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Feministisches Festival mit Kampfansage ans Musikbusiness
Gegen den »Alltagsabfuck«: In Berlin findet zum Frauenkampftag das Festival »Jenseits von Nelken und Pralinen« statt
Als »musikalische Kampfansage« macht das feministische Festival »Jenseits von Nelken und Pralinen« zum Frauenkampftag ordentlich Lärm. Besonders Liebhaber*innen von Hiphop und Rap kommen hier auf ihre Kosten: Mit einem Fokus auf weiblich gelesenen Künstler*innen wird im Berliner Club »Gretchen« am 7. März der musikalische Auftakt des Internationalen Frauentages am nächsten Tag gefeiert. Anders als einige Veranstaltungen am Frauenkampftag heißt das Festival alle Geschlechter willkommen. »Unser Ansatz ist, dass Veränderung nur stattfinden kann, wenn man sich mit allen Menschen auseinandersetzt«, erklärt Mitbegründerin Jackie Jackpot.
Als Kampfansage an das Musikbusiness versteht Mitorganisatorin Simone Schrempf das Festival, denn noch immer sind trotz aller progressiver Diskurse und Initiativen weiterhin zu wenige Frauen auf Festivalbühnen der Normalzustand. Laut einer Studie der Ma-Lisa-Stiftung waren in dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie 16 Prozent der Musiker*innen auf Festivalbühnen weiblich. Die Recherche zur Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche ergab außerdem, dass sich die Situation seit 2010 kaum verbessert hat. Insbesondere Hiphop als Genre gilt als besonders sexistisch und männerdominiert. »Tatsächlich lässt es sich nicht wegdiskutieren, dass für Frauen in der Szene oft nur bestimmte Rollen vorgesehen sind und das vorherrschende Männerbild guten Gewissens als toxisch bezeichnet werden kann«, erklärt Schrempf. Mittlerweile habe sich aber in Deutschland eine starke und laute queere Hiphop-Szene entwickelt, Rapperinnen setzten verstärkt auf Kooperation statt Konkurrenzkampf.
Die mangelnde Sichtbarkeit von Frauen wird oft damit begründet, dass Festivalveranstalter*innen gerne Frauen auf die Bühnen bringen wollten, aber keine fänden. Doch das stimme nicht, sagt Jackie Jackpot, die in dem 30-köpfigen Organisationsteam für das Booking der Musiker*innen verantwortlich ist. Im Gegenteil, sie stehe viel eher vor dem Problem, für das Line-up eine Auswahl zu treffen, weil es so viele spannende Künstler*innen gebe: »Man muss halt die Augen aufmachen und suchen. Das braucht natürlich Zeit.« Das diesjährige Line-up kündigt Auftritte von Menschen aus ganz Europa an.
Auch an jene, die lauschen wollen, aber nicht in Berlin sind, ist gedacht. Seit 2021 läuft das Festival hybrid und kann im interaktiven Stream verfolgt werden. Geboren aus der Not der Corona-Pandemie, ist das Streaming zu einem elementaren Teil des Festivals geworden, das Fans über Stadt- und Ländergrenzen anzieht. So können auch Menschen dabei sein, die beispielsweise an dem Tag keine Kinderbetreuung finden oder an einer Erkrankung leiden. Es soll sich so anfühlen, als wäre man wirklich beim Festival dabei und mittendrin im Geschehen. Aber ohne Fördergelder wäre dies nicht möglich. Jackie Jackpot und Simone Schrempf sind dankbar für den Hauptstadtkulturfonds, der ihnen die Chance gibt, weiterhin einen Stream zu ermöglichen.
Am Anfang war dieser technische Kraftakt eine große Herausforderung. Doch eigentlich gibt es jedes Jahr etwas Neues zu lernen: »Jenseits von Nelken und Pralinen« findet mittlerweile zum achten Mal statt, seitdem ist das Festival immer weiter gewachsen und die Organisation auch professioneller geworden. Dazu gehört natürlich, dass Geld reinkommen muss und dafür jedes Jahr neue Förderanträge gestellt werden. Und dann gibt es Jahre, in denen eine Pandemie wütet, Künstler*innen an Corona erkranken, Flüge ausfallen oder alle Hotels der Stadt ausgebucht sind. Doch davon lassen sich die Organisatorinnen nicht aus dem Konzept bringen und wachsen weiter an ihren Aufgaben.
Der Name des Festivals ist eine Anspielung an die früher am Frauentag üblichen Geschenke: Blumen und Schokolade. Jenseits davon gibt es für die Festivalorganisatorinnen viele Ungerechtigkeiten, die am Frauenkampftag adressiert werden müssen. Neben dem »Alltagsabfuck« gebe es viele gesellschaftspolitische Themen wie körperliche Selbstbestimmung, der Gender Pay Gap oder Gewalt an Frauen, erklärt Schrempf. Für sie ist die Organisation eines feministischen Festivals politische Arbeit. »Wir wollen es besser machen, sonst gibt es so eine Art von Festival zum Internationalen Frauentag in Berlin nicht«, erklärt sie. Es geht darum, für weiblich gelesene Künstler*innen eine Bühne zu schaffen und ihnen das Wort zu geben. Und zum Frauenkampftag einen empowernden Ort zu schaffen.
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