Brandenburg: Rot-Lila spart bei Familien

Verbände protestieren gegen Kürzungen bei Kitas, Pflege und Schwangerschaftsberatungen

Verbandsvertreter protestieren vor dem Brandenburger Landtag gegen Kürzungen bei Kitas und Pflege.
Verbandsvertreter protestieren vor dem Brandenburger Landtag gegen Kürzungen bei Kitas und Pflege.

Das Kind am Morgen in der Kita abgeben, einen vollen Tag arbeiten und es am Abend wieder abholen – für Alleinerziehende und Familien, in denen beide Elternteile voll berufstätig sind, ist eine ganztägige Kinderbetreuung oft essenziell. Doch vielerorts in Brandenburg könnte das nun schwierig bis unmöglich werden. Davor warnen Sozialverbände.

»Die dritte Betreuungsstufe darf auf keinen Fall entfallen«, warnt Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Potsdam, am Montag bei einer Pressekonferenz im Brandenburger Landtag. Gemeinsam mit Vertretern anderer Sozialverbände protestiert sie dort gegen Kürzungen bei der Familienpolitik im neuen Brandenburger Doppelhaushalt.

Mit dem Begriff »dritte Betreuungsstufe« wird ein internes System beschrieben, mit dem berechnet wird, wie der Einsatz von Kita-Personal in Randzeiten finanziert wird. In der Praxis bedeutet das die Betreuung von Kindern, die acht Stunden und mehr in der Kita verbleiben. Bislang wird die dritte Betreuungsstufe im Rahmen des Gute-Kita-Gesetzes durch den Bund finanziert. Doch dieser Zuschuss wird im kommenden Jahr entfallen.

Sozialverbände hatten gehofft, dass das Land einspringen würde. Doch im Entwurf für den neuen Doppelhaushalt gibt es keinen entsprechenden Posten. »Bislang ist das schlecht finanziert – aber immerhin überhaupt«, sagt Schweers. Sollte die Betreuungsstufe entfallen, würden viele Eltern in die Teilzeit gezwungen werden, was sich negativ auf ihre Rente auswirke. Zwei Drittel der Kita-Kinder würden 40 und mehr Stunden betreut, so Schweers. Dazu komme, dass die Landesregierung den Betreuungsschlüssel in Kitas heraufsetzen wolle. Den Kitas sollen also weniger Personalmittel für die gleiche Zahl Kinder bereitgestellt werden.

Unterstützung kommt von Kita-Eltern. »Wir Eltern wissen nicht, was wir machen sollen«, sagt Katharina Queisser, Sprecherin der Bundeselternvertretung. Der Wegfall der dritten Betreuungsstufe sei »das Ergebnis von Spar- und Streichpolitik«. Dabei müsse Brandenburg die Mittel für Kitas eigentlich steigern und nicht senken.

Der Entfall der Langzeitbetreuung in Kitas ist nicht der einzige Posten im neuen Landeshaushalt, der die Sozialverbände umtreibt. So soll die Förderung für Schwangerschaftskonfliktberatungen nicht erhöht werden. Dies bringe die Beratungsstellen in Existenznöte, warnt Andrea Asch, Vorständin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg. »Wenn der Zuschuss nicht erhöht wird, werden weitere Beratungszentren sich gezwungen sehen zu schließen«, sagt sie. Bereits im vergangenen Jahr hätten fünf Schwangerschaftsberatungen schließen müssen, bei weiteren drei hätte es Einschnitte im Angebot gegeben.

»Schwangerschaftsberatung ist eine Pflichtaufgabe«, sagt Asch. So sehe es das Bundesgesetz vor. Die aktuelle Förderung genüge nicht, um die Kosten zu decken. Die Träger würden daher selbst Mittel zuschießen. »Das ist dauerhaft nicht tragbar«, so Asch. In manchen Regionen könnte es so künftig gar keine Beratungsangebote mehr geben. Darunter litten nicht nur Arme und Suchtkranke, sondern etwa auch werdende Eltern, bei denen die Pränataldiagnostik auffällige Ergebnisse hervorgebracht hätte.

Um ein Viertel sollen die Mittel für den Pflegepakt sinken – drei von zwölf Millionen Euro. Der Pflegepakt ist ein Förderprogramm, mit dem Kommunen Gelder für die Bedarfsplanung in der häuslichen Pflege bereitgestellt werden. Zudem werden über das Programm die sogenannten Pflegestützpunkte finanziert, also Beratungsstellen für pflegende Angehörige.

Die Kürzungen am Pflegepakt seien »besonders bitter«, so Andreas Kaczynski, Vorstand des Brandenburger Landesverbands des Paritätischen Gesamtverbands. Der Pflegepakt sei eine Erfolgsgeschichte. »Wir werden dramatische Situationen erleben«, warnt Kaczynski. Denn durch die Kürzungen könnte wichtige Infrastruktur bei der Pflege entfallen.

Der Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 war in der vergangenen Woche in den Brandenburger Landtag eingebracht worden. Er sieht Kürzungen in zahlreichen Bereichen vor. Weil der Doppelhaushalt eine pauschale Minderausgabe von zwei Milliarden Euro enthält, wird es höchstwahrscheinlich im Verlauf des Jahres noch zu weiteren Spardiskussionen kommen.

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