- Wirtschaft und Umwelt
- Reisen nach der Corona-Pandemie
RSV-Schutzimpfungen in Sicht
Auch reisende Über-60-Jährige könnten von neuen Vakzinen gegen die Lungeninfektion profitieren
Die Pandemie ist vorbei, aber Covid-19 ist noch da. Wie stark und wo genau, können Reisende vorab nicht immer wissen. Reisemediziner warnen aktuell, dass der volle Impfschutz in Bezug auf das Virus noch ein Thema bei der Einreise in manche Staaten sein könne. Zudem sei nicht klar, was in Sachen Corona gerade in China passiere. Diese und andere Themen wurden auf dem Forum Reisen und Gesundheit diskutiert. Die medizinische Fachtagung findet jährlich in Zusammenhang mit der Berliner Reisemesse ITB statt. Am vergangenen Freitag wurden einige Schwerpunkte der Öffentlichkeit präsentiert.
So macht sich das Pandemie-Ende nicht nur in den Reisbüros bemerkbar, in die wieder Kunden kommen und buchen. Auch bei den teils einschlägig spezialisierten Ärzten tauchen mehr reiselustige Patienten mit ihren Fragen in der Sprechstunde auf. Eine solche Beratung ist durchaus sinnvoll, insbesondere, wenn sich Menschen ab 60 Jahren oder Familien mit Kindern auf den Weg machen.
Eltern von kleineren Kindern empfiehlt Mathias Wagner, niedergelassener Kinderarzt in Berlin, sich bei der Vorbereitung der Reise deren Ablauf vorzustellen. Schon fehlende Kindersitze im Taxi zum Flughafen könnten zum Problem werden und unnötigen Stress erzeugen. Eine Reiseapotheke muss vorbereitet werden, oft gehören Sonnen- und Mückenschutz ins Gepäck.
Von den gängigen Reiseimpfungen für bestimmte Regionen seien fast alle auch für Kinder ab drei Jahren geeignet. Wagner rät, bei Rücksprache mit Ärzten auch Lücken im Impfkalender zu schließen, wenn etwa in der Pandemie eine der empfohlenen Immunisierungen versäumt worden sei. Er verweist auf die Masernwelle in Madagaskar, die im Jahr 2019 mehr als 1200 Todesopfer forderte. Vom Alter her würde Wagner zum Beispiel von einer Reise mit Kindern unter fünf Jahren in Malaria-Gebiete abraten.
Reisen mit Kindern seien aber prinzipiell gut, sagt Wagner: »Sie gewinnen soziale Kompetenz, der Zusammenhalt der Familie wächst.« Jedoch sei gut abzuwägen, wohin die Reise gehen soll und welche Vorbereitungen unverzichtbar sind. Manchen Gefahren sind Kinder mit ihrer geringen Körpergröße deutlich mehr ausgesetzt als Erwachsene, etwa Tierbissen – und zwar gar nicht so sehr durch Schlangen oder Skorpione, sondern durch Hunde und Affen. Attacken von den letztgenannten gehen mit einem Tollwutrisiko einher. Bei solchen Bissen seien jüngere Kinder häufiger durch Verletzungen an Kopf und Hals betroffen.
Bei den Schutzimpfungen ist nach der Covid-19-Pandemie ein neues Thema auf die Tagesordnung getreten. Geimpft werden könnte in Zukunft auch gegen das respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Der weltweit verbreitete Erreger führt zu akuten Erkrankungen der oberen (Nase, Nasennebenhöhlen sowie Rachenraum) und unteren Atemwege (Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien sowie die Lunge selbst). Das Virus kann für Säuglinge, insbesondere Frühgeborene, gefährlich werden. Eine regelrechte RSV-Welle bei Kleinkindern erreicht Deutschland zum Ende der Pandemie im Herbst 2022, mit einer hohen Zahl von nötigen Krankenhausbehandlungen. Bekannt ist der Erreger und seine Gefahren für die Jüngsten schon seit 1956, er wurde zuerst bei Schimpansen beschrieben.
Eine aktive Immunisierung gegen RSV war bislang nicht möglich. Mehrere Impfstoffkandidaten scheiterten in den klinischen Prüfungen. Nun gibt es aber bessere Nachrichten: Neben einer möglichen passiven Prophylaxe mit monoklonalen Antikörpern, die für Kleinkinder entwickelt und zugelassen wurden, gibt es jetzt erste positive Ergebnisse mit einem bivalenten maternalen Impfstoff. Damit werden Frauen gegen Ende der Schwangerschaft geimpft. Die so induzierten Antikörper gelangen über die Plazenta in den Körper des Embryonen und schützen das Neugeborene für mehrere Monate. Für das Vakzin wurde ein Antrag auf Schnellzulassung bei der US-amerikanischen Behörde FDA gestellt.
Eine Gesundheitsgefahr kann RSV aber ebenso für Menschen ab 60 Jahren mit sich bringen – auch sie könnten in Zukunft geimpft werden, um schwere Infektionen der unteren Atemwege zu vermeiden. Risikofaktoren in der Altersgruppe sind Vorerkrankungen der Lunge und des Herzens, eine Schwächung des Immunsystems sowie Diabetes. Die Schwere der RSV-Infektionen, so Tino F. Schwarz vom Klinikum Würzburg Mitte, gleicht bei Älteren einer Influenza. »Hinsichtlich der klinischen Relevanz wurde die RSV-Infektion bis vor kurzem unterbewertet«, fügt er hinzu.
Aber für die älteren Patienten sind aktuell fünf aktive Impfstoff-Kandidaten bereits in den fortgeschrittenen Phase-3-Studien angelangt. Der Infektionsepidemiologe und Labormediziner Schwarz zeigt sich überrascht davon, dass jedes der künftigen Vakzine auf einer anderen technologischen Plattform basiert, auch ein mRNS-Impfstoff des Unternehmens Moderna ist vertreten. Die übrigen kommen von GSK, Pfizer, Bavarian Nordic sowie Janssen.
Die ersten Zulassungen könnten schon vor der nächsten RSV-Saison erfolgen. In der Bundesrepublik finden sich die höchsten Inzidenzen normalerweise von November bis April.
Ebenfalls ähnlich wie bei Influenza wandert die Saison im Wechsel über Nord- und Südhalbkugel. Wer entsprechende Reisepläne hat und zur Risikogruppe gehört, sollte das in Zukunft bedenken. Offen sei noch, in welchem Rhythmus bei den neuen Impfstoffen eine Auffrischung nötig sei.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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