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Drohen Ölkatastrophen am Nordpol?
Dr. Schmidt erklärt die Welt: Warum will Norwegen in der Arktis nach Öl und Gas bohren und wie gefährlich ist das?
Die Klimakrise ist eine Energiekrise: Norwegen hat jetzt 92 Bohrungen in der Arktis genehmigt.
Für die Ölindustrie ist das wahrscheinlich ganz normal. Aber von der Vergabe der Bohrlizenzen bis zum Start der Bohrungen kann es dauern. Bohrungen am Meeresgrund sind teuer. Die Erschließung solcher Offshorequellen hängt davon ab, wie sich die Gas- und Ölpreise entwickeln.
Ist das Öl nicht irgendwann alle?
Irgendwann mit Sicherheit. Erdöl ist ja ein fossiler Brennstoff, entstanden durch Biomasse in grauer Vorzeit. So wie Kohle und letztlich auch Erdgas. Obwohl auch bei Vulkanausbrüchen oft eine ganze Menge Methan rauskommt. Bei Öl und Gas geht es immer darum, wie viel man preisgünstig aus der Erde holen kann. Wenn der Preis in die Höhe schießt, dann nimmt man eben auch eine wesentlich kostspieligere Förderung in Kauf. So wie beim Fracking in den USA, das sich nur bei hohen Preisen auf dem Weltmarkt lohnt.
Aber ist die Arktis nicht unter Schutz gestellt?
Es gibt den Arktischen Rat, eine Organisation der Anrainerländer der Arktis – doch der dient allenfalls dem Interessenausgleich mit den indigenen Völkern. Aber bislang gibt es da keine Sperrung der Rohstoffgewinnung.
Und wenn bei einer Havarie Öl ausläuft, was würde dann passieren?
Erst mal das Gleiche wie 2010 im Golf von Mexiko. Der gravierende Unterschied ist die Wassertemperatur und die damit verbundenen Eigenheiten a) des Ökosystems und b) des Ölabbaus. Denn der Ölabbau durch Mikroben nach einer Havarie geht bei geringeren Wassertemperaturen wesentlich langsamer vor sich als bei den relativ höheren Temperaturen im Golf von Mexiko. Wegen der sehr niedrigen Temperaturen sind im Polarmeer bei vielen Lebewesen auch die Lebenszyklen sehr sehr viel länger. Wenn sie unterbrochen werden, ist der Schaden entsprechend größer. Es gibt beispielsweise Polarhaie, die einige Hundert Jahre alt werden können. Die vermehren sich entsprechend langsam.
Aber Norwegen sagt: Wir brauchen jetzt Öl und Gas. So ähnlich wie Atomkraftwerksbetreiber auch argumentieren.
Interessant ist: Mit ihrem riesigen Staatsfonds, in den die Gewinne fließen, investieren sie nicht in fossile, sondern in nachhaltige Projekte. Es gibt also durchaus ein Bewusstsein, aber das ist ambivalent. Genauso wie der deutsche Moralismus, der das geißelt. Denn wir sind die Verbraucher. Die fünf Millionen Norweger verbrauchen das Erdgas nicht, das sie da aus dem Meeresboden holen. Die liefern das beispielsweise zu uns. Insofern ist die Frage, ob es eine größere Sauerei ist, wenn Gas in den USA mit Fracking gewonnen wird oder im norwegischen Polarmeer. In beiden Fällen ist es eigentlich Mist. Und wir haben bislang nicht unbedingt so tolle Maßnahmen ergriffen, um das sparsam zu verbrauchen.
Die arme Arktis.
Ein interessantes Katastrophenkonstrukt hat ja der Schriftsteller Frank Schätzing in seinem Bestseller »Der Schwarm« entworfen, der nun als Serie verfilmt wurde: Alle Tierarten des Meeres wollen den Menschen vom Erdboden tilgen, angeführt von uralten Meeresbakterien. Als die Idee aufkam, Gaskondensate an den Hängen des Kontinentalschelfs von Norwegen abzubauen, destabilisieren bei Schätzing Meereswürmer den Unterwasserhang so, dass er irgendwann auf breiter Front abrutscht. Das würde auf der anderen Seite des Atlantiks, an der Ostküste der USA zu einem Tsunami führen. Ein bisschen so wie bei Roland Emmerichs Kinofilm »The Day After Tomorrow«.
Damit endlich Ruhe ist, sozusagen.
Nur weiß man nicht, ob – wenn die eine intelligente Spezies, die den ganzen Globus zu beherrschen versucht, ausstirbt – die Evolution nicht noch mal einen Dreh findet, eine andere Spezies auf einen ähnlich dusseligen Weg zu führen.
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