Schwierige Suche nach einer Nachnutzung

Gelsenkirchens Innenstadt verliert mit der Schließung der Galeria-Filiale einen zentralen Magneten

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.

Es hat sich bereits seit Monaten angekündigt: Auf der Schließungsliste von Galeria Karstadt Kaufhof steht auch der Standort in der Gelsenkirchener City. Die Filiale an der Bahnhofstraße 48 bis 56 wird laut Konzern-Informationen zum 30. Juni 2023 geschlossen. Betroffen sind laut einem Zeitungsbericht knapp 50 Festangestellte. Über deren Zukunft, ob und wie viele an anderen Standorten übernommen werden können, dazu gibt es für die Belegschaft derzeit keinerlei Information.

Angesichts bescheidener Besucher- und Verkaufszahlen standen die Zeichen schon im Vorfeld schlecht, weiß eine Lokalzeitung zu berichten. Für einen Schimmer Hoffnung sorgte unter der Belegschaft indes die Tatsache, dass der Mietvertrag von Galeria bis 2035 festgeschrieben sein soll. Diese Hoffnung hat sich seit Montag zerschlagen. Nun endet eine lange Firmen- und Handelsgeschichte in der Ruhrgebietsstadt, die am 8. Juni 1967 mit der Kaufhaus-Eröffnung an dieser Adresse begann.

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Der Schließungsplan löste große Betroffenheit aus. Nicht nur unter den Angestellten, sondern auch in der Politik und bei der Stadt Gelsenkirchen. »Ich bedauere diese Entscheidung sehr. Das ist ein trauriger Tag für die Beschäftigten des Kaufhauses und auch für die Bahnhofstraße«, erklärt Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) auf nd-Anfrage. Sie versprach, die Angestellten zu unterstützen. Für Dienstag war ein Gespräch mit dem örtlichen Betriebsrat verabredet. »So bitter die endgültige Nachricht von der Schließung nun auch ist: Sie kommt ja nicht vollkommen überraschend«, sagt Welge. Die Stadt sei bereits in Gespräche eingestiegen, um »zum einen den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Anschlussperspektiven aufzeigen zu können und zum anderen eine möglichst zeitnahe und attraktive Folgenutzung der für die City so wichtigen Immobilie zu realisieren«.

Markus Töns, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Gelsenkirchen 123 und Mitglied im Wirtschaftsausschuss, ist erschüttert ob der Schließung der Galeria-Filiale in Gelsenkirchen. Es sei das »Resultat von jahrelangem Managementversagen, unter anderem herbeigeführt durch René Benko«, erklärt der 59-Jährige. »Wichtige Entwicklungen im Einzelhandel wurden schlichtweg verschlafen.« Auch die staatliche Unterstützung in Höhe von 680 Millionen Euro hätten nicht geholfen. Die Schließung von fast der Hälfte aller Standorte zeige, dass »der Konzern keine Zukunftsideen für das Konzept ›Warenhaus‹ hat«. Die Leidtragenden seien zuallererst die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich oft in langjähriger Tätigkeit und großer Bereitschaft für den Erhalt des Standorts eingesetzt hätten. »Ihre soziale Absicherung hat nun oberste Priorität«, erklärt Töns.

Die rund 7000 Quadratmeter große Verkaufsfläche gilt als wichtiger Anker – die Stadt Gelsenkirchen spricht von einer »Schlüssel-Immobilie« für die City. Daher suchte das Referat Wirtschaftsförderung bereits vor Monaten den Dialog mit der Geschäftsführung und der Eigentümervertretung. Es geht dabei um geeignete Nachnutzungskonzepte für die Immobilie, die es wiederzubeleben gilt. Allein schon im Sinne der Gelsenkirchener Innenstadt, die außer einer Drogerie-Filiale sowie Modeketten wie Primark, H & M oder Peek & Cloppenburg kaum noch »Magnet-Betriebe« hat.

»Wir orientieren uns an Best-Practice-Beispielen in anderen Städten, bei denen der Umbau ehemaliger Kaufhof- und Karstadt-Filialen zu einer multifunktionalen Immobilie mit einem vielfältigen Nutzungskonzept geglückt ist«, erklärt Stadtrat und Wirtschaftsförderung-Dezernent Simon Nowack. Denkbar seien Anmietungen durch Anbieter aus Lebensmitteleinzelhandel, Gastronomie und urbaner Produktion sowie weitere Nutzungen auch abseits des klassischen Handels. Ähnlich sieht es auch SPD-Mann Töns. »Wir müssen uns um eine adäquate Nachnutzung der Immobilie in bester Lage bemühen, damit die Bahnhofstraße ein Anlaufpunkt für die Gelsenkirchener bleibt.« Die Eigentümervertretung hat der Stadt zufolge in Zusammenarbeit mit zwei Architekturbüros schon mit den Planungen begonnen.

Das Galeria-Aus bedeutet dennoch einen herben Schlag für die gesamte City in der Ruhrgebietsstadt mit etwa 265 000 Einwohnern. Bereits im vergangenen Sommer war die Saturn-Filiale, im oberen Geschoss Untermieter von Kaufhof, geschlossen worden. Ein Nachmieter fand sich in den vergangenen Monaten nicht.

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