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Die Not der Frauenhäuser

Zu wenig Plätze, zu wenig Geld: Zum Frauenkampftag rufen die Autonomen Frauenhäuser am 7. März zum Streik in Berlin, darunter auch das Cocon

  • Nina Winter
  • Lesedauer: 4 Min.

Etwas abgelegen liegt das Haus in einem Ostbezirk, der Gartenzaun ist mit Holzpaneelen verkleidet, der Blick in den Hof erschwert. Als der Summer ertönt und sich das Tor öffnet, wartet eine Frau mit lockigem Haar an der Tür und strahlt: »Herzlich willkommen«. Neben Beatriz Alves, die ihren wirklichen Namen nicht öffentlich machen möchte, türmen sich alte Küchengeräte. »Wir haben neue Küchen und Möbel gespendet bekommen und räumen gerade aus«. Im Flur stehen drei Gemüsekisten von der Tafel. In den Büros arbeiten zwei Mitarbeiterinnen, es geht um Sorgerecht, Anträge zu Sozialhilfen, Kontakt mit Ärzten, Behörden, auch Aufenthaltsrecht. Das Frauenhaus Cocon in Berlin ist wie viele Frauenhäuser ein kleiner Verein, der jährlich Geld vom Land beantragt sowie Spenden erhält. »Im letzten Jahr kam das Geld für 2022 erst im September«, sagt Beatriz Alves, »eine planbare Finanzierung würde vieles leichter machen«.

Im von den Grünen geführten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche (BMFSFJ) arbeite man aber daran, bestätigt eine Sprecherin. Im ersten Schritt laufe eine Kostenkalkulation für den aktuellen Bedarf, im zweiten werden die Kosten eines bedarfsgerechten Ausbaus geprüft. Eckpunkte dazu sollen in der ersten Jahreshälfte 2023 veröffentlicht werden. Das Recht auf Schutz und Beratung soll gesetzlich verankert werden und der Bund will sich einheitlich an den Kosten beteiligen.

Voll belegt und nicht barrierefrei

Beatriz Alves läuft die steilen Treppen des Frauenhauses hinauf, an den Seiten sind sie mit fluoreszierendem Band beklebt, »barrierefrei sind wir leider auch nicht hier«. In jeder Etage befinden sich links und rechts je drei Zimmer und ein Bad, in der Mitte eine offene Küche mit Wohnzimmer, wenig Persönliches, alles wirkt funktional. »Wir versuchen, das Beste draus zu machen und sind froh über die neuen Möbel und Küchen, es wird viel schöner«, sagt die Frauenhausmitarbeiterin fast entschuldigend. Die Zimmer sind unterschiedlich groß, je nachdem, ob die Frauen mit Kindern kommen oder ohne. Es gibt Platz für 20 Frauen und 33 Kinder, immer wieder passiert es, dass die Plätze komplett belegt sind und sie Frauen wegschicken müssen. »Das ist traurig, wir versuchen, woanders hin zu vermitteln, aber manchmal ist es schwer«, sagt sie.

Tausende Frauenhausplätze fehlen

Die Zahl der Frauenhausplätze stagniert seit über zehn Jahren bei knapp 7000 Plätzen insgesamt. Den eklatanten Platzmangel bestätigt auch eine aktuelle Recherche von Correctiv. Der Bund sieht einen Platz auf 10 000 Einwohner*innen vor. Doch auch mit 3000 Plätzen mehr würde das Ziel der vor fünf Jahren unterzeichneten Istanbul-Konvention verfehlt, denn dort ist ein Familienplatz pro 10 000 Einwohner*innen vorgesehen, bzw. zweieinhalb Plätze, um auch die Kinder der betroffenen Frauen mitzudenken. Eine Empfehlung des Europarats sieht einen Platz pro 7500 Einwohner*innen vor. Demnach müsste Deutschland seine Kapazitäten auf insgesamt 21 400 Plätze aufstocken. 

Außerdem fehlt bisher die im Koalitionsvertrag vereinbarte staatliche Koordinierungsstelle, die politische Maßnahmen abstimmt, umsetzt, beobachtet und bewertet, sagt Britta Schlichting von der Zentralen Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF). In der ZIF sind rund 100 der insgesamt 350 Frauenhäuser parteipolitisch und konfessionell unabhängig organisiert.

Lesen Sie zur Lage sozialer Einrichtungen auch den Artikel »Soziale Infrastruktur bedroht« von Lisa Ecke.

Ihr Wunsch wäre – vergleichbar mit Spanien – »eine Koordinierungsstelle mit ausreichend Mitarbeitenden ausgestattet, hoch angesiedelt, also Ministerien übergreifend, sowie weisungsbefugt« zu schaffen.

Bisherige Maßnahmen wie das Bundesförderprogramm »Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen« seien hingegen nicht zielführend. Hier können jährlich 30 Millionen Euro abgerufen werden für Baumaßnahmen, doch die Mitarbeitenden haben weder die Kapazitäten für aufwendige Bauanträge, noch sind viele der genutzten Immobilien im Eigentum. Kein Wunder also, dass seit 2020 bisher nur ein einziges Projekt eines großen kirchlichen Trägers auf der Webseite aufgeführt ist.

Zeitraubende Bürokratie

Beatriz Alves bestätigt die Fülle an Anträgen und Behördenkontakten, die allein der laufende Betrieb erfordert. Vielseitig sei die Arbeit trotz allem, von der organisatorischen Seite über den pädagogischen Anspruch bis zur Öffentlichkeitsarbeit, um Spenden zu generieren. Und dann gibt es noch diese besonderen, motivierenden Momente. Sie schließt ein Zimmer auf, in dem sich Kisten und Plastiksäcke türmen: »Wir haben eine Wohnung für Amira (Name geändert) und ihre drei Kinder gefunden. Solche Entwicklungen geben uns immer ungeheuere Kraft«. Und am Protesttag wollen Mitarbeitende vom Frauenhaus Cocon mit einigen Bewohnerinnen mit ihren Kindern teilnehmen, die Leitung des Hauses werde eine Rede halten.

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