Weiterer »Lauch«-Prozess gegen Berliner Aktivisten eingestellt

In der Verhandlung am Montag zweifelte die Richterin an Tom Schreibers Beleidigungs-Vorwürfen gegen den angeklagten Antifaschisten

  • Felix Schlosser und Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Erleichterung im Hochsicherheitssaal B218 des Amtsgerichts Tiergartens ist groß am Montagmorgen. Denn der Prozess gegen den Antifaschisten Torsten K. wegen Beleidigung wurde eingestellt. Der Angeklagte nahm dafür eine Auflage von 80 Sozialstunden an. Damit geht der dritte Prozess zu Ende, der vermeintliche Straftaten von Kundgebungsteilnehmer*innen verhandelt, die am 6. Juni 2021 in Biesdorf gegen den dort stattfindenden AfD-Landesparteitag protestierten.

Der Prozess geht auf eine Anzeige durch den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Tom Schreiber zurück. Der Innenpolitiker hatte 2021 eine Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei zu dem Anti-AfD-Protest begleitet. Als Schreiber von den Demonstrierenden erkannt wurde, kam es zu Rufen und Unmutsbekundungen gegen ihn. Unter anderem riefen ihm Anwesende »Du Lauch!« entgegen – eine Beleidigung, die sich laut Schreiber in der Rigaer Straße etabliert hätte, als er ebenfalls bei der Polizei hospitierte und Personenkontrollen dort begleitete.

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Als Reaktion auf die Parolen soll Schreiber mehrmals in die Menge gezeigt haben. Polizeikräfte zersprengten daraufhin gewaltsam die Gegenkundgebung. Von den über 50 Teilnehmer*innen wurden laut des antifaschistischen Bündnisses »Kein Raum der AfD«, das den Gegenprotest organisiert hatte, über zehn Personen ergriffen und abgeführt. »Sie wurden teilweise so stark verletzt, dass sie ärztliche Behandlung brauchten«, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Versammlung wurde daraufhin vom Anmelder aufgelöst, weil die Sicherheit der Anwesenden nicht mehr gewährleistet war. Acht Anzeigen gegen Festgenommene gingen anschließend bei der Polizei ein, die Vorwürfe lauteten Beleidigung, Gefangenenbefreiung, tätlicher Angriff und Widerstand.

Torsten K., der deshalb am Montag vor Gericht stand, sieht sich auch nach der Prozesseinstellung falsch beschuldigt. »Andere haben sich unflätig geäußert, aber nicht von meiner Seite«, erzählt er »nd«. Vielmehr hätte er versucht, die Anwesenden zu beruhigen, um eine Eskalation zu vermeiden. Er ärgert sich über Schreibers Anzeige und die Anklage. »Ich will dem ja nichts, ich finde es nur ein bisschen albern, wenn man wegen so einem Scheiß vor Gericht muss.« Lieber wäre ihm ein Freispruch gewesen, »aber wenn wir jetzt in Berufung gegangen wären, wäre das ziemlich teuer geworden«. Neben den Prozess- und Anwaltskosten wären auch die Kosten eines Gutachtens auf ihn zugekommen. Er gibt sich deshalb mit der Auflage zufrieden – »das ist das kleinste Übel«.

Schreiber hatte laut Angaben des Anti-AfD-Bündnisses bereits in einem der vorangegangenen Prozesse den Angeklagten K. namentlich als Verantwortlichen genannt. Die Richterin zog am Montag jedoch stark in Zweifel, dass Schreiber aus einer von ihm knapp 200 Meter entfernten Menschenmenge die Rufe deutlich hören und vor allem bestimmten Personen hätte zuordnen können. Nach rund eineinhalb Stunden hatte die Richterin bereits ein Urteil gefunden: Einstellung gegen Auflage in Form gemeinnütziger Leistungen.

Von den insgesamt acht Strafermittlungsverfahren wurden bisher vier weitere eingestellt, ein Prozess endete mit einem Freispruch, zwei laufen noch. Angesichts der mehrheitlich unbegründeten oder nicht beweisbaren Anklagen bezeichnet das Bündnis »Kein Raum der AfD« die juristische Aufarbeitung als sinnlos. Parallel arbeiten derzeit Betroffene und Anwält*innen an einer Klage gegen den Polizeieinsatz, die vom Verwaltungsgericht bereits angenommen wurde. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.

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