured Car Systems, Diehl und Stoof. Stoof residiert in Borkheide bei Potsdam und zeigt ihren »Armored Tactical Truck«, der den Polizeipanzern von Achleitner und Rheinmetall ähnlich ist. Mit knapp neun Tonnen Gewicht ist das Fahrzeug aber gut ein Drittel leichter und kann deutlich schneller fahren. Auch sei es in der Stadt leichter zu manövrieren, erklärt ein Mitarbeiter. Jedoch erfüllt der »Armored Tactical Truck« nicht den entsprechenden Nato-Standard, um in Deutschland als sogenannter »Sonderwagen« für die Polizei fahren zu können. Auch deshalb konnte sich Rheinmetall über die Großaufträge der Bundes- und Länderpolizeien in Deutschland freuen.

Das ist ein Beispiel dafür, wozu Veranstaltungen wie »Enforce Tac« dienen: der Militarisierung der Polizei und damit der Inneren Sicherheit. Zu den Besuchern gehören vermutlich viele technische Leiter deutscher Polizeibehörden, die sozialen Konflikten lieber mit Waffen und schwerem Gerät begegnen. Sie können Anschläge wie 2015 auf die Redaktion von Charlie Hebdo oder den Veranstaltungsort Bataclan in Paris in ihrem Sinne nutzen und fordern, dass die Polizei nunmehr Ausrüstung braucht, die den von den Attentätern genutzten Kriegswaffen wie der »AK 47« standhält. So hatte der damalige Hamburger Innensenator Andy Grote ein Jahr später auf Waffengleichheit gepocht und zwar erklärt, man wolle bei solchen Szenarien keine Einsätze der Bundeswehr. Denn dies könne die Polizei selbst, »und wir rüsten sie dafür aus«, so der SPD-Politiker in der »WELT«. Rheinmetall hat diese Schützenhilfe wohl erfreut registriert und seinen »Survivor R« anschließend beim »Europäischen Polizeikongress« gezeigt – obwohl dort bis dahin noch nie Fahrzeuge ausgestellt worden waren.

Einen der größten Stände auf der »Enforce Tac« hatte der Waffenhersteller Heckler & Koch in der Mitte der ersten Halle. Auf einem Podest waren dort Sturmgewehre wie das von der Bundeswehr genutzte »G36« ausgestellt. Die Firma profitiert ebenfalls von der Beschaffung der Polizeipanzer. So plant etwa die Bundespolizei, ihre »Survivor R« mit Maschinengewehren des Typs »G8« von Heckler & Koch auszurüsten. Nachdem der Bundesgrenzschutz seine Kriegswaffen nach der Gründung der Bundeswehr ausgemustert hatte und schließlich zur Bundespolizei wurde, ist die Militarisierung nun wieder dort angekommen. Unter robuster Mithilfe von Messen wie der »Enforce Tac« in Nürnberg.

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