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Propaganda-Panzer
René Heilig über die Zurschaustellung russischer Panzerwracks
Wie zeigt man seine Wut über Russlands Überfall auf die Ukraine? Wie schreit man seine Abscheu über das Morden heraus und bewahrt Hoffnung auf Frieden? Man möchte den Krieg fernhalten und Bedrohten nah sein. Sind dabei russische Panzerwracks, die man in europäischen Hauptstädten – auch vor Moskaus Botschaft in Berlin – aufstellt, ein geeignetes Symbol der Solidarität?
Schon im vergangenen Sommer gab es derartige »Ausstellungen« in Warschau und Prag. Das Bezirksamt Berlin-Mitte lehnte eine solche ab. In dem Panzer, so teilte die Behörde mit ungewohnter Empathie mit, seien Menschen umgekommen. Befürworter des »Demonstrationsevents« argumentierten: Es waren Okkupanten! Also gleichsam keine Menschen?
Gewiss, für die ukrainischen Kämpfer, die den T-72 stoppten, saßen Feinde darin. Die oder wir?! So lautet die Schlachtfeldlogik. Gut 2000 Kilometer westlich der Front, in einer Metropole, die sich einmal rühmte, »Stadt des Friedens« zu sein, darf man anderes erwarten. Auch Erinnerung. Fast in Rufweite des Panzer-Aufstellungsortes gab es 1942 im Berliner Lustgarten schon einmal eine Schau mit zerstörten »Russenwaffen«. Antifaschisten versuchten sie zu stören und wurden dafür ermordet. So wie 250 willkürlich zusammengetriebene jüdische Geiseln, die der »Reichsführer SS« in der gerade fertiggestellten Station Z des KZ-Sachsenhausen meucheln ließ. Z? Trug der unter den Linden aufgestellte »Russenpanzer« nicht auch so ein Zeichen, bevor Flammen die Farbe von den stählernen Platten fraßen?
Stopp! Gedanken auf Abwegen … Doch: Wenn andere ihre Gedanken eingrenzen, werden eigene oft umso lebendiger – obgleich die »Todesmaschine«, die nach einem Gerichtsentscheid letztlich gegenüber der russischen Botschaft geparkt werden konnte, längst auf »Tournee« durch die Niederlande ist.
Zurschaustellungen wie diese werden maßgeblich durch das ukrainische Verteidigungsministerium organisiert. Verständlich. Kiew will Stärke beweisen und für seine gerechte Sache werben. Auch in Estland, Lettland und Litauen. In den drei Ex-Sowjetrepubliken, die heute zur Nato gehören, leben auch nach dem Zerfall der Sowjetunion zahlreiche Russen. Viele haben mit Groll zugeschaut, wie die neue Macht sowjetische Siegesdenkmale abräumte, die nach der Vertreibung der deutschen Faschisten aufgestellt worden waren. Dass die Panzer mit rotem Stern nun ersetzt werden durch »Russentanks« mit Einschusslöchern, entzweit die Gesellschaft in den Nato-Frontstaaten zusätzlich.
Man solle die in einem knappen Dutzend Städte geplante Ausstellung keinesfalls als Propaganda missverstehen, heißt es in Tallinn. Es handle sich vielmehr um »Informationsräume«, die helfen, den Krieg in der Ukraine zu verstehen. Nicht tolerieren werde man aber, wenn jemand Blumen vor dem rostigen Stahl ablegt. Dennoch lagen Blumen da, Polizisten als Straßenfeger beriefen sich auf eine städtische Verordnung gegen Müll. Ähnlich »sauber« soll der Domplatz in Litauens Hauptstadt bleiben. Deshalb stellte ein TV-bekannter Komiker einen Mülleimer vors Panzerwrack.
Ja, die Wracks wecken Leidenschaften, gaben auch die Organisatoren des Berliner »Events« zu. Mag sein, dass das Hochspülen alter und neuer Hassgefühle für einige gerade zur Leidenschaft wird. Doch selbst die sollten sich fragen, wie russische Panzersärge bei der Suche nach einem gerechten Frieden helfen.
Also besser keine Symbole? Oh doch, schon weil einige in der Frage von Krieg und Frieden mehr Zusammenhalt schaffen können als unendlich fruchtlose Debatten.
Vor Jahrzehnten trugen Mutige im Osten Deutschlands kleine Abzeichen. »Schwerter zu Pflugscharen« stand – der Bibel folgend – darauf. Abgebildet war eine Skulptur, deren Original vor der so kraftlosen Uno in New York steht. Geschaffen hat sie Jewgeni Wutschetitsch. Der wurde in der Ukraine geboren und lebte in Russland. Man muss seine Ästhetik nicht mögen, sollte aber die Botschaft verstehen. Sie ist schlicht und – anders als die der Propaganda-Panzer – menschlich.
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