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  • Berlin
  • Verdacht auf Korruption

Razzia bei Immobilienkonzern Vonovia

Beim Branchenriesen gibt es den Verdacht auf »problematische Vorgänge« bei der Auftragsvergabe

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Dienstag stand bei Deutschlands größtem Immobilienkonzern die Polizei vor der Tür. Die Staatsanwaltschaft Bochum und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ermitteln gegen das Bochumer Unternehmen Vonovia. Gegen Mitarbeiter des Konzerns und andere Beteiligte werde wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung, der Untreue und des Betrugs ermittelt, hieß es bei der Staatsanwaltschaft.

Vonovia steht seit Jahren in der Kritik – so auch in der Bundeshauptstadt. Der Dax-Konzern, der nach eigenen Angaben über einen Bestand von europaweit rund 550 000 Wohnungen verfügt, davon alleine 42 000 in Berlin, wird wegen seiner Marktmacht kritisiert. Das 100 Millarden Euro teure Unternehmen kauft ständig neue Wohnungen und Objekte. 2021 übernahm der Konzern die Mehrheit des Konkurrenten Deutsche Wohnen. Mieterinitiativen werfen Vonovia zu hohe Mieten vor. Auch werden immer wieder die Abläufe bei Betriebskosten und Modernisierungen beanstandet. Oftmals gab es insbesondere in Berlin Streit wegen aus Mietersicht nicht nachvollziehbarer hoher Kosten.

»Der Fehler liegt im System«, sagt Ralf Hoffrogge, Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, zu »nd«. »Hätte man auf die Mieterinnen und Mieter gehört, hätte man es seit Jahren wissen können.« Für sie sei es unglaublich schwer, an transparente Betriebskostenabrechnungen zu kommen. Staatliche Kontrolle fehle. »Somit gibt es Anreize für die Unternehmen, sich zu bereichern, was die aktuellen Ereignisse zeigen«, so Hoffrogge. 2021 stimmte in der Hauptstadt die deutliche Mehrheit der Bevölkerung dafür, große Immobilienkonzerne wie Vonovia zu enteignen. Im November startete die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen darüber hinaus eine eigene Kampagne zu Betriebskostenabrechnungen für Mieterinnen und Mieter, um sich gegen zu hohe Kosten zu wehren.

Nach bisherigen Ermittlungen hatten Vonovia-Mitarbeiter Subunternehmen bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt und dafür unterschiedliche Gegenleistungen erhalten. Neben Bargeld, das die Beschuldigten untereinander aufgeteilt haben sollen, hätten sie auch Sachleistungen angenommen: mal ein Gasgrill, mal eine Solaranlage, mal die Rechnung vom Baumarkt oder für den Gärtner. Die beauftragten Unternehmen ihrerseits stehen in Verdacht, die Vonovia-Mitarbeiter bestochen und mit überhöhten Preisen vom mutmaßlichen Korruptionssystem profitiert zu haben. Dabei sollen auch Leistungsverzeichnisse manipuliert worden sein, um den beauftragten Unternehmen die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen zu ermöglichen. Ein Gebäudetechnikunternehmen soll Scheinrechnungen für Vonovia ausgestellt haben.

Im Fokus der Ermittlungen stehen nach Informationen des Westdeutschen Rundfunks und der »Süddeutschen Zeitung« zwei Vonovia-Mitarbeiter aus dem mittleren Management, die seit 2011 Zuwendungen im Wert von rund einer halben Million Euro angenommen haben sollen. Im Gegenzug sollen sie Bau- und Handwerksfirmen Aufträge in Millionenhöhe zugeschanzt haben. Laut den WDR- und »SZ«-Recherchen soll sich im Immobilienkonzern »eine kriminelle Bande« gebildet haben. Erste Hinweise darauf habe die Staatsanwaltschaft bereits im Winter 2021 erhalten. Im Zuge der Ermittlungen seien in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen mehr als 40 Privat- und Geschäftsräume durchsucht und vier Haftbefehle vollstreckt worden, berichtete die Staatsanwaltschaft.

Der Deutsche Mieterbund warnte, dass auch Mieter*innen durch die aktuellen Vorgänge geschädigt worden sein könnten. Ein großer Teil der von Vonovia vergebenen Handwerkerleistungen werde direkt oder indirekt von den Vonovia-Mieter*innen gezahlt. So könnten viele Kosten in Zusammenhang mit Modernisierungen wie auch Handwerkerleistungen für Betriebskosten nach der Rechtslage auf die Mieterseite umgelegt werden. »Der Fall muss, wenn sich die Vorwürfe erhärten, lückenlos aufgearbeitet werden, damit nicht die Mieterinnen und Mieter nachher den Schaden haben«, verlangte Verbandschef Hans-Jochem Witzke.

Vonovia zog zudem durch seine jüngste Ankündigung Kritik auf sich, im laufenden Jahr keine Neubauprojekte mehr zu starten. Betroffen sind hiervon vor allem Berlin und Dresden. Dabei geht es Vonovia bestens. Der Immobilienkonzern konnte durch die Übernahme von Deutsche Wohnen seinen operativen Gewinn im Jahr 2022 um 35 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Euro erhöhen.

»Sich auf Vonovia zu verlassen, stellt sich als großer Fehler heraus«, sagte daher die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Caren Lay. »Profitgetriebene Konzerne sind kein verlässlicher Partner beim Wohnungsbau, sie bauen nur, wenn es sich schnell rentiert«, erklärte die Politikerin weiter. Das Bündnis »Soziales Wohnen« aus Mieterbund, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sowie Sozial- und Branchenverbänden der Bauwirtschaft sprach zuletzt davon, dass 2023 bundesweit rund 700 000 Wohnungen fehlten.

Nachdem die Fahnder am Dienstag in der Vonovia-Zentrale angerückt waren, zeigte sich das Unternehmen alarmiert: Man sei selbst Geschädigte in dem Fall, hieß es. Vorstandschef Rolf Buch erklärte: »Offenbar haben sich einzelne Mitarbeiter bei unseren Tochterunternehmen zum Schaden von Vonovia bestechen lassen.« Das sei »nicht akzeptabel«. Vonovia beauftragte die Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte mit einer unabhängigen Prüfung der Vorgänge. Man habe bereits erste Maßnahmen ergriffen, heißt es aus der Konzernzentrale. Seit der Razzia am Dienstag büßte der Aktienkurs von Vonovia knapp sechs Prozentpunkte ein.

Doch der Korruptionsverdacht ist für das Immobilienunternehmen nicht neu. Bereits in den 90er Jahren gab es ganz ähnliche Vorwürfe gegen den Konzern Veba-Immobilien, aus dem nach mehreren Übernahmen und Namenswechseln Vonovia in seiner heutigen Form hervorging. Mit Agenturen

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