Filmt die Polizei: »Alle Polizeieinsätze sind öffentlich«

Ein Bündnis will Menschen motivieren, Polizeigewalt zu filmen. Sie fordern, Videos als Beweismaterial vor Gericht zuzulassen

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Mord an George Floyd ist auch in Deutschland ein Symbol rassistischer Polizeigewalt geworden. Die brutale Szene aus dem Jahr 2020 ist um die Welt gegangen, die letzten Worte des Afroamerikaners waren: »I can’t breathe« (Ich kann nicht atmen). Die darauf folgenden internationalen Black-Lives-Matter-Proteste und die Verurteilungen der verantwortlichen Polizisten haben gezeigt, wie wichtig es ist, Beweise für Polizeibrutalität auf Video festzuhalten.

In Deutschland hat zuletzt der Fall Mouhamed Dramé für Entsetzen gesorgt. Der 16-jährige Flüchtling aus dem Senegal wurde im August 2022 von Polizist*innen in Dortmund mit Pfefferspray, Taser und Maschinenpistole geradezu hingerichtet. Fünf Beamte sollen dafür nun vor Gericht kommen. Doch allzu oft hat rassistische Polizeigewalt keine Konsequenzen. Erinnert sei hier an die bis heute gerichtlich nicht geklärte Verbrennung von Oury Jalloh im Jahr 2005 in einer Dessauer Polizeizelle.

Zum Internationalen Tag gegen Polizeigewalt am 15. März ruft deshalb ein Bündnis dazu auf, die Polizei zu filmen: »Go Film The Police«. Und veröffentlicht parallel dazu einen Leitfaden zur Dokumentation von polizeilichen Maßnahmen. Gestartet wurde diese Kampagne bereits im November 2021 von Kop – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, seit etwa fünf Monaten steht sie nun auf breiteren Schultern und wird von verschiedenen Gruppen getragen, darunter die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, die Zeitschrift »Cilip«, die Gruppe Facq Berlin und das Netzwerk »Ihr seid keine Sicherheit«. Sie fordern, Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen zu entkriminalisieren, die Konfiszierung von Handys und das Löschen von Videoaufnahmen durch die Polizei zu verbieten sowie Videoaufnahmen als sichere Beweismittel vor Gericht zuzulassen und verdächtige Polizeibeamt*innen zu identifizieren und zu verurteilen.

In Deutschland versuchen Polizist*innen immer wieder, Menschen davon abzuhalten, sie bei ihrer Arbeit zu filmen. »Betroffene kommen immer wieder in unsere Beratung und berichten, dass die Polizei ihnen ihr Handy abgenommen oder Videos gelöscht hat«, sagt Parto Tavangar von Kop zu »nd«. Auch könnten Zeug*innen, die rassistische Polizeigewalt filmen wollen, davon selbst betroffen werden. »Wir wollen Menschen dafür sensibilisieren, dass sie das Recht haben zu filmen«, sagt Tavangar. Im Leitfaden wird daher genau erklärt, was Betroffene und Zeug*innen beachten sollten, was ihre Rechte sind und welche Risiken sie eingehen.

»Go Film The Police« ist die Aufforderung »rassistische Polizeigewalt zu filmen, um die Brutalität der Polizei als organisierte Gewalt sichtbar zu machen und Rechenschaftspflicht einzufordern«, heißt es in der Einladung zu einer Informationsveranstaltung des Bündnisses, die am Mittwoch im Nachbarschaftshaus Urbanstraße in Berlin stattfindet. Sehr kritisch sieht das Bündnis, dass bewaffnete Polizist*innen zu Menschen in psychischen Krisensituationen gerufen würden. »Aus unserer Sicht sollte das geschultes Personal wie Psycholog*innen oder Sozialarbeiter*innen übernehmen«, sagt Tavangar. Einer Recherche der ARD zufolge gibt es in keinem Bundesland verpflichtende Fortbildungen allein zum Thema Umgang mit psychisch Kranken. Und auch Rassismus und Antisemitismus sind in der Polizeiausbildung kaum Thema.

Wer Polizeigewalt filmen will, wird von den Beamt*innen häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, dies verstoße gegen den sogenannten Abhörparagrafen (§201 Strafgesetzbuch). Er verbietet Tonaufnahmen des »vertraulich gesprochenen Wortes«. Das Bündnis kritisiert die missbräuchliche Anwendung dieses Paragrafen als »klaren Versuch, eine kritische Öffentlichkeit und Zeug*innenschaft zu kriminalisieren«. Tavangar von Kop sagt: »Alle Polizeieinsätze sind öffentlich.«

Viele Menschen seien sich unsicher, was sie dürfen. »Die Polizist*innen nutzen das aus, um Augenzeug*innen einzuschüchtern und zu verunsichern«, ergänzt Kim (Name geändert) von der Gruppe Facq, die sich als »Front der antikolonialen, antikapitalistischen, anticistemischen Queers« bezeichnet. Auch queere und insbesondere trans Personen sind von Polizeigewalt betroffen. Im August 2021 wurde eine trans Frau in Berlin von der Polizei verhaftet, die sie zuvor selbst zu Hilfe gerufen hatte und anfing zu filmen, nachdem sie ihre Aussage nicht aufnehmen wollten. »Vor Gericht werden die Aussagen von Polizist*innen oft als neutral und glaubhaft gewertet, jene von Betroffenen und Augenzeug*innen als parteiisch und unglaubwürdig«, sagt Kim. Videos könnten eine Möglichkeit sein, Tathergänge im Nachhinein aufzuklären – und perspektivisch für weniger Polizeigewalt sorgen.

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