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Internationale Erdbebenhilfe für die Türkei
İpek Yüksek vernetzt Solidarität für die Türkei
»Ich bleibe erst einmal in Istanbul, wir sammeln hier Hilfsgüter. Am Dienstag fahre ich nach Antakya«, schreibt İpek Yüksek mir in der zweiten Woche nach den starken Erdbeben in der Türkei und Syrien. İpek stammt aus der Region Samandağ, einer Stadt an der Küste der Provinz Hatay im Südosten der Türkei. Vor drei Jahren zog sie nach Graz in Österreich, wo sie eine Ausbildung zur Journalistin macht. »Als ich von dem Erdbeben in meiner Heimatstadt erfuhr, versuchte ich meine Familienmitglieder und Freundinnen zu erreichen. Doch von vielen erhielt ich keine Antwort. Da ahnte ich, wie schlimm es Samandağ getroffen haben muss«, erinnert sich İpek.
Die 25-Jährige hatte für ihr erstes Studium Hatay verlassen und war nach Ankara gezogen. Dort fand sie schnell Anschluss an die feministische Organisation Mor Dayanışma – Lila Solidarität – und deren Studentinnengruppe, die Campushexen. Der Umzug nach Österreich war für İpek keine Unterbrechung ihrer politischen Aktivität. In der migrantischen Selbstorganisation Patika kämpft sie mit Aktivist*innen aus der Türkei und anderen Ländern gegen Rassismus in Österreich, gegen Femizide und für eine soziale Stadtpolitik. Im Nachbarland Schweiz finden Aktivist*innen von Mor Dayanışma Zuflucht, die aufgrund ihrer politischen Aktivitäten die Türkei verlassen müssen.
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»Noch Tage nach den Beben wusste ich nicht, wo meine Freundinnen waren. Ich konnte nichts tun, um ihnen zu helfen«, erzählt İpek wütend und traurig zugleich. »Dann fasste ich den Entschluss, selbst nach Samandağ zu fahren. Ich wusste, dass es vor Ort keine Infrastruktur mehr gibt und die Anreise nicht leicht sein würde. Doch ich vertraute auf meine Genoss*innen vor Ort.« Kurzerhand richtet İpek ein Spendenkonto ein. Das Geld wird genutzt, um in Istanbul Hilfsgüter zu besorgen, die per Lastwagen nach Antakya gebracht werden.
»In Samandağ gibt es ein Frauenzelt, aus dem meine Genoss*innen Dinge verteilen, die besonders für Frauen notwendig sind, zum Beispiel Binden.« Nach dem Beben erreichten die Stadt lange keine staatlichen Hilfen. Die lokale Bevölkerung, zum Großteil arabische Alevit*innen, Christ*innen und einigen Armenier*innen, vermutet, dass der Staat sie absichtlich im Stich gelassen hat. Gleichzeitig ermöglichte die besondere Tradition der arabisch-alevitischen Gesellschaft in Antakya einen schnellen Aufbau von Solidaritätsstrukturen.
»Als Mor Dayanışma haben wir schnell gemerkt, dass Frauen aus dem öffentlichen Raum verschwunden waren. Unser Frauenzelt deckt nicht nur die unmittelbaren Bedürfnisse ab, sondern ist auch ein zentraler Ort für den Austausch der Frauen untereinander geworden«, berichtet İpek in einer Videobotschaft. »Heute haben wir ein Frauenzelt, aber längerfristig wollen wir eine feministische Stadt errichten: einen Ort, an dem Frauen sicher sind und in dem eine Gesellschaft Frauen als gleichberechtigt anerkennt«, erklärt İpek.
Was als improvisierte Hilfsstruktur begann, wurde schnell zu einem Ort der Solidarität und der demokratischen Selbstorganisierung. »Obwohl es hier immer wieder Nachbeben gibt und nach wie vor jegliche staatliche Unterstützung fehlt, verlassen viele Menschen ihre Heimat nicht. Sie wollen unsere Region wieder aufbauen.« Für İpek ist auch das praktische feministische Solidarität. Sie selbst unterstützt den Wiederaufbau aus der Ferne.
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