Aus Angst vor Ansteckung zu spät zum Arzt

Die Zahl der Krebsdiagnosen im Land Brandenburg steigt

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

In den Jahren der Corona-Pandemie gingen auch krebskranke Patienten später zum Arzt, als es ratsam gewesen wäre. Wie Professor Michael Kiehl, Chefarzt am Klinikum Frankfurt (Oder) vor dem Brandenburgischen Krebskongress am Montag erklärte, trug die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu bei, dass an Krebs erkrankte Menschen einschlägige Symptome »anders interpretiert haben als vor Corona«.

Während vor dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 zwischen 15 und 18 Prozent der sich beim Arzt vorstellenden Patienten schon tumorbedingte Ernährungseinschränkungen hatten, waren es in der Coronazeit 80 bis 90 Prozent. Kiehl zufolge ist das ein Anzeichen dafür, dass Menschen länger damit gewartet hatten, einen Mediziner aufzusuchen. Wenn der Krebskranke beispielsweise schon Gewicht verliere, sei das Leiden weit fortgeschritten und der Körper schon stärker geschwächt. Das verringere in jedem Fall die Erfolgsaussichten einer Therapie, so Kiehl. Vor Corona seien viele mit unerklärlichem Hustenreiz zum Arzt gegangen. In den Pandemiejahren hätten viele damit gewartet, bis der Husten blutig geworden sei.

Diese Menschen waren in gewissem Sinne ebenfalls Coronaopfer. Die Chefin des klinischen Krebsregisters Berlin-Brandenburg, Dr. Renate Kirschner-Schwabe, bestätigte diese Einschätzung. »Diese Tendenz deutet sich in der Statistik an«, sagte sie. Im »Ärzteblatt« hätten Spezialisten aus Rheinland-Pfalz darüber berichtet.

Die Schirmherrin des Krebskongresses, Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), verwies darauf, dass es während der Pandemie immer Appelle gegeben habe, bei bestimmten Anzeichen auf jeden Fall zum Arzt zu gehen. Fälle zu erfassen, die dennoch darauf verzichteten, sei bei Schlaganfällen und Herzinfarkten schwieriger als bei Krebs, wo das Register fortgeführt werde. Doch Patienten seien damals vom Arztbesuch abgeschreckt gewesen. Der demografische Faktor, das heißt das Älterwerden der Gesellschaft, wird Nonnemacher zufolge auch von einem Anstieg der Krebsdiagnosen begleitet. Und deshalb rechne sie mit zunehmenden Krebszahlen auch in den kommenden Jahren.

An der Tatsache, dass Krebs nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache ist, werde sich vermutlich auch in Zukunft nichts ändern, bedauerte die Ministerin. Obwohl inzwischen eine solche Diagnose nicht mit einem Todesurteil gleichzusetzen sei und es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten beträchtliche Fortschritte bei der Heilung von Krebs oder zumindest beim Hinauszögern des Todeszeitpunkts gegeben habe, wirke eine Krebsdiagnose auf die Betroffenen immer noch niederschmetternd. Brandenburg verfüge über eine hochentwickelte Behandlungsstruktur an den Klinikstandorten Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin, Bad Saarow, Schwedt und Eberswalde.

Der Krebskongress, der am 10. und 11. März in Potsdam unter dem Motto »Onkologie im Land Brandenburg – machen, was wirkt« stattfindet, versammle 350 Fachkräfte aus allen Teilen des Landes, sagte Kongresspräsident Professor Markus Deckert von der Medizinischen Hochschule Brandenburg. Es gehe bei der Tagung um die Vernetzung aller, die sich mit diesem Thema beruflich befassten. Deckert sprach von bahnbrechenden neuen Präparaten, die entwickelt worden seien, gleichwohl ihre Wirksamkeit in der Praxis dann oft doch nicht den erwarteten oder erhofften Umfang hätten. Der Klimawandel spielt nach den Worten des Spezialisten auch in das Thema Krebs und Krebsbehandlung hinein. Denn wenn durch lang anhaltende Trockenheiten und Hitzeperioden der Körper schon allgemein geschwächt sei, könne er auch weniger Ressourcen zur Bekämpfung des Krebserkrankung mobilisieren. Das treffe vor allem auf ältere Menschen zu.

Im vergangenen Jahr erkrankten in Brandenburg 8300 Männer und 6380 Frauen an Krebs. 11 238 Krebspatienten, die teils schon länger krank waren, verstarben 2022. Ihre Diagnose überleben 56 Prozent der Männer länger als fünf Jahre, bei den Frauen waren es 66 Prozent. Männer leiden am häufigsten unter Prostata- und Lungenkrebs, Frauen unter Brustkrebs.

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